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Machtkampf in der CDUAuf schwankenden Planken

Die Parteivorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer wankt, im Fernsehen ätzt Friedrich Merz, die Kanzlerin reist nach Indien. Was ist los in der CDU?

Wer stützt wen? CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer und Thüringens Spitzenkandidat Mike Mohring Foto: Markus Schreiber

Am Mittwoch der zurückliegenden Woche erschien in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung ein Namensbeitrag des CDU-Generalsekretärs. Das Blatt gilt seit etlichen Jahren als die geeignete Plattform für Konservative; wer der Unionspartei etwas mitzuteilen wünscht, findet hier seine Zielgruppe.

1999, vor genau zwanzig Jahren, hatte ebenfalls in der FAZ eine andere CDU-Generalsekretärin – Angela Merkel – gefordert, die Partei möge mit ihrem Ehrenvorsitzenden Helmut Kohl brechen. Ihr Text – Aufmacher auf Seite 2, Ressort Politik – war überschrieben mit „Die von Helmut Kohl eingeräumten Vorgänge haben der Partei Schaden zugefügt“.

Der Beitrag markierte den Aufbruch der Christlich Demokratischen Union ins 21. Jahrhundert. Und er ist bis heute die Folie für die Erzählung von der harmlos wirkenden, tatsächlich jedoch männermordenden Angela ­Merkel. Es ist diese Erzählung, die bis in die ­Gegenwart Männer – junge, ältere, alte – zur Rache anspornt.

Der diese Woche erschienene Text von Paul Ziemiak für die FAZ – Aufsetzer auf Seite 8, Ressort Zeitgeschehen, Rubrik „Fremde Federn“ – trägt den Titel „CDU und Linke sind wie Feuer und Wasser“. Es geht diesmal nicht um Aufbruch, sondern um Schadensbegrenzung.

Ziemiak schreibt, es könne ja sein, dass „manche“ eine Zusammenarbeit von CDU und Linke gut fänden. „Ich könnte das nie.“ Politische Mehrheiten ergäben sich eben nicht nur aus dem Addieren von Mandaten, sondern aus der Summe gemeinsamer Überzeugungen. „Das gibt es mit der Linkspartei nicht.“

Die Klarstellung war nötig geworden, weil es nach der Landtagswahl in Thüringen heftige Abweichbewegungen von der Parteilinie gegeben hatte, was wiederum die Vorsitzende der Bundes-CDU bedenklich ins Rutschen bringt.

Es fühlt sich an, als habe sich die CDU die Aufführungsrechte bei den Sozial­demokraten besorgt

Thüringens Landeschef Mike Mohring – minus 11,7 Prozent – war mit seinen Christdemokraten von Platz eins auf Platz drei abgerutscht. Gleichwohl verspürte er „einen Auftrag, verantwortlich mit dem Ergebnis umzugehen“, also Machtoptionen mit Bodo Ramelow auszuloten. Und dann sprach er auch noch diesen epischen Satz: „Ich brauche nicht Berlin, um zu wissen, was für Thüringen nützlich ist.“

Berlin – das ist für LandespolitikerInnen der CDU das Konrad-Adenauer-Haus. In dem futuristischen Bau in der Klingelhöferstraße sitzt die Parteizentrale, dort haben die Vorsitzende und ihr Generalsekretär das Sagen.

Ebendieser Generalsekretär Paul Ziemiak hatte noch am Sonntagabend, unmittelbar nach Bekanntwerden der ersten Prognosen klargestellt: „Unser Wort gilt auch nach den Wahlen: Es wird von der CDU keine Koalition mit der Linkspartei oder der AfD geben.“

Was im Laufe der nächsten Tage folgte, ist hinlänglich bekannt und fühlt sich für interessierte BeobachterInnen an, als habe sich die CDU die Aufführungsrechte bei den SozialdemokratInnen besorgt. Das Drama ist noch nicht zu Ende.

Nicht ausgeknockt

Aber was man jetzt, quasi in der Pause, festhalten kann, ist dies: Annegret Kramp-Karrenbauer ist massiv angegriffen worden. Sie ist angeschlagen, sie wankt. Aber sie ist nicht ausgeknockt. Denn sie hat sich gewehrt und zum taktischen Gegenschlag ausgeholt.

Der Reihe nach. Am Montag nach der Thüringenwahl gibt es Knatsch im Bundesvorstand, weil Mike Mohring nicht einsehen will, warum er nicht einfach mal mit dem Bodo reden sollte. Ziemiak weist, völlig zu Recht, auf den geltenden Abgrenzungsbeschluss der CDU hin; dann wird es unübersichtlich.

Vorstandsmitglieder fordern einen sofortigen Beschluss, der das ohnehin Beschlossene einfach noch mal bekräftigt. Die Parteivorsitzende und die Kanzlerin sollen dies laut Bild-Berichterstattung als überflüssig abgelehnt haben. Woraufhin Tilman Kuban, Vorsitzender der Jungen Union, mal eben fordert, hier und jetzt die Führungsfrage zu klären.

In der anschließenden Pressekonferenz mit Mike Mohring wagt Kramp-Karrenbauer dann die Vorwärtsverteidigung. Sie weiß, dass aus der CDU-Gremiensitzung eh alles an die Medien durchgestochen wird, sie spricht vom „Liveticker“. Also sagt sie, sie habe bekanntlich vor Jahresfrist das Rennen um den Parteivorsitz gewonnen und stehe deshalb in der Verantwortung. Wer meine, es besser zu können, möge auf dem Parteitag in drei Wochen einen entsprechenden Antrag stellen.

Und dann tritt Merz auf

Prompt meldet sich Friedrich Merz zu Wort. Dem ZDF gibt er ein Interview, das in Duktus und Wortwahl so noch nicht gesehen ward im deutschen Fernsehen. Inhaltlich erinnert es entfernt an Merkels FAZ-Beitrag von 1999. Merz fordert unumwunden, die Partei möge mit ihrer Kanzlerin brechen und jetzt mal andere ranlassen.

Seit Jahren lege sich „wie ein Nebelteppich die Untätigkeit und die mangelnde Führung durch die Kanzlerin“ über das Land, sagt er dem Sender. Das gesamte Erscheinungsbild der Bundesregierung sei „einfach grottenschlecht“. Er könne sich nicht vorstellen, dass „diese Art des Regierens in Deutschland“ noch zwei Jahre so weitergehen könne.

Es ist nichts weniger als der Versuch, Merkel derart zu reizen, dass sie ihren Panzer ablegt und den Weg frei macht für jene Sorte Erneuerung, die dem 63 Jahre alten Friedrich Merz vorschwebt: seine Anwartschaft auf die Kanzlerkandidatur.

Denn Merz, vor zehn Jahren aus der Bundespolitik ausgeschieden, Lobbyist und zuletzt gescheiterter Kandidat für den Parteivorsitz, möchte Kanzler werden. Die Bild-Zeitung, immer nah dran an dem Sauerländer, schreibt ausdrücklich: „Merz will nicht Parteichef werden, nur Kanzler.“ Der Vorsitzendenjob, um den er sich im letzten Jahr noch beworben hatte, scheint nicht mehr attraktiv genug. Merkel soll weg.

Merkel in Indien

Doch Merkel schweigt und reist planmäßig nach Indien. Anders als ihre Nachfolgerin Kramp-Karrenbauer hat sie in 18 Vorsitzendenjahren die Fähigkeit perfektioniert, Angreifer gerne mal ins Leere laufen zu lassen. Gerade in Parteiangelegenheiten hält sie sich seit ihrem herzerweichenden Abschied vor Jahresfrist wohlweislich zurück.

taz am wochenende

Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter. Das Dossier zu "30 Jahren friedliche Revolution" aus der Ausgabe vom 2./3. November gibt es online hier.

Eine Einmischung in Kramp-Karrenbauers Belange, ein irgendwie als solches zu verstehendes Machtwort würde dieser als Schwäche ausgelegt. Hinzu kommt wohl die Überzeugung, dass Stresstests dazugehören, für eine Kanzlerin in spe erst recht. Wer Angriffe nicht parieren und nicht ohne Eitelkeit weiterarbeiten kann, wäre ohnehin falsch im Kanzleramt.

So muss Annegret Kramp-Karrenbauer also schauen, wie sie die offen zutage liegende Führungskrise löst. In drei Wochen ist Parteitag in Leipzig; dann scheint vieles möglich. Es wäre also gut, wenn die Vorsitzende und ihr Generalsekretär sich strategisch auf alle Eventualitäten einstellen würden. Wichtig: Kramp-Karrenbauer darf bis dahin nicht in den Verteidigungsmodus zurückfallen.

Denn prompt nach ihrer Kampfansage an ihre innerparteilichen Widersacher waren deren Stimmen verhaltener geworden. Eine Gruppe maßgeblicher Bundestagsabgeordneter aus der Union­sfraktion hat die Querschläger in einer gemeinsamen Erklärung aufgefordert, „dieses Verhalten sofort einzustellen“. Gesundheitsminister Jens Spahn, dem selbst Ambitionen auf die Kanzlerkandidatur nachgesagt werden, sagt: „Diese Debatte wird der CDU nicht gerecht.“

Tauber holt Kohl raus

Und der frühere Generalsekretär Peter Tauber zitiert auf Twitter ­Helmut Kohl: „Wer sich auf Kosten der Partei profilieren will, wer sich gegen den Geist der Solidarität zur Partei versündigt, der katapultiert sich selbst aus unserer Gemeinschaft heraus.“

Und als sei nicht genug los gewesen in der zurückliegenden Woche, tut sich in Thüringen ein weiterer Krisenherd auf. Der dortige Vizefraktionschef der CDU sagt gegenüber der Welt, er halte die AfD für eine „konservative Partei“ und wolle, dass die CDU mit den Rechten in einer „bürgerlichen Mehrheit rechts“ zusammenarbeitet. Eine gute Gelegenheit für Annegret Kramp-Karrenbauer, die Führungsfrage sehr deutlich zu beantworten.

