Machtkampf in Venezuela: Musikalische Grenzgefechte
Alter Konflikt und neue Mittel: Der Machtkampf in Venezuela wird nun auch in Form von Konzerten an der Grenze zu Kolumbien ausgetragen.
Zehntausende waren zum „Venezuela Aid Live“ in die kolumbianische Grenzstadt Cúcuta gekommen. Die Bühne lag unmittelbar vor der Tienditas-Brücke, die über den Grenzfluss Táchira auf die venezolanische Uferseite führt. Überraschend war auch Interimspräsident Juan Guaidó erschienen, trotz des vom Obersten Gerichtshof gegen ihn verhängten Ausreiseverbots.
Zwei Videos zeigen den 35-Jährigen wie er im Laufschritt eine Fußgängerbrücke nach Kolumbien überquerte und sich später zusammen mit Kolumbiens Präsident Iván Duque und Chiles Präsident Sebastián Piñera für kurze Zeit unter das Konzertpublikum mischte. Organisiert hatte „Venezuela Aid Live“ der britische Milliardär Richard Branson.
Die venezolanische Nationalgarde hat am Samstag an der kolumbianischen Grenze Tränengas auf eine Menschenmenge gefeuert. Die Menschen wollten eine Barrikade auf einer Brücke bei Ureña durchbrechen. Die Menschenmenge in Ureña versuchte, gelbe Metallbarrikaden und Stacheldraht auf der Brücke Francisco de Paula Santander zur Seite zu räumen, als die Nationalgarde eingriff. (ap/afp)
Guaidó und der unter Hausarrest stehende Oppositionspolitiker Leopoldo López hätten ihn darum gebeten, sagte Branson. „In Venezuela gibt es Hunger und jeden Tag sterben Menschen, weil Medikamente fehlen. Heute ist ein Tag der Hoffnung. Lasst uns gemeinsam dafür sorgen, dass sich etwas ändert“, betonte Branson beim Konzertbeginn.Das Ziel: In 60 Tagen sollen 100 Millionen Dollar an Spenden gesammelt werden.
Er und die rund 30 überwiegend männlichen Musiker aus Lateinamerika forderten, humanitäre Hilfen für Venezuelas Bevölkerung ins Land zu lassen. In Cúcuta stehen seit rund zwei Wochen Hilfsgüter aus den USA bereit und warten auf den Weitertransport nach Venezuela. Weitere Depots sind im brasilianischen Bundesstaat Roraima eingerichtet sowie auf den Antilleninseln Aruba, Bonaire oder Curaçao.
„Si o Si, van a entrar“
Guaidó hat den 23. Februar als Beginn der Transporte nach Venezuela verkündet. „Si o Si, van a entrar – Ja oder Ja, sie werden hereinkommen,“ lautet seit Tagen seine Botschaft. Staatschef Maduro lehnt die Hilfslieferungen ab. Für ihn sind sie der Beginn einer US-Militärintervention. Deshalb har er die Schließung der Grenzen zu Brasilien angeordnet und den See- und Luftverkehr zu den AntillenInseln sperren lassen.
Und so ist der Fokus denn auch vor allem auf Cúcuta gerichtet. Freiwillige wollen offensichtlich am Samstag versuchen, zu Fuß Hilfsgüter über die Tienditas-Brücke nach Venezuela zu bringen.
Und genau dort steht die Bühne der von der Regierung Maduro organisierten „Para la Guerra Nada“-Konzerte. Zwar ist die dreiarmige Brücke seit 2016 fertiggestellt und wäre der modernste und verkehrstechnisch beste Übergang zwischen beiden Ländern, sie wurde aber bisher weder benutzt noch offiziell eingeweiht.
Während „Venezuela Aid Live“ weltweit über einen Livestream im Internet zu sehen war, blieben in Venezuela die Bildschirme schwarz. Die entsprechenden Seiten von YouTube, Google und Bing waren blockiert, berichtete die Organisation NetBlocks.org. Zudem wurden die übertragenden Fernsehsender Antena 3 und NatGeo vorrübergehend aus dem Kabelnetz genommen.
Cúcuta war bereits einmal der Schauplatz für ein großes Solidaritätskonzert. Im März 2008 wurde auf der Simón-Bolívar-Brücke zwischen Cúcuta und San Antonio del Táchira das Konzert „Paz sin fronteras – Frieden ohne Grenzen“ veranstaltet. Der Anlass waren Spannungen zwischen Kolumbien, Ecuador und Venezuela, nachdem das kolumbianische Militär ein Guerillalager auf ecuadorianischem Hoheitsgebiet bombardiert hatte.
„Venezuela Aid Live“ knüpfte jedoch an die Tradition der Benefiz-Konzerte der 1970er und 1980er Jahre an. So fand 1971 in New York ein von George Harrison veranstaltetes Konzert für Bangladesch statt. Im Juli 1985 folgten mit „Live Aid“ zwei Konzerte, die in London und Philadelphia über die Bühnen gingen und mit denen Spenden vor allem für Äthiopien und Somalia gesammelt wurden.
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