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Lufthansa-Zukunft ungewissRettung hängt weiter in der Luft

Die Gewerkschaft Verdi warnt vor dem Scheitern des staatlichen Hilfspakets. Großaktionär Thiele bekommt Audienz bei Finanzminister Olaf Scholz.

Lufthansapersonal in Frankfurt am Main Foto: Andreas Arnold/dpa

Berlin taz | Die Vize-Chefin der Gewerkschaft Verdi, Christine Behle, warnt vor einem Scheitern des staatlichen Rettungspakets für die Lufthansa. Dann drohe die Insolvenz der Airline. „Eine Insolvenz würde die Beschäftigtenstrukturen der Lufthansa zerstören und das öffentliche Vertrauen in die Lufthansa nachhaltig beschädigen“, sagte sie. Unterdessen hat die Lufthansa bereits Hunderten von Beschäftigten die Entlassung angekündigt.

Wie alle Airlines leidet die Lufthansa massiv unter der Coronakrise. Am Donnerstag findet die Hauptversammlung der AktionärInnen statt, die über das zwischen Bundesregierung und Lufthansa-Management ausgehandelte Hilfspaket abstimmt. Das Paket sieht Finanzhilfen in Höhe von 9 Milliarden Euro vor. Bedingungen, etwa zum Klimaschutz oder Arbeitsplatzerhalt, stellt die Bundesregierung nicht. Allerdings will der deutsche Staat mit einer Beteiligung von 20 Prozent bei dem Unternehmen einsteigen.

Das gefällt dem Investor Heinz Hermann Thiele nicht, der 15,5 Prozent der Aktien hält. Der 79-Jährige ist einer der reichsten Deutschen und bekennender Gewerkschaftsgegner. Er hat sich gegen die Staatsbeteiligung ausgesprochen und damit gedroht, dem Rettungspaket nicht zuzustimmen. Weil sich zur Hauptversammlung nur knapp 40 Prozent der StimmrechtsinhaberInnen angemeldet haben, brauchen Beschlüsse dort eine Zweidrittelmehrheit – Thieles Stimmen dürften den Ausschlag geben. Am Montag haben er, Lufthansa-Chef Carsten Spohr, Bundesfinanzminister Olaf Scholz und Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier ein Gespräch geführt. Die Regierungsvertreter hätten das Hilfsangebot vorgestellt und erläutert, hieß es aus Regierungskreisen. Wie sich Thiele bei der Hauptversammlung verhält, ist weiterhin unklar.

Ein Insolvenzverfahren hätte für die Beschäftigten gravierende Folgen, warnt Verdi. „Die Arbeitsplätze wären dann noch unsicherer“, sagte Mira Neumaier, Bundesfachgruppenleiterin Luftverkehr bei Verdi. „Die tarifvertraglichen Bindungen wären in Gefahr.“ Am Freitag setzen Verdi und die Lufthansa ihre Gespräche über die Krisenbewältigung fort. Auch mit der Pilotenvereinigung Cockpit und der Kabinengewerkschaft Ufo laufen Verhandlungen. Ursprünglich wollte die Lufthansa bis zur Hauptversammlung eine Einigung erreichen. Da darüber die AktionärInnen aber nicht abstimmen müssen, ist ein späterer Abschluss möglich. Die Lufthansa droht damit, in Deutschland 11.000 Stellen abzubauen.

Kündigungen an acht Standorten

Trotz der laufenden Gespräche hat die Lufthansa erste Entlassungen angekündigt. Der Konzern hat rund 400 Beschäftigten der Abfertigung und des Flugsteigbetriebs an acht deutschen Flughäfen mitgeteilt, dass sie ein Abfindungsangebot annehmen sollen oder gekündigt werden, berichtete ein Lufthansa-Mitarbeiterin der taz. Sie will aus Angst vor Nachteilen anonym bleiben. Dass die Standorte aufgelöst werden, weil die Lufthansa dort Leistungen von außen einkaufen will, habe zwar festgestanden, sagte sie. Bis zum 10. Juni hatten die Beschäftigten aber die Zusage, dass sie nicht gekündigt werden, sondern an die Standorte München und Frankfurt gehen könnten. „Man kann nicht für alles die Coronakrise verantwortlich machen“, sagte sie.

Die Beschäftigten hätten die Schließung der Standorte und die damit verbundene Auslagerung an Dienstleister mitgetragen, weil ihnen zugesagt worden sei, dass sie nicht gekündigt würden, berichtete sie. Jetzt gelte das nicht mehr, Gespräche mit den Beschäftigten hätten nicht stattgefunden. Dabei seien viele etwa zur Reduzierung ihrer Arbeitszeit bereit. „Die Krise wird von der Lufthansa genutzt, um sich langjähriger Mitarbeiter zu entledigen“, sagte die Mitarbeiterin. Aus Gewerkschaftskreisen hieß es, das Vorgehen der Lufthansa sei nicht nur moralisch fragwürdig, sondern auch rechtlich. Die Lufthansa erklärte, durch die Coronakrise könne sie an dem ursprünglichen Angebot nicht mehr festhalten.

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2 Kommentare

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  • Ja, das ist unsere Demokratie....



    Der eine ist mehr Wert als die andere zehntausend..



    Wenn ihm das nicht passt, dann sollte er seine Aktien verkaufen...



    Ohne Worte...

  • Wie wäre es mit einer Strafsteuer für nicht tarifgebundene Unternehmen? Sie sollte so hoch sein, dass sich der Tarifausstieg einfach nicht mehr lohnt. Das könnte neben einer Vermögenssteuer helfen, die Kosten der Coronakrise zu decken.

    Und es würde reichen weißen Männern wie Herrn Thiel zeigen, dass nicht nur seine Belange zählen. Die überwiegende Mehrheit der Leistungsträger*innen unserer Gesellschaft wird nämlich sehr schlecht bezahlt.