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11 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • Dass der ewig präpotente Merz nur Kanzler, nicht aber Parteivorsitzender werden will, ist in mehrfacher Hinsicht bezeichnend. Auch er will nämlich nicht die Drecksarbeit machen, die schwierige aber dringend notwendige Abgrenzung gegenüber der AFD. Merz ist dafür einfach zu faul und zu desinteressiert, andere überlassen diese Arbeit gerne den Sündenböcken Merkel und Kramp- Karrenbauer, wieder andere bestreiten einfach den Handlungsbedarf. Aber auch mit einem Kanzler Merz werden die AFD- Wähler nicht zurückkommen, gleichzeitig wird er die eigene Partei weiter spalten. Ich würde der CDU ja raten lieber von der CSU zu lernen. Die sind ja neuerdings grüner und sozialer als der Rest der Groko zusammen. Die sind wieder halbwegs in der Mitte und auch wenn man Söder nicht traut, lernfähig ist er.

    • @Benedikt Bräutigam:

      In der Tat, lernfähig ist Söder, aber seine Lernfähigkeit und Wandlung vollzog sich in einer atemberaubenden Schnelligkeit. Seine plötzliche Friedfertigkeit und sein ungewöhnlich milder und harmloser Umgangston lässt Raum für Spekulation. Hat der „Bulldozer“ Söder nicht doch ein wenig zu viel Kreide geleckt?

      • @D-h. Beckmann:

        Mal zwischen Worten und Taten unterscheiden und schon sieht man, dass die "neue" CSU auf 99% der relevanten Felder genauso neu ist, wie die "neue" CDU. Das ist nur das übliche Nachjustieren des Framings.

  • Zitat: „Der dortige Vizefraktionschef der CDU sagt gegenüber der Welt, er halte die AfD für eine ‚konservative Partei’ und wolle, dass die CDU mit den Rechten in einer ‚bürgerlichen Mehrheit rechts’ zusammenarbeitet.“

    Sieht aus, als würden sich einige CDU-Leute schon nicht mehr (nur) an der offenbar etwas unklaren Direktive aus dem Adenauer-Haus orientieren, sondern bereits mit mindestens einem Auge nach der ihrer Meinung nach neu entstehenden Machtzentrale rechts davon schielen, nennen wir sie provisorisch mal das Horst-Wessel-Haus.

    Das war immer schon das Dumme an der Autorität: Sie hat ein Verfallsdatum. Wenn einer kommt, der mehr und Besseres verspricht, wird man schnell aussortiert als (Ex-)Autorität. Vor allen, wenn man Schwachstellen erkennen lässt. Dann sollte man zusehen, dass man im Rücken eine stabile Wand hat, keinen Parteifreund.

  • 9G
    93441 (Profil gelöscht)

    "Doch Merkel schweigt und reist planmäßig nach XY."

    Eine schöne Beschreibung der Merkelschen Kanzlerschaft.

    • @93441 (Profil gelöscht):

      Eine Reise nach Indien ist gerade jetzt sehr klug. Die eigene Nachfolge kann niemand über ein gewisses Maß hinaus beeinflussen. Das muss AKK selbst schaffen bzw derjenige, welcher ...

  • Eigentlich ist diese Show um die Rivalen einer Partei gar nicht interessant.



    Warum sind nicht die Kämpfe der Kurdinnen und Kurden auf Seite 1 der taz?

  • "Seit Jahren lege sich „wie ein Nebelteppich die Untätigkeit und die mangelnde Führung durch die Kanzlerin“ über das Land, sagt er dem Sender. Das gesamte Erscheinungsbild der Bundesregierung sei „einfach grottenschlecht“. Er könne sich nicht vorstellen, dass „diese Art des Regierens in Deutschland“ noch zwei Jahre so weitergehen könne."

    14 Jahre falsche Politik, 16 Jahre falsche Politik... wo ist der Unterschied. Und Merz,Spahn und AKK stehen für genau so falsche Politik

    • @danny schneider:

      muss hier dieser Quatsch wiederholt werden?

  • RS
    Ria Sauter

    Genau das ist die CDU. Sie werden auch im Bund bei fehlenden Mehrheiten mit der AfD zusammgehen. Wetten



    ?

    • @Ria Sauter:

      Ich wette dagegen