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Machtkampf in der Berliner SPDDer Chef hat nichts zu melden

Im Streit über die Teilausschreibung der S-Bahn hat der neue SPD-Vorsitzende Jan Stöß eine bittere Niederlage erlitten. Ernste Folgen für Klaus Wowereit sind nicht in Sicht.

Gerade erst gewählt und schon düpiert: Jan Stöß. Bild: dapd

Immerhin das hat er geschafft. Wenn sich Jan Stöß, der neue SPD-Chef, am kommenden Montag mit dem Zoodirektor zur Plauschrunde „Zoo-Geschichten“ im Flusspferdhaus trifft, werden die Nachrichtenagenturen dabei sein.

Stöß ist jetzt ein Promi, die sind immer für was gut. Und sei es für eine Demütigung, wie sie der Senat gerade am Neuaufsteiger der Sozialdemokraten exerzierte. Obwohl Jan Stöß von einer „roten Linie“ gesprochen hatte, setzte der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit am Dienstag eine Teilausschreibung der S-Bahn durch. Steht die Berliner SPD nun vor einem Machtkampf zwischen Partei und Fraktion auf der einen und den SPD-Senatoren samt Wowereit auf der anderen Seite?

„Jetzt ist erst mal Sommerpause“, sagt Susanne Kitschun. Die Abgeordnete aus Friedrichshain-Kreuzberg zählt zur Parteilinken und damit zum Stöß-Lager. Doch in Kampfeslaune scheint die stellvertretende Fraktionschefin nicht zu sein. Sie spricht nur von „Nachwehen“ des letzten Parteitags, auf dem Stöß den langjährigen Amtsinhaber Michael Müller entthronte – und davon, dass nun viele Gespräche geführt werden müssten. „Wir haben doch einen gemeinsamen Nenner, wir müssen bloß wieder hinfinden“, glaubt Kitschun.

Bloß kein Rosenkrieg – diese Parole hatte zuvor schon Jan Stöß ausgegeben. „Wir lehnen eine Privatisierung der S-Bahn ab. Das muss die Verwaltung sicherstellen“, hatte er am Dienstag gesagt. Von irgendwelchen Linien war da keine Rede mehr. Offenbar hat sich Wowereit nicht nur inhaltlich durchgesetzt. Die Entscheidung, den Betrieb des S-Bahn-Rings ab 2017 neu zu vergeben, hat auch die Machtverhältnisse in der Partei wiederhergestellt. Jan Stöß ist nun zwar SPD-Chef, die Politik macht aber immer noch der Regierende Bürgermeister.

Einer, der schon viele Konflikte in seiner Partei erlebt hat, ist Michael Arndt. Der Kreisvorsitzende aus Steglitz-Zehlendorf glaubt deshalb nicht an eine Eskalation. „Mit neuen Führungsfiguren gibt es in Parteien immer Kladderadatsch“, scherzt Arndt. „Da wird sich bald wieder ein neues Gleichgewicht einstellen.“ Ein „Bruchszenario“, das am Ende auch Wowereit den Job kosten könnte, sieht er nicht. „Wenn es zu Neuwahlen kommt, wird die SPD nicht mehr mit der CDU, sondern die CDU mit der SPD regieren.“ Das, so der Mann aus dem Lager von Michael Müller, könne auch Stöß nicht wollen.

Blessuren für Wowereit

Ganz ohne Blessuren, findet eine SPD-Abgeordnete, werde Wowereit aber nicht davonkommen. „Gut möglich, dass ihm die Mehrheit für die Landesbibliothek fehlt“, meint sie und bittet, ihren Namen nicht zu erwähnen. Eine Sollbruchstelle für Rot-Schwarz sei ein Aus für Wowereits Renommeprojekt aber nicht. Dennoch könne es für den Regierenden eng werden: „Wenn die Eröffnung des Flughafens noch mal verschoben wird, hat er ein ernstes Problem.“ Tatsächlich könnte eine neue Verschiebung den Flughafen zum Wahlkampfthema machen: Im Herbst 2013 ist Bundestagswahl.

Bislang sitzt Wowereit aber fest im Sattel, auch weil sich im eigenen Lager noch keine Konkurrenz um den Spitzenjob abzeichnet. Zwar beobachten einige im Müller-Lager mit Sorge, dass der Kontakt der Parteilinken zum Finanzsenator immer enger wird. Doch zum Königsmörder tauge Ulrich Nußbaum nicht. „Der ist unabhängig, das hat der nicht nötig“, sagt ein SPDler. Und Jan Stöß oder Fraktionschef Raed Saleh trauen die wenigsten zu, in die Fußstapfen von Klaus Wowereit treten zu können.

Die seltsame Ruhe, die dem Affront mit der S-Bahn folgt, könnte aber trügerisch sein. „Ich persönlich bin wahnsinnig irritiert“, kommentiert Iris Spranger von der Reinickendorfer SPD die Teilausschreibung. Und hat nicht die SPD-Basis mit der Wahl von Jan Stöß bewiesen, dass sie so schnell keine Demütigung vergisst? War das erzwungene Votum für die A100 nicht der Anfang vom Ende der Ära Müller?

Vielleicht muss Jan Stöß bei seinem Besuch im Zoo erklären, was ein Elefantengedächtnis ist.

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2 Kommentare

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  • Y
    yberg

    solange der DB das netz gehört und diese es bereitstellt ,es billigst wartet,nicht instandhält,investitionen verschleppt und die nichtleistung und ausfälle überteuert abrechnet,handelt es sich bei der ausschreibung um eine farce.

     

    die senatsschnellschüsse nichtverantwortet von herrn wowereit-wo ist eigentlich heute frau merkel-werden den für berlin typischen rattenschwanz an auseinandersetzungn und prozessen nach sich ziehen mit dauerhaften einschränkungen für s-bahn nutzer

     

    der senat hätte schon längstens ein beweissicherungsverfahren in sachen zustand,qualität,leistungsfähigkeit,investrückstand und abrechenbarer kosten s-bahn netz anstoßen müssen aber dazu fehlt dem ehemaligen kanzlerkandidaten in spe und berliner oberwowi die traute

     

    sein utzname drückt seine qualitäten umfassend aus : fortwährende orientierungssuche im kosmos wo und wie mit stierem tunnelblick auf umfragewerte...

  • MS
    Michael Springer

    Die Ausschreibung des S-Bahn-Netzes wird über die nächsten 80 Jahre Verkehrsnetz in Berlin UND Brandenburg entscheiden.

    Die Ausschreibung ist im Mehrfachen Sinne eine Zukunftsfrage!

    Es ist zu kurz gegriffen wenn man einfach eine Ausschreibung in Verwaltungs-Zimmern zusammengetextet wird, die derart weit in die Zukunft wirkt.

     

    Richtig wäre:

    Ein Zukunftsforum, das sich mit der Bahntechnik der Zukunft auseinander setzt - und nachhaltige Verkehrslösungen entwickelt. Auch die Bürger sollten angemessen beteiligt werden.

     

    Fragen die zu klären sind:

    - Bremssystem für Leichtbau-Wagen mit Energie-

    rückgewinnung - eine Zukunftstechnologie?

    - ist das Netz ausreichend, braucht man neue

    Zwischenbahnhöfe und Lückenschließungen?

    - Ist ein X-Schnellzug nach Strausberg, Erkner oder

    Bernau, Potsdsam, Hennigsdorf möglich, der nicht

    an jedem Zwischenbahnhof hält?

    - sollte die S-Bahn auch Regio-Verkehr bedienen?

    - gibt es auch E-Mobilitätskonzepte der Zukunft,

    etwa Mitnahme von E-Autos ins Umland?

    - gibt es neue Service-Ideen?

     

    Wenn man einen großen Wurf neu plant, gibt es auch weltweite Exportchancen für die Bahntechnik und für neue Mobilitätskonzepte. Und die Region könnte auf lange Frist neue Industriearbeit schaffen.