Machtkampf bei den US-Republikanern: Dreimal durchgefallen
Republikanische Abgeordnete verweigern ihrem Fraktionschef Kevin McCarthy die Mehrheit bei der Wahl zum Sprecher des Repräsentantenhauses.
Er ist damit der erste Abgeordnete seit 100 Jahren, dem es nicht gelungen war, das Sprecheramt trotz klarer Mehrheit einer Partei im ersten Anlauf zu gewinnen. Für McCarthy und die Republikanische Partei war es ein blamabler Einstand am ersten Tag in der Mehrheit.
„Kevin McCarthy wird nicht Sprecher werden“, sagte der Abgeordnete Bob Good aus Virginia nach der Wahlschlacht. Er gehört zu den insgesamt 20 Republikanern, die gegen McCarthy stimmten.
Das Drama, das sich über etwas mehr als vier Stunden im US-Kongress abspielte, hatte sich in den vergangenen Wochen bereits angedeutet. Einige Republikaner, die zum rechten Flügel der Partei zählen, erklärten bereits kurz nach den Kongresswahlen im November, dass sie nicht für McCarthy als neuen Sprecher stimmen würden. Für sie ist der Kalifornier weder konservativ genug noch habe er das nötige Rückgrat, um gegen die Demokraten und Präsident Joe Biden vorzugehen.
Der Großteil der Partei steht hinter McCarthy
„Wenn du den Sumpf trockenlegen willst, dann kannst du nicht den größten Alligator zum Anführer machen“, sagte der Abgeordnete Matt Gaetz aus Florida, der ebenfalls gegen McCarthy stimmte.
Der 57 Jahre alte McCarthy, der während der vergangenen vier Jahre die Republikaner als Minderheitsführer im Repräsentantenhaus vertreten hatte, zeigte sich trotz aller Hindernisse zuversichtlich, dass er am Ende – wann auch immer das sein möge – als Sieger hervorgehen werde.
Bereits vor dem ersten Wahldurchgang machte McCarthy seine Entschlossenheit hinter verschlossenen Türen deutlich. „Ich habe diese Position verdient. Wir haben die Mehrheit verdient und verdammt nochmal, wir werden heute gewinnen“, soll McCarthy am Dienstagvormittag laut anwesenden Parteimitgliedern erklärt haben.
Und der Großteil seiner Partei steht auch weiterhin hinter ihm. In den drei Wahldurchgängen erhielt McCarthy zweimal 203 Stimmen und einmal 202 Stimmen.
McCarthy will seine Kandidatur nicht zurückziehen
Ohne die Wahl eines neuen Sprechers kann das Repräsentantenhaus seine eigentliche Arbeit nicht aufnehmen. „Wir alle sind hier, um etwas zu verändern. Wir können die Probleme allerdings nicht angehen, solange wir Kevin McCarthy nicht zum Sprecher gewählt haben“, sagte die Nummer zwei der Republikaner, Steve Scalise.
Die Szenen, die sich innerhalb des Kapitols am Dienstag abspielten, werden noch lange im Bewusstsein aller Beteiligten bleiben. Denn der erste offizielle Tag des neuen Kongresses ist normalerweise ein Tag voller Feierlichkeiten. Alte Kollegen treffen sich nach den Feiertagen wieder, neue Abgeordnete legen ihren Eid ab und bringen ihre Familien in die US-Hauptstadt.
Während der drei fehlgeschlagenen Wahldurchgänge für das Sprecheramt waren deshalb auch immer wieder Kinder und Jugendliche zu sehen, die zwischen den Abgeordneten saßen, um dem Auftakt des 118. US-Kongresses beizuwohnen.
McCarthy, der vor ein paar Tagen bereits die Büroräume für das Amt des Sprechers bezogen hatte, erklärte am späten Abend, dass er seine Kandidatur nicht zurückziehen werde. Er habe außerdem mit Ex-Präsident Donald Trump telefoniert und dieser hätte ihm seine Unterstützung versichert.
Republikaner: „Wir sehen stümperhaft aus“
Doch nicht jeder ist davon überzeugt, dass Nancy Pelosis Nachfolger am Ende wirklich McCarthy heißen wird. „Eins ist klar, er hat die nötigen Stimmen nicht. Wir müssen als Partei herausfinden, wer die Stimmen hat“, sagte der republikanische Abgeordnete Byron Donalds aus Florida gegenüber CNN.
Im rechten Flügel der Republikaner gibt es derweil keinerlei Anzeichen dafür, dass McCarthy mit politischen Manövern oder Zugeständnissen den einen oder anderen doch noch auf seine Seite ziehen könnte. Zugleich hat sich bislang allerdings auch kein anderer Republikaner als mögliche Alternative aufgetan.
Die parteiinternen Querelen auf republikanischer Seite sorgten für gute Stimmung unter Demokraten und Haareraufen bei vielen Republikanern. „Wir sehen stümperhaft aus. Wenn ich es nicht besser wissen würde, dann könnte man glauben, dass die Demokraten diese Leute bezahlen: ‚Lass uns sichergehen, dass Republikaner aussehen, als hätten sie keine Ahnung vom Regieren und die Mehrheit nicht verdienen.‘ Die Demokraten jubeln“, sagte der texanische Republikaner Dan Crenshaw bei Fox News.
Am Mittwoch um 12 Uhr Ortszeit wird sich neue Kongress erneut zusammenkommen, um dann einen vierten Wahlgang für das Amt des Sprechers abzuhalten. Die Wahl wird so oft wiederholt, bis ein Kandidat die Mehrheit erhält. Im Jahr 1923 brauchte es ganze neun Wahldurchgänge, bis eine Entscheidung fiel.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Eine ganz normale Woche in Deutschland