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Luxemburg-GedenkenRosa im Geiste

Mehrere zehntausend Menschen gedachten am Sonntag der ermordeten Sozialisten Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht. Unter ihnen auch die 85-jährige Erika Baum. Sie ist seit 1946 jedes Mal dabei.

Nelken über Nelken - Rosa-Luxemburg-Gedenken in Berlin Bild: Reuters

Seit zwei Stunden schon steht Erika Baum auf dem Vorplatz der backsteinummauerten Gedenkstätte der Sozialisten und klammert sich an ihr graues DKP-Banner: "Mit Antikommunismus läßt sich Faschismus nicht bekämpfen." Und noch immer ist die 85-Jährige bestgelaunt, grüßt fortwährend alte Bekannte: "Ich steh hier für euch mit, Gruß an die Familie." Und denen, die sie nicht kennt, wirft sie ein "Einverstanden?" hin, nickend in Richtung ihres Banners. Fast alle nicken zurück.

Der Strom der Menschen vor Erika Baum reißt nicht ab. Zehntausende ziehen am Sonntag in die Friedrichsfelder Gedenkstätte, wo die 1919 von rechtsnationalen Freikorps ermordeten Sozialisten Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht begraben liegen. Viele Ältere, einige Jüngere türmen rote Nelken auf die Gedenktafeln. Vor den Mauern spielt ein Schalmeien-Orchester Arbeiterlieder, Bratwürste dampfen von den Ständen. Es ist die größte linke Zusammenkunft der Republik. So wie jedes Jahr.

Aktueller denn je

Luxemburg-Gedenken

Nach Angaben der Linkspartei gedachten am Sonntag 40.000 Menschen der 1919 ermordeten KPD-Gründer Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht. Die Veranstaltung auf der "Gedenkstätte des Sozialisten" auf dem Zentralfriedhof Friedrichsfelde besuchte auch die Linken-Führung: Klaus Ernst, Gesine Lötzsch, Gregor Gysi und Oskar Lafontaine. Die im Vorfeld wegen eines Kommunismus-Aufsatzes kritisierte Lötzsch wurde vielfach freundlich begrüßt. Parallel zog eine Gedenkdemo mit mehreren tausend Teilnehmern vom Frankfurter Tor zur Gedenkstätte. (taz)

Seit 1946 habe sie kein Gedenken verpasst, sagt Erika Baum, ganz in Schwarz gekleidet. Der Termin sei mehr als Erinnerung: "Eine Positionierung, wie man zum Leben steht." Und Luxemburg sei heute aktueller denn je. Eine Vorkämpferin gegen Militarismus und Verteidigerin demokratischer Rechte. Auch heute werde in den Parlamenten vielfach "nur Schau betrieben", gegen die Mehrheit der Bevölkerung entschieden. Beim Afghanistan-Einsatz etwa. Luxemburg hätte das mit all ihrer rhetorischen Schärfe zu geißeln gewusst, sagt Baum. "Diese Entschlossenheit könnte uns heute auch nicht schaden."

Dabei ist Erika Baum auch ein bisschen so. Prinzipientreu, spitzzüngig, widerspenstig - ohne dabei Witz und Charme zu verlieren. "Betonköpfig" sei sie, gesteht Baum. Aber da genieße sie den Vorzug des Alters. "Ich bin zu alt zum Anpassen."

Baum ist eine der letzten überzeugten Kommunisten der Stadt. Aus der Linkspartei trat sie aus, weil diese "den Imperialismus der Gegenwart mangelhaft analysiert und den Versuch des Sozialismus nicht richtig gewürdigt" habe. Heute ist sie Mitglied der DKP. Weil man sich entscheiden müsse, auf welcher Seite der Klassengesellschaft man stehen wolle, sagt Baum. Und weil sie sich den Kampf gegen den Faschismus zur Lebensaufgabe gemacht hat.

Schon als Jugendliche ist die gebürtige Wienerin über ihre Eltern Teil des kommunistischen Widerstands, nach dem Anschluss Österreichs an Hitler-Deutschland 1938. Der Vater Werkzeugmacher, die Mutter Druckereiarbeiterin gewährten Widerständlern Unterschlupf, verteilten Flugblätter. 1945 siedelt Baum in die DDR über, nach Ost-Berlin. Die junge Frau studiert Gesellschaftswissenschaften, heiratet den kommunistischen Auschwitz-Widerständler Bruno Baum und tritt in die KPD, später in die SED ein.

