Machtkampf im Kosovo: Opposition bootet Hashim Thaci aus
Der bisherige Premier hat zwar die Wahl gewonnen, aber keine Mehrheit im Parlament. Neuer Regierungschef könnte ein Ex-UCK-Kommandant werden.
SPLIT taz | Beobachter waren überrascht, als sich am Dienstag der Sturz des bisherigen kosovarischen Ministerpräsidenten Hashim Thaci abzeichnete. Er hatte zwar die Wahlen mit 31 Prozent der Stimmen gewonnen, verfügte aber über keine tragfähige Mehrheit im Parlament. Die konkurrierenden Parteien Demokratische Liga (LDK, 26 Prozent) und die Allianz für den Fortschritt (AAK, 9 Prozent) des früheren Premiers Ramush Haradinaj gaben am Dienstagabend bekannt, dass sie eine neue Regierung bilden werden.
Die neue Koalition hat zwar auch keine Mehrheit im Parlament, sie wird jedoch von der Bewegung „Vetevendosje“ ( Selbstbestimmung), die über 13 Prozent der Stimmen erhielt, unterstützt. Das jedenfalls verkündete deren Parteichef Albin Kurti. Hinzu kommt noch die neu gegründete Partei „Initiative für Kosovo“ Nisma, die auf Anhieb die Fünfprozenthürde überwand und sofort ihre Unterstützung für die neue Regierung signalisierte. Die Parteigründer Fatmir Limaj und Jakup Krasniqi waren bisher prominente Weggefährten Thacis, hatten sich mit ihm in jüngster Zeit jedoch überworfen.
Die Führer der Regierungskoalition in spe sind alle erbitterte Gegner Thacis. Sie machen ihn für die Wirtschaftskrise und die weit verbreitete Korruption verantwortlich. Und sie sehen in Thaci einen Mann, der gegenüber den Forderungen Belgrads zu nachgiebig gewesen ist. Albin Kurti hatte schon vor Jahren davor gewarnt, dass mit den von der internationalen Gemeinschaft gewünschten Verhandlungen mit Belgrad die Kosovoserben einen zu großen Einfluss in Kosovo erlangen würden. Heute kontrollierten sie bei 6 Prozent der Bevölkerung 25 Prozent des Landes.
Favorit für den Posten des Premiers ist der 46-jährige Ex-UCK-Kommandeur und jahrelange Konkurrent Thacis, Ramush Haradinaj. Er wurde im November 2012 von dem Kriegsverbrechertribunal in Den Haag freigesprochen und konnte jetzt wieder politisch aktiv werden. Seine in Westkosovo, vor allem den Städten Peja (Pec) und Djakovo verankerte Partei AAK, stand auch während seiner Haftzeit zu ihm.
Der bisherige Vizeministerpräsident Buja Bukoshi sprach gegenüber der taz von einer Art Putsch durch die Oppositionsparteien. Dennoch sei das letzte Wort über die neue Regierung noch nicht gesprochen sei. Man müsse die Endergebnisse der Wahlen abwarten, das neue Parlament müsse sich konstituieren. „Da kann noch viel passieren“, sagte er.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Leak zu Zwei-Klassen-Struktur beim BSW
Sahras Knechte
Forscher über Einwanderungspolitik
„Migration gilt als Verliererthema“
Abschied von der Realität
Im politischen Schnellkochtopf
Russlands Angriffskrieg in der Ukraine
„Wir sind nur kleine Leute“
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen
Extremismus bei Alemannia Aachen
Der rechte Flügel