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Männer-Kompetenz im FußballHängende Zehn und so

Ehrlichkeit und sporadisches Nichtwissen gelten nicht, wenn über Fußball gesprochen wird. Zum Glück bietet die EM noch mehr Themen.

Alle Insignien fußballerischer Kompetenz sind versammelt: Deutsche Fans nach dem Ungarn-Spiel Foto: Balk/dpa

D ie Jungs am Flughafen von Warschau sind schnell als Schlandianer zu erkennen. Sie mögen gerade mit der Schule fertig sein, für einen ist es die erste Flugreise. Und sie sind völlig aus dem Häus­chen, jetzt in Budapest Cristiano Ronaldo live zu sehen. Stundenlang geht es um die EM und Deutschland, was der Jogi richtig macht und was falsch. Wenn Zeitungen darüber schreiben, die Basis fühle sich vom Fußball entfremdet, können sie diese Jungs jedenfalls nicht gemeint haben. Einmal ist tatsächlich Katar Thema – „ein Menschenleben ist da einfach nichts wert, Alter, voll heftig“ – aber das ist schnell abgehakt.

Die Jungs reden endlos, mit der Sicherheit, die Männer haben, wenn sie über Fußball monologisieren. Ich fand das immer schon erstaunlich. Leuten zuzuhören, von denen ich wusste, dass sie vielleicht alle paar Wochen mal ein Spiel schauen, sich aber gerieren, als sähen sie alles, mindestens als Scout.

„Ich sehe Havertz als hängende Zehn, ganz klar.“ „Ja, absolut, hängende Zehn“, echot der Zweite. „Und Werner in der Spitze, den hält Jogi in der Hinterhand. Aber die wichtigste Position im Fußball ist halt die Sechs, und Toni Kroos ist der heftigste Deutsche überhaupt.“ „Habt ihr gehört“, wirft der Dritte ein, „Rashica verlässt Werder. Aber bei Norwich wird er es nicht bringen, das ist ja klar.“

Dann geht es noch darum, wer wirklich den Titel in der Premier League verdient hatte. Ich frage mich, ob sie nur ein Spiel in Gänze gesehen haben. Ich habe ein paarmal versucht, bei solchen Debatten eine ehrliche Einschätzung zu geben. Dass ich Team X einfach nicht oft genug gesehen habe, um eine taktische Ausrichtung zu beurteilen. Dass ich nicht sicher bin, welche Position für Spieler Y besser ist. Und im Stillen: dass es wenige Leute gibt, die wirklich über Taktik Bescheid wissen, ich würde mich nicht dazu zählen.

Zwischentöne im potenten Getue

Aber Ehrlichkeit wird in solchen Debatten als Schwäche gelesen. Männer, die über Fußball reden, sind sich meist ganz sicher. Und manchmal kann ich nicht umhin, zu bewundern, wie wirksam diese Anmaßung ist.

Der Flieger nach Budapest ist ein Schland-und-Frankreich-Flieger, die Stadt voll von grölenden Fans. Plötzlich, nach Wochen in Aserbaidschan und Nordmazedonien, ist EM.

Aber natürlich gibt es Zwischentöne in all dem potenten Getue. Im Bus komme ich neben einem Algerier zu sitzen, der auch fürs Spiel hier ist und jetzt in Frankreich lebt. Er unterstützt beide Teams, geht auch mal zum Frauenfußball, und es stellt sich heraus, dass wir bei der WM 2019 beim selben Spiel im Stadion waren. Er erzählt, wie er zum Studium nach Frankreich kam, wie sein algerischer Pass ihm beim Reisen zu EM-Spielen Probleme bereitete und wie er wegen Covid seit eineinhalb Jahren seine Familie nicht sehen konnte.

Zum Schluss empfiehlt er mir, einmal die algerische Wüste zu besuchen, die ihm so viel bedeute. Und wieder mal ist es der Fußball, der auch solche Gespräche ermöglicht.

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Alina Schwermer
freie Autorin
Jahrgang 1991, studierte Journalismus und Geschichte in Dortmund, Bochum und Sankt Petersburg. Schreibt für die taz seit 2015 vor allem über politische und gesellschaftliche Sportthemen und übers Reisen. Autorin mehrerer Bücher, zuletzt "Futopia - Ideen für eine bessere Fußballwelt" (2022), das auf der Shortlist zum Fußballbuch des Jahres stand.
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2 Kommentare

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  • genau. sollen die klappe halten wenn sie von nix ahnung haben. reicht schon wenn die alle vier jahre ein kreuz machen dürfen. und dann noch das falsche.

  • Und im Stillen: dass es wenige Leute gibt, die wirklich über Taktik Bescheid wissen, ich würde mich nicht dazu zählen.

    Hm. Meinungen sind halt verschieden, auch angelesene und oberflächlichle. Schwätzer gibts ebenso Viele, auch außerhalb des Fußballs, auch unter Frauen. Und im Fußball gehts eben auch oft und hauptsächlich um schlichte Emotionen, um Stammtsichparolen und nicht um tiefgreifende Analysen.

    Aber mal ehrlich, von einer Frau, die viel Fußball schaut und in erster Linie über Fußball Artikel schreibt, finde ich den Satz mehr als unnötiges Understatement. Vor allem wenn das Geschwätz von -räusper, ganz tief Luft hol- "Nationalmannschaftsfans" als Grundlage dient. Schon allein die obigen Aussagen über "hängende 10" (bitte was?) oder Toni Kroos kann man einfach weglächeln.