Theorie ist unerlässlich, sagt Baum heute. Aber man darf die Praxis nicht vergessen. Dass heute wieder mehr Bürger auf die Straße drängen, sei ein gutes Zeichen. Noch aber gelänge es den Herrschenden, den Protest zurückzudrängen. Auch weil es immer noch Denkverbote über gesellschaftliche Alternativen gebe. Das zeige auch die Kommunismus-Kritik an Linken-Chefin Gesine Lötzsch, so Baum. Da sei ihr Antikommunismus-Banner, das sie schon seit Jahren mitbringe, wieder brandaktuell.

Erika Baum ist fast überall dabei, wo sich Protest erhebt, immer noch. Gegen Hartz IV, gegen Kriegseinsätze, gegen Neonazis. Als sie 2009 auf der 1.-Mai-Demo in Kreuzberg vom Lautsprecherwagen spricht, jubeln die Jungautonomen. "Richtig eingeheizt" habe die Erika, erinnert sich Jonas Schiesser, einer der jungen Radikalen. "Das war legendär." Die heutige Szene könne einiges von der 85-Jährigen lernen: Dass linksradikales Engagement und Solidarität länger als eine Jugendphase andauern können etwa. Auch Hans Coppi vom Bund der Antifaschisten lobt Baum. Eines der aktivsten Mitglieder sei sie. "Klar gegen Nazis, kämpferisch und resolut, aber mit großer menschlicher Wärme." Nur bei der DDR, sagen Bekannte, falle ihr bisweilen der differenzierte Blick schwer.

Am Sonntag zeigt Baum keine Müdigkeit, vier Stunden steht sie vor der Gedenkstätte. Als Kommunistin, sagt die Rentnerin, müsse man sich jeden Tag neu bewähren. Lesen, studieren. "Und tätig sein." Deshalb werde sie auch am Samstag wieder draußen stehen. Gegen die NPD, die in Lichtenberg ihren Wahlkampfauftakt feiern will. Der Weg zu einer besseren Gesellschaft gehe über kleine Schritte. "Indem wir stetig gegen das Unmenschliche ankämpfen."

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6 Kommentare

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  • AA
    Antispeziesistische Aktion Tübingen

    Die Erschießungen von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht durch rechte Freikorps vor 92 Jahren wurden von der Sozialdemokratie gebilligt.

    In seinen Memoiren schrieb Waldemar Pabst, jener Offizier, auf dessen Befehl hin die Morde geschahen: „Als Kavalier habe ich das Verhalten der SPD damit quittiert, dass ich 50 Jahre lang das Maul gehalten habe über unsere Zusammenarbeit.“

    Das „Feldkriegsgericht“, das die Morde untersuchte, bestand aus Angehörigen der Freikorps. Niemand musste für die Morde büßen.

    Skandalös war der Umgang der BRD mit diesem Erbe. 1961 gab Pabst seine Tat erstmals öffentlich zu. Felix von Eckard, im „Dritten Reich“ Drehbuchautor von NS-Popagandafilmen, später Pressesprecher der Adenauer-Regierung, verklärte dessen Tat im Februar 1962 im bundesamtlichen Bulletin: Es habe sich um eine „standrechtliche Erschießung“ in der Verantwortung Pabsts gehandelt, der „es getan“ habe, um Deutschland vor dem Kommunismus zu bewahren.

    Pabst, der unter Hitler Dienst im Wehrwirtschafts- und Rüstungsamt getan hatte, konnte es in Westdeutschland als Waffenhändler zu Wohlstand bringen. Unbehelligt starb er 1970 in Düsseldorf, zuletzt Mitglied der NPD.

