Machtkampf in Bolivien: Fünf Tote nach Ausschreitungen

Bolivien kommt nicht zur Ruhe: Bei einem Zusammenstoß von Morales-Anhängern und der Polizei sterben fünf Menschen, Dutzende werden verletzt.

Männer in Militärkleidung haben ihre Waffen im Anschlag.

Bewaffnete Sicherheitskräfte in Cochabamba am Freitag Foto: Dico Solis/dpa

BERLIN taz/ap | In Bolivien sind Polizei und Militär am Freitag mit brutaler Gewalt gegen Demonstrationen für den zurückgetretenen Präsidenten Evo Morales vorgegangen. Mindestens fünf Menschen wurden erschossen und weitere 75 verletzt, als Sicherheitskräfte protestierenden Koka-Gewerkschafter*innen den Zugang zur einer Brücke in der Kleinstadt Sacaba versperrten. Die Gewerkschafter*innen wollten sich Morales-Anhänger*innen in Cochabamba anschließen. Guadalberto Lara, Leiter eines Krankenhauses in Sacaba, bestätigte, dass die meisten Opfer Schusswunden aufwiesen.

Auch in La Paz und Potosí demonstrierten Tausende überwiegend Indigene gegen die von der Interimspräsidentin Jeanine Añez gebildete Regierung. Die Polizei setzte in der Hauptstadt massiv Tränengas ein, obwohl die Demonstration laut Augenzeugen bis zu diesem Zeitpunkt friedlich verlaufen war. Die Interamerikanische Menschenrechtskommission CIDH verurteilte auf Twitter den Einsatz von Tränengas und forderte die bolivianische Übergangsregierung auf, das Recht auf friedlichen Protest zu respektieren. Auch zu den Toten in Sacaba äußerte sich die CIDH und verurteilte den gewaltsamen Einsatz. Der Gebrauch von Schusswaffen verbiete sich bei der Kontrolle sozialer Proteste, hieß es.

Aus seinem Exil in Mexiko beklagte auch der zurückgetretene Präsident Evo Morales die Toten in Bolivien. Um den Putsch zu rechtfertigen, hätten Präsidentschaftskandidat Carlos Mesa und der rechte Volkstribun Luis Fernando Camacho seine Regierung als „Diktatur“ bezeichnet. Jetzt massakriere ihre selbsternannte Präsidentin mit Armee und Polizei das Volk wie in einer echten Diktatur, schrieb Morales auf Twitter.

Zuvor hatte Morales mehrfach betont, er sei bereit, nach Bolivien zurückzukehren, um bei der Befriedung des Landes zu helfen. Er werde bei Neuwahlen nicht erneut kandidieren. Die de-facto-Präsidentin Jeanine Añez warnte Morales am Freitag vor einer Rückkehr. In diesem Falle drohe ihm Strafverfolgung wegen des mutmaßlichen Wahlbetruges vom 20. Oktober und mehreren Fällen der Korruption, erklärte sie.

Vorwürfe gegen kubanische Mediziner

Añez und ihre Regierung betreiben unterdessen eine Politik, die mehr Ziele verfolgt, als das Machtvakuum zu schließen und so schnell wie möglich Neuwahlen zu organisieren: Am Freitag verkündete Außenministerin Karen Longaric den Austritt Boliviens aus den beiden einst auf Initiative des venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez gebildeten lateinamerikanischen Staatenbündnissen Unasur und Alba, brach die diplomatischen Beziehungen zur venezolanischen Regierung von Nicolás Maduro ab, ließ alle venezolanischen Diplomat*innen des Landes verweisen und erkannte Juan Guaidó als Interimspräsident Venezuelas an.

Mehrere kubanische Mediziner, die in Bolivien tätig waren, wurden mit dem Vorwurf verhaftet, Aufstandsbewegungen finanziert zu haben. Kubas Regierung wies das zurück und forderte ihre umgehende Freilassung. Auch venezolanische Staatsbürger wurden festgenommen.

Auffällig ist, dass bei den Protesten der Morales-Unterstützer*innen kaum Landesmedien oder internationale Berichterstatter*innen präsent sind. Am Donnerstag hatte Kommunikationsministerin Roxana Lizárraga auf einer Pressekonferenz erklärt, sie erwäge, gegen Journalist*innen juristisch vorzugehen, die „Aufstand“ provozierten oder Aufständische unterstützten. Die Medienvertreter*innen sollten sich gut überlegen, wie sie berichten, sagte sie.

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