Machtkampf um Kalbitz in der AfD: Der Druck hat gewirkt
Kalbitz bleibt auch nach dem Parteiausschluss Teil der AfD-Fraktion in Brandenburg. Der Partei droht die Spaltung.

E s braucht kein Parteibuch, um als Rechtsextremer in der AfD zu wirken. Andreas Kalbitz darf auch nach seinem Parteiausschluss weitermachen, als Teil der Brandenburger AfD-Fraktion. Mit dieser Rückendeckung wird er versuchen, seine Niederlage, die die Entscheidung von Parteichef Jörg Meuthen und seiner Getreuen bedeutete, doch noch in einen Sieg umzuwandeln. Ein Sieg von Kalbitz würde Meuthen unweigerlich den Kopf kosten und die Positionierung der AfD im nationalistisch-völkischen Lager besiegeln.
Kalbitz jedenfalls scheint sich seiner Sache sicher. Nicht die Fraktion, sondern er habe die zweite Frage entschieden, die es am Montag zu beantworten galt – jene über seinen Posten als Fraktionsvorsitzender. „Die Frage des Vorsitzes habe ich ausgelassen“, erklärte Kalbitz nach der für ihn so erfreulichen Sitzung in einer Mischung aus Selbstgewissheit und Anmaßung. Das Signal ist kaum weniger offensiv, als wenn er sich tatsächlich als Parteiloser im Amt des Fraktionschefs gehalten hätte.
Wie es für Kalbitz und seine „Flügel“-Kämpfer ausgeht, ist keineswegs abgemacht. Er hat angekündigt, seinen Ausschluss zivilrechtlich und über das Parteischiedsgericht anzufechten. Chancenlos zumindest ist er nicht. Schon jetzt steht fest: Die AfD befindet sich mal wieder in einem offenen Machtkampf, eine Spaltung der Partei, von Kalbitz selbst als Möglichkeit erwähnt, ist nicht ausgeschlossen.
Eine gemeinsame Zukunft der inzwischen verfeindeten Lager ist kaum mehr vorstellbar. Björn Höcke hat Meuthen und Co. des „Verrats“ bezichtigt und ihnen die „Zerstörung“ der Partei vorgeworfen. Er wird alles daransetzen, eine Entscheidung zu suchen, die Machtübernahme in der Partei unter der Bedingung der Rehabilitierung von Kalbitz oder die Abspaltung und Gründung einer eigenen Organisation. Muss dagegen Meuthen abdanken, steht selbst eine Partei-Zentristin wie Beatrix von Storch davor, kaltgestellt zu werden.
Druck von außen
Diese Krise der AfD ist nicht in erster Linie auf die ideologischen Unterschiede ihrer Protagonisten zurückzuführen; der Burgfrieden und die stillschweigende Akzeptanz rechtsextremer Auswüchse hielten lange. Entscheidender ist der Druck von außen, etwa durch Verfassungsschützer, die endlich ihre Arbeit machen.
Der Druck auf die AfD ist nicht zuletzt auch auf die Expertise und Hartnäckigkeit von Antifa-Recherchegruppen zurückzuführen. „Recherche Nord“ etwa war es, die bereits 2018 die Bilder von Kalbitz bei einem Pfingstlager der HDJ ausgegraben haben, die später durch einen Bericht von „Monitor“ Verbreitung fanden. Es war der erste Hinweis auf diese Kontakte, die Kalbitz nun zum Verhängnis wurden.
Unzählige Nazi-Skandale haben AntifaschistInnen und professionelle JournalistInnen seit Bestehen der AfD ans Tageslicht gefördert. Kalbitz' 20-jährige Karriere im organisierten Rechtsextremismus von Schülerburschenschaft über Republikaner bis zu einer Reise mit NPD-Kadern ist ausführlich belegt. All dies hat die AfD bis zur Verzweiflung ihrer GegnerInnen immer erfolgreich ignoriert.
Dass die Partei nun dennoch ausgerechnet an der Nazi-Vergangenheit eines zentralen Kaders zu zerbrechen droht, ist fast schon Ironie. Aber es zeigt: All die antifaschistischen Bemühungen, Vergangenheit und Ideologie von AfD-PolitikerInnen aufzuklären, sind nicht umsonst.
Richtigstellung: In einer früheren Version haben wir geschrieben: „Mit der Beobachtung des Flügels und dem Ausgraben von Kalbitz' Mitgliedsantrag beim neonazistischen Verein Heimattreue Deutsche Jugend (HDJ) wurde Meuthen zum Handeln gezwungen.“ Tatsächlich lag dem Verfassungsschutz nach eigenen Angaben ein Beleg für die Mitgliedschaft ‚Familie Andreas Kalbitz‘ mit der Nummer 01330 vor, nicht aber ein Mitgliedsantrag von Kalbitz.“ Die Redaktion
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