WM-Kucken mit meiner Frau: Erlösung durch Schlusspfiff

Meine Frau lässt mich nicht in Ruhe vor dem Fernseher die WM verfolgen. Ich halte das nicht mehr aus.

Lionel Messi gestikuliert auf dem Spielfeld.

Foul auf dem Feld und Foul auf der Couch: die WM sorgt für viel Verdruss Foto: dpa | Robert Michael

„Osman, alle unsere Freunde machen ständig was Spannendes, nur wir hocken unser Leben lang hier vor der Glotze rum“, meckert meine Frau Emin­anim, genau in dem Moment, als es im Fernsehen wirklich ganz, ganz spannend wird.

„Eminanim, was willst du von mir? Wir schauen uns ein Weltmeisterschaftspiel an. Und wir werden endlich erfahren, ob Argentinien oder Kroatien ins Finale kommt. Mehr Spannung geht doch nun wirklich nicht mehr!“, bitte ich sie mit pochendem Herzen nicht so undankbar zu sein und wenn doch, dann bitte erst nach dem Spielschluss.

„Siehst du, was habe ich eben gesagt? Dein Leben findet in dieser Kiste statt. Wenn ich jetzt plötzlich den Stecker ziehen würde, würdest du hier jämmerlich krepieren!“

„Jetzt übertreib’ mal nicht so, das ist doch kein Beatmungsgerät. Noch bin ich nicht in ein künstliches Koma gefallen, im Gegensatz zu diesem erbärmlichen Stürmer da, der stehend k.o. ist.“

„Es sieht aber so aus, ich sehe nämlich überhaupt keine Lebenszeichen von dir! Alle meine Bekannten machen was Aufregendes, Bungee-Sprung mit ’nem Segelflugzeug, starten eine Weltreise oder graben einen Brunnen in Afrika für arme Waisenkinder! Und was machen wir die ganze Zeit außer dumm rumzusitzen und das blöde Ding mit den noch blöderen Fußballern anzustarren?“

Kaputte Waschmaschine

„Wie bitte? Ich kenne keine Waisenkinder, die mit ’nem Segelflugzeug eine Weltreise machen“, stammele ich geistesabwesend, um Eminanim noch etwas hinzuhalten.

„Da sieht man doch mal wieder, dass du mir nie zuhörst, du taube Nuss! Ich sagte, alle meine Freundinnen führen ein spannendes Leben – nur ich nicht!“

„Eminanim, bitte, eine Fußball-Weltmeisterschaft findet doch nur alle vier Jahre statt! 50 Milliarden Menschen in aller Welt schauen jetzt gerade höchst gespannt zu. Nur ich darf das irgendwie nicht. Heute springt niemand mit einem Segelflugzeug in einen afrikanischen Brunnen, verdammt!“

„Das ist ja wieder mal typisch für dich. Du denkst sofort, alle Menschen auf dem Planeten hocken vor der Glotze – nur weil du das tust!“

„Eminanim, bei dem letzten WM-Spiel hast du mich damit in den Wahnsinn getrieben, dass die Waschmaschine kaputt gewesen sei und sofort repariert werden müsse. Das ging ja noch einigermaßen. Ich brauchte nur während des Eckballs in der 65. Minute die Werkstatt anzurufen. Der Handwerker kam natürlich erst nach dem Spiel. Aber jetzt, gerade während des Elfmeters, von mir zu verlangen, mit einem Segelflugzeug in Afrika zusammen mit Waisenkindern Bungee in einen Brunnen zu springen, das finde ich schon ein bisschen zu happig!“

Endlich kommt der erlösende Schlusspfiff, und ich bin heilfroh, das Spiel und Eminanim ohne einen Herzinfarkt überlebt zu haben.

„So, wir haben es geschafft! Jetzt mache ich alles, was du willst, mein Täubchen. Wo soll ich rein springen?“, rufe ich erleichtert.

„Osman, mach doch, was du willst. Jetzt habe ich keine Lust mehr, ich bin müde, ich gehe schlafen“, gähnt sie gelangweilt und trottet davon.

Ich bringe sie um, denke ich. Bei der nächsten WM bringe ich sie um!

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