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Machtkämpfe in KirgistanChaostage in Bischkek

Kommentar von Inna Hartwich

Faktisch befindet sich das Land seit den Ausschreitungen nach der Wahl im Machtvakuum, weil keine der politischen Gruppen weichen will.

Gespannte Ruhe: Soldat der kirgisischen Armee an einem Kontrollpunkt der Hauptstadt Bischkek Foto: ap

D as Erbe der unvollendeten früheren Revolutionen in Kirgistan entlädt sich seit Tagen auf den Straßen von Bischkek. War bei Umstürzen der vergangenen Jahre stets mehr oder weniger lediglich eine Gruppe von Gleichgesinnten am Werk, die gegen die bestehende politische Elite agierte und sie von ihren Posten fegte, so sind es nun vereinzelte, voneinander isolierte Gruppierungen, die unterschiedliche Ziele verfolgen und vor Gewalt nicht zurückschrecken.

So kämpfen auch dubiose und kriminelle Gruppen um Macht. Einen Konsens zu finden fällt dabei freilich schwer. Zumal der nun schwache Präsident Sooronbaj Scheenbekow, dessen Handeln vor der Parlamentswahl erst zur Explosion der Unzufriedenheit geführt hat, dem glühenden Nationalisten Sadyr Schaparow entgegentritt, den das Parlament am Wochenende zum neuen Regierungschef gewählt hat.

Schaparows erklärter Plan ist es, Scheenbekow von seinem Posten zu verjagen. Scheenbekow selbst bietet in der Tat seinen Rücktritt an – „sobald das Land den Weg zur Politik nach Gesetz wiederfindet“. Davon ist Kirgistan weit entfernt, auch wenn es nun Neuwahlen plant. Faktisch befindet sich das Land seit den Ausschreitungen nach der Wahl im Machtvakuum, weil keine der politischen Gruppen weichen will.

Für die Jungen und Progressiven, die nach der umstrittenen Parlamentswahl auf die Straße gezogen waren und eine „saubere“ Politik forderten, ist der offensichtliche Kampf eines jeden gegen jeden um Macht und um Geld ein Schlag ins Gesicht. Sie wollten „die Alten“ weghaben. „Die Alten“ aber gehen nicht. Und sie können auch nicht miteinander reden. Zumal auch Vermittler fehlen.

Angesichts der Coronapandemie, in der jedes Land sich in erster Linie um sich selbst kümmert, und in Anbetracht der Konflikte in Belarus und Bergkarabach, aber auch des qualvollen Wartens auf den Ausgang der US-Präsidentschaftswahl liegt die Aufmerksamkeit selbst in Moskau nicht auf diesen armen Flecken in Zentralasien. Kirgistan ist sich selbst überlassen – und der Zerstrittenheit ihrer Autoritäten, die kaum Vertrauen schaffen.

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