Politische Wirren in Kirgistan: Ex-Häftling wird Regierungschef

Der neue Ministerpräsident Sadyr Schaparow fordert den Staatschef zum Rücktritt auf. Der verhängt den Notstand und schickt die Armee auf die Straße.

Mutter mit Kind vor Panzer auf der Straße

Ausnahmezustand in der kirgisischen Hauptstadt Bischkek Foto: Vladimir Voronin / dpa AP

BISCHKEK afp | Eine Woche nach der umstrittenen Parlamentswahl in Kirgistan haben die Abgeordneten einen aus dem Gefängnis befreiten nationalistischen Politiker zum amtierenden Regierungschef gewählt. Sadyr Schaparow wurde in einer außerordentlichen Parlamentssitzung am Samstag von der Mehrheit der Abgeordneten unterstützt. Der ebenfalls während der Proteste gegen Wahlfälschung befreite Ex-Präsident Alsambek Atambajew dagegen wurde erneut verhaftet.

Atambajew, Schaparow und weitere Politiker waren am Dienstag inmitten von Protesten gegen Präsident Sooronbai Dscheenbekow von Anhängern aus dem Gefängnis befreit worden. Am Samstag feierten nun hunderte Anhänger auf den Straßen der Hauptstadt Bischkek die Ernennung Schaparows zum amtierenden Regierungschef.

Der frühere Abgeordnete hat eine Reputation als glühender Nationalist und gilt als erklärter Gegner des Staatschefs Dscheenbekow. Er saß im Gefängnis, weil er wegen des Vorwurfs der Geiselnahme zu elfeinhalb Jahren Haft verurteilt worden war.

In seiner ersten Amtsrede forderte der neue Regierungschef Präsident Dscheenbekow zum Rücktritt „innerhalb von zwei oder drei Tagen“ auf. Er habe sich bereits mit dem Staatschef getroffen, sagte Schaparow. Dieser habe zugesagt, dass er nach der Schaffung von stabilen Regierungsstrukturen zurücktreten werde.

Nach Angaben aus Parlamentskreisen würde bei einem Rücktritt von Dscheenbekow automatisch Schaparow amtierender Präsident werden. Normalerweise würde der Parlamentspräsident einspringen, aber der Posten sei derzeit nicht besetzt, hieß es. Deshalb käme dann Schaparow zum Zuge.

Opposition beklagt Wahlbetrug

Seit der Parlamentswahl am vergangenen Wochenende gibt es in der zentralasiatischen Republik Unruhen. Mindestens ein Mensch starb, mehr als tausend weitere Menschen wurden laut aktuellen Angaben vom Wochenende verletzt. Die Opposition wirft Präsident Dscheenbekow Wahlbetrug vor.

Die Wahlkommission annullierte inzwischen das offizielle Ergebnis, die Unruhen hielten aber an. Dscheenbekow hatte am Freitag den Notstand verhängt und zu seiner Durchsetzung auch die Entsendung von Soldaten nach Bischkek angewiesen. Am Samstag waren in der Hauptstadt Truppen zu sehen.

Ex-Präsident Atambajew wurde erneut verhaftet. Spezialeinheiten hätten seine Residenz gestürmt und den früheren Staatschef festgenommen, sagte seine Sprecherin am Samstag. Atambajew war im August 2019 wegen Korruptionsvorwürfen festgenommen worden. Seine Anhänger halten diese Vorwürfe für politisch motiviert.

Die staatliche Sicherheitsbehörde erklärte, Atambajew sei zusammen mit seinem Leibwächter und einem weiteren Komplizen wegen des Verdachts der Organisation von Massenunruhen verhaftet worden. Nach weiteren Beteiligten werde gesucht. Zur Befreiung von Atambajew und der anderen Politiker seien „Morddrohungen und Drohungen mit physischer Gewalt“ ausgesprochen worden, erklärte die Sicherheitsbehörde weiter.

Die Staatsanwaltschaft forderte die Befreiten auf, ins Gefängnis zurückzukehren und ihre Strafen abzuleisten. Den neuen amtierenden Regierungschefs Schaparow erwähnte sie dabei allerdings nicht.

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