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Macrons RentenreformAngezählte Staatsmacht

Rudolf Balmer
Kommentar von Rudolf Balmer

Die Umgehung des Parlaments ist legal, aber nicht legitim. So sehen es vor allem die, deren Lage sich durch Macrons Reform verschlechtert.

Wütende Proteste in Paris Foto: Lewis Joly/ap

D ie französische Regierungspolitik kann als Exempel für den Staatskundeunterricht dienen, um den Unterschied zwischen legal und legitim zu erklären. Die staatliche Exekutive hat in Frankreich dank einer von General de Gaulle bei seiner Machtergreifung von 1958 gewollten Verfassung eine ganze Reihe von undemokratischen Hilfsmitteln, um sich über die Meinung der parlamentarischen Volksvertretung hinwegzusetzen.

Das bekannteste in diesem Arsenal ist der Verfassungsartikel 49.3, der es der Regierung wie jetzt im Fall der umstrittenen Rentenreform ermöglicht, eine Gesetzesvorlage ohne Votum und ohne parlamentarische Mehrheit in Kraft zu setzen. Das ist aus der Sicht der Verfassungsrichter grundsätzlich legal. Doch die öffentliche Meinung, die diese für verabschiedet erklärte Anhebung des Rentenalters ablehnt, findet das nicht legitim. Auch deshalb werden die Widerstandsaktionen weiterhin von einer Mehrheit der Bevölkerung gutgeheißen.

Mit dem Begriff Reform ist historisch eine Verbesserung gemeint. Bei der vorliegenden Rentengesetzgebung in Frankreich wird mit einem autoritären Machtwort eine Verschlechterung durchgesetzt, deren Auswirkungen genau jene Schichten trifft, die ohnehin schon um eine ausreichende Altersvorsorge bangen mussten: die Frauen, die in Teilzeit oder sporadisch Arbeitenden, die Erwerbstätigen mit niedrigen Löhnen und besonders mühseligen oder gefährlichen Arbeitsbedingungen, die oft auch die Lebenserwartung senken. Der Regierung ist es nie gelungen, den Kritikern das Gegenteil zu beweisen, sie hat sich im Gegenteil im Verlauf der Debatte mit falschen Zahlen und konfusen Angaben in Lügen verstrickt.

Auch wenn die angekündigten Misstrauensanträge gegen das Ministerkabinett und Premierministerin Elisabeth Borne wohl an der gegensätzlichen Zusammensetzung der linken und rechten Opposition scheitern dürften, ist die Regierung, die sich nur noch auf ihre institutionelle Staatsmacht stützt, angezählt. Nun auf die eventuelle Resignation der Wütenden zu zählen, ist ein gefährliches Kalkül für Macron.

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Rudolf Balmer
Auslandskorrespondent Frankreich
Frankreich-Korrespondent der taz seit 2009, schreibt aus Paris über Politik, Wirtschaft, Umweltfragen und Gesellschaft. Gelegentlich auch für „Die Presse“ (Wien) und die „Neue Zürcher Zeitung“.
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2 Kommentare

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  • Unabhängig davon, ob Macron nun mit der Reform recht hat oder nicht, fürchte ich dass die Ablehnung des Volkes le Pen in die Karten spielen wird. Frankreich rutscht wieder ein Stück weiter nach rechts, das ist nicht gut!

    • @Rudi Hamm:

      Richtig. Und es ist nicht nur nicht gut, sondern auch kontraproduktiv im Sinne der Interessen der wirklich arbeitenden Bevölkerung, denn die Rechten haben ja wohl kaum Steuererhöhungen für Reiche auf der Agenda, um die Rente zu finanzieren.