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Mädchen auf dem FußballplatzHelikopter-Väter übernehmen das Spiel

Väter schubsen ihre Töchter zur Seite und krempeln ihre Hosenbeine hoch. Unser Kolumnist sieht sich gezwungen, ebenfalls ins Fußballspiel einzugreifen.

Ein Mädchen jongliert auf einem Fußballplatz: Wenn sie nicht aufpasst, dann schnappt ihr ein Vater den Ball vom Fuß Foto: Federico Gambarini/dpa

E minanim, kannst du mir bitte sagen, warum deine Tochter Hatice unbedingt Fußball spielen muss? Kann sie nicht wie alle anderen kleinen Mädchen mit dem Seil hüpfen, Hulahup-Reifen oder Flaschen drehen?“, frage ich meine Frau.

„Osman, könnte es vielleicht daran liegen, dass sie ihren fußballverrückten Vater zum Vorbild hat?“, kontert sie.

„Wenn sie mich zum Vorbild genommen hätte, dann würde sie vor dem Fernseher rumlungern, anstatt selber spielen zu wollen“, halte ich dagegen.

„Osman, fünf Minuten darfst du noch rummeckern. Dann müsst ihr zum Training“, hat sie wie immer das letzte Wort.

Ihr Trainer muss seinen nervösen Magen beruhigen

Leider hat Hatices Trainer Herr Katsche richtig was an der Klatsche. Jedenfalls muss er alle Viertelstunde ins Vereinsheim rennen, um seinen nervösen Magen mit einem Magenbitter zu beruhigen. Nervöser Magen, das hört sich für den Trainer einer Mädchenmannschaft auch viel sympathischer an als Alkoholiker. Nach seiner Fahne zu urteilen, war sein Magen heute sehr, sehr nervös.

Andererseits, wie will man 25 rumtobende Blagen denn sonst ertragen, wenn man nicht total besoffen ist?

Herr Katsche bildet sofort zwei Mannschaften, lässt sie gegeneinander antreten und selber spurtet er wieder in Richtung Vereinsheim.

Anarchie auf dem Fußballplatz

Wie nicht anders zu erwarten, herrscht sofort Anarchie auf dem Platz, nachdem die Autoritätsperson verschwunden ist.

Damit meine ich aber nicht die Kinder, sondern deren Eltern. Die nehmen sofort das Recht in die eigene Hand! Ein Vater wechselt sich sehr verärgert selbst ein, um auf Torjagd zu gehen, nachdem sein Kind das Tor kläglich verfehlt hatte.

Kaum im Spiel, schnappt er energisch den Ball, lässt mit einem kleinen Schubser den gegnerischen Verteidiger aussteigen und drischt voller Kraft ins Netz, dass das kleine Tor umfällt. Mit einem lauten Torschrei dreht er jubelnd ab und klatscht mit allen seinen Spielkameraden ab, wobei er sich dafür sehr tief bücken muss.

Die kleine Marta fliegt im hohen Bogen drei Meter durch die Luft.

Der Vater der düpierten Verteidigerin reißt sich sofort die Klamotten vom Leib und greift mit einer sehr sehenswerten Blutgrätsche ins Spielgeschehen ein. Die kleine Marta fliegt im hohen Bogen drei Meter durch die Luft.

Hannes, der Vater der Überfliegerin, zieht sich mit hochrotem Kopf wütend seinen Pullover aus. Zum Vorschein kommen ein sehr enges, grünes Trikot und etwas zu kurz geratene Shorts. Mit so was trabte zuletzt 1972 Günter Netzer über den Platz.

Nachdem auch die anderen Väter ihre Kinder zur Seite geschubst und ihre Hosenbeine hochgekrempelt haben, sehe ich mich gezwungen, ebenfalls ins Spiel einzugreifen, um Hatice vor diesen Trampeltieren zu schützen.

Noch kleine Kinder auf dem Platz

„Um zwei Kisten Bier!“, brülle ich und erkläre das eben erzielte Tor für ungültig, mit der Begründung, dass noch kleine Kinder auf dem Platz waren.

Ein paar Minuten später trabt Herr Katsche vollgetankt wieder zurück, reibt sich erst mal ungläubig die Augen und sucht seine 25 Kinder, die hier eben noch Fußball gespielt haben.

Als er nicht fündig wird, rennt er wieder hektisch Richtung Vereinsheim. Diesmal verständlich, den Stress macht kein Magen mit.

Dabei verpasst er das traumhaft schöne Tor des Monats. Es ist von mir. Genau in den Winkel.

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