    Dass kein westdeutscher Staatsanwalt jemals auf die Idee gekommen sei, ihn und die anderen Mörder anzuklagen, sagt, wie Klaus Gietinger, Autor des Buchs "Eine Leiche im Landwehrkanal – Die Ermordung der Rosa L." meint, „einiges aus über den Staat, in dem wir leben“ - genau wie die von den bürgerlichen Medien inszenierte Denunziationskampagne gegen die Rosa-Luxemburg-Konferenz am vergangenen Wochenende. Der israelische Historiker und Philosoph Moshe Zuckermann, der auch auf der Konferenz sprach, interpretiert Denken und Handeln Rosa Luxemburgs als visionären Kampf gegen erlittenes Leid von Mensch und Tier. Ihr Leben und Sterben symbolisieren für ihn "unbeirrbaren Humanismus, rigorosen Widerstand gegen Bejubelung von Krieg und Aggression, uneingeschränkte Insistenz auf Wahrung der Marxschen Emanzipationspostulate, konsequenten Kampf gegen Knechtung von Geist und Gewissen und eine endlose Mitleidsfähigkeit, natürliche Bereitschaft zur Wahrnehmung von Leiderfahrung und Geschundenheit menschlicher wie tierischer Kreaturen" (http://asatue.blogsport.de/2011/01/10/rosa-luxemburg-gedenken-heisst-den-kampf-weiterfuehren/). Ihren Kampf um Freiheit der Leidenden in Gesellschaft und Natur bezahlte Luxemburg mit dem Leben. Doch der Mord ist nicht vergessen: Am Wochenende gedachten ihm Zehntausende - viele bereit, ihrer Forderung nach der Errichtung einer Gesellschaft ohne Ausbeutung zu folgen!

  • D
    denninger

    @"BildungKommNichtVonBILD"

    Vielleicht muss ich da etwas präzisieren:

    Ich habe mich explizit auf die marodierenden Stalinisten bezogen.

    Ich finde es sehr befremdlich, dass sich zwar einige Ordner denen entgegenstellen, die Mehrzahl der Demonstranten allerdings nicht einschreitet oder zumindest gegen dieses Auftreten protestiert und damit genau die verharmlosende Haltung zeigt, die dem "konservativen" Lager in Bezug auf die Neonazis immer vorgeworfen wird.

    Es geht nicht um den spanischen Bürgerkrieg oder die Insassen der Gulags (die in der Regel alles andere als "schuldig" irgendeiner Tat waren) sondern um die Unterstütung oder zumindest wohlwollende Duldung linker wie rechter Extremisten durch die jeweiligen "moderaten" linken und rechten Kreise.

    Die DDR war sicherlich weit vom Kommunismus entfernt, aber grotesk stalinistisch war sie eine Zeit lang. Man kann der Justiz der BRD einiges vorhalten, aber solche Freisler Fratzen wie Hilde Benjamin und deren Justizmorde gab es nicht.

  • B
    BildungKommNichtVonBILD

    @denninger: (abgesehen von e.baums meinung) ddr,stalin,mao,n-k etc war niemals kommunistisch... infor mir dich, wer zb unter stalin in den gulags gelandet ist. da waren auch viele menschen drunter, die du in einem sack mit stalin packst.

    ein anderes gutes bsp ist, meiner meinung nach, der spanische bürgerkrieg. da kann man sehr gut die einzelnen interessenslagen der damiligen machteliten erkennen, auch wenn es diesbezüglich nur relativ wenige publikationen gibt...

  • D
    denninger

    Und wo bitte, liebe taz und liebe Erika Baum, ist nun der große Unterschied zwischen den den Massenmörder Stalin anbetenden Idioten und den Neonazis?

    Etwa die Zahl der Todesopfer seit 1990?

    Na, dann kann ich ja beruhigt sein.

  • HM
    Hanni Mehlow

    Sehr schöner Beitrag, aber leider war an den Tag nicht alles schön, wer mehr der Berliner Presse entnehmen möchte, muss die "rechte" BZ lesen, die "linke" taz hat wohl kein Interesse an ReporterIn vor Ort. Der Link wie folgt:

     

    http://www.bz-berlin.de/bezirk/weissensee/opfer-denkmal-erst-kraenze-dann-tritte-article1084787.html

  • QK
    " kommunismus " event ?

    Zu SBZ / DDR - Zeiten war es Pflicht dort zu sein,

    obwohl dieser Kult schon damalig grenzwertig war!

     

    Heute scheint es ein Event und Klamauk von Sektierern

    von " K " zu sein , aber eine " Avantgarde einer

    Arbeiterklasse " kann man dort nicht erkennen !

     

    Weder hat man Rosa Luxembourg richtig verstanden,

    immerhin konnte sich Thälmann freuen das inhaltliche

    und personelle Konkurrenz durch einen Übereifer

    aus dem Weg geräumt wurden. SED und deren Nachfolger

    können ja nicht ernsthaft im Sinne dieser beiden

    sein wirken !

     

    So ist der 9. Februar eher eine Art Polit - Karneval vor dem richtigen Karneval und gehört schon längst wie DDR , Volkspolizei und Grenztruppen in eine

    politische Mottenkiste !

     

    Und die sollte dann nicht mehr geöffnet werden !