piwik no script img

■ Luxemburg: Der Europäische Gerichtshof befürwortet die QuoteUrteil mit Flügeln

Vorgestern redeten Frauenpolitikerinnen noch vom frauenpolitischen Rückschlag, dem „Backlash“; gestern ließen sie die Sektkorken knallen. Schier unglaublich, wie männliche Juristen es vermögen, sie in Wechselbäder der Gefühle zu stürzen – und dies schon seit über einem Jahrzehnt.

Zur Erinnerung: 1984 trat in Hamburg erstmals eine Frauenförderrichtlinie in Kraft. Damals noch vorsichtig ohne Quoten formuliert. Der ehemalige Verfassungsrichter Ernst Benda wurde beauftragt, in einem Gutachten zu klären, ob „positive Aktionen zugunsten von Frauen notwendig und möglich sind“. Dann warteten die Gleichstellungspolitikerinnen angespannt auf Bendas Ausarbeitungen. Großer Jubel, als Benda 1987 zu dem Ergebnis kam, daß „der Staat zu solchen Maßnahmen befugt“ sei. Bendas Text inspirierte: Das Land Nordrhein-Westfalen formulierte 1989 das erste bundesdeutsche Quotengesetz.

Dann kam die nächste Periode der Depression – ausgelöst durch die Richter am Europäischen Gerichtshof, die sich im Oktober 1995 erlaubten, die härteste aller Frauenquoten, die bremische, außer Kraft zu setzen. Und damit nicht genug: Gleich nach diesem unerwartet harschen „Kalanke“-Urteil landete beim Europäischen Gerichtshof der nächste Fall eines abgelehnten Quotenmannes, diesmal aus Nordrhein- Westfalen. Und bis zum gestrigen Urteilsspruch hielt sich die gleichstellungspolitische Depression – über zwei Jahre. Aus den Gleichstellungsbüros im Lande wurden kaum Stimmen laut, die das dürftige Arsenal der Gleichstellungsbeauftragten um ein paar schärfere oder intelligentere Waffen ergänzen wollten. Alle weitergehenden Forderungen waren eingemottet und fast schon vergessen.

Wenn das Urteil des Europäischen Gerichtshofs nicht nur Sektkorken, sondern auch viele Frauenköpfe beflügelt, können die Frauenanteile in den höheren Wirtschafts- und Behördenetagen bald tatsächlich viel steiler ansteigen. Kanadische Banken, US- amerikanische Bundesstaaten oder deutsche Universitäten machen es schon vor: Sobald Frauenförderung zum Leistungsprofil eines Vorgesetzten gehört, ist es nicht mehr die Frauenbeauftragte allein, die sich abstrampeln muß. Sobald der Bonus eines Managers abhängig wird vom Frauenanteil in seiner Abteilung, wird er Bewerberinnen diskret bevorzugen. Sobald ein Staat anfängt, die Etats von Universitäten oder die Aufträge an Wirtschaftsunternehmen an frauenpolitische Maßnahmen zu koppeln, sobald also der sanfte Druck des Geldes anfängt zu wirken, ist mehr zu erreichen als mit formaljuristischen Quoten. Barbara Debus

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen