Lüneburg will Bauwagenplatz räumen: Rechtliche Grauzone
Zum Konzept des Lüneburger Wohnprojektes Unfug gehören auch sechs Bauwagen. Aber die sollen nach dem Willen der Stadt nun verschwinden.
Vor rund zwei Jahren kaufte der Verein Unfug, kurz für „unabhängig, frei und gemeinsam wohnen“, ein Grundstück in der Konrad-Adenauer-Straße im Süden Lüneburgs. Das darauf stehende Haus wurde barrierefrei umgebaut, Gemeinschaftsräume eingerichtet. Insgesamt neun Erwachsene und ein Kleinkind wohnen mittlerweile dort, unter anderem die Aktivistin Cécile Lecomte. Sechs Bauwagen stehen auf dem 2.300 Quadratmeter großen Grundstück. „Die Bauwagen sind ein wichtiger Teil unseres Wohnkonzepts“, sagt Sven Schupp vom Verein Unfug. Nur so könne möglichst vielen Leuten Wohnraum für geringe Mieten geboten werden. Doch die Bauwagen sollen jetzt weg.
In einem Brief des Fachbereichs Stadtentwicklung von Mitte November wird der Verein Unfug aufgefordert, die „Bauwagen vom Grundstück zu entfernen“. Sollte dies nicht freiwillig geschehen, werde eine „kostenpflichtige bauordnungsrechtliche Verfügung“, sprich eine Räumung, erlassen. Der Brief kam laut Sven Schupp und Adrian Bösenberg, beide Gründungsmitglieder von Unfug, völlig überraschend.
Nachdem das Bauamt Bedenken wegen der nicht genehmigten Bauwagen geäußert hatte, war der Verein auf die Stadtverwaltung und die Stadtfraktionen zugegangen, um „das Projekt auf legale Füße zu stellen“, sagt Schupp. Mitte des Jahres gab es dazu Gespräche. Und nun der Brief mit der Räumungsanordnung.
Sven Schupp, Gründungsmitglied des Vereins Unfug
Stadtsprecher Sebastian Koepke-Millon sagt dazu, nach einer „erneuten, sehr sorgfältigen Prüfung der Rechtslage“ seien in dem Schreiben die „wichtigsten Gesichtspunkte“ zusammengefasst worden. Darin heißt es unter anderem, dass es nicht möglich sei, die Bauwagen zu genehmigen. Denn das Grundstück in der Konrad-Adenauer-Straße liege im sogenannten Außenbereich, wo nur unter strengen Voraussetzungen gebaut werden darf.
Laut Baugesetzbuch gibt es allerdings eine Ausnahme, „wenn öffentliche Belange nicht beeinträchtigt und die Erschließung gesichert ist“. Diese Voraussetzungen seien jedoch in diesem Fall nicht erfüllt, so die Stadt Lüneburg, da die Wagen den Darstellungen des Flächennutzungsplanes widersprächen. Und laut eben diesem Flächennutzungsplan ist die besagte Fläche Friedhofsgelände.
Das ist genau der Punkt, an dem die Mitglieder von Unfug ansetzen. Sie wollen einen Antrag auf einen sogenannten vorhabenbezogenen Bebauungsplan stellen, um so Baugenehmigungen für die Bauwagen nachträglich zu beantragen. Dafür müsste aber der Flächennutzungsplan geändert werden. „Es gibt also durchaus einen Ermessensspielraum“, sagt Sven Schupp. „Aber das ist keine juristische, sondern eine politische Frage.“
Auch Max Werner vom Verein Mehr Leben, der bereits bestehende und geplante Wohnprojekte in Lüneburg beratend unterstützt, glaubt, dass das Konzept von Unfug durchaus gesichert werden kann, „wenn der politische Wille da ist“. Das Bewohnen von Bauwagen sei eine rechtliche Grauzone, eine Duldung solcher Wohnformen sei durchaus machbar, wie man am Beispiel des Bauwagenplatzes am Wienebütteler Weges ja sehen könne.
Das Argument der Stadt Lüneburg, dass durch die Bauwagen auf dem Grundstück an der Konrad-Adenauer-Straße eine sogenannte Splittersiedlung entstehen könnte, die den Charakter des Außenbereichs nachhaltig verändern würde, findet Max Werner nicht nachvollziehbar: „Südlich der Konrad-Adenauer-Straße gibt es zahlreiche andere Wohnbebauungen. Dem gesunden Menschenverstand erschließt sich nicht, warum gerade das Gelände von Unfug nun als nicht bebaubar gelten soll.“
Unterstützung von vielen Seiten
Neben dem Verein Mehr Leben haben auch zahlreiche andere Gruppen ihre Unterstützung mit Unfug öffentlich erklärt, wie die Lüneburger Grünen, der DGB Nord-Ost-Niedersachsen, die Jusos Lüneburg. Auch die meisten Stadtfraktionen haben ihre Gesprächsbereitschaft signalisiert, so sagen Schupp und Bösenberg von Unfug. „Wir sind relativ guter Dinge.“
Stadtsprecher Sebastian Koepke-Millon sagt jedoch: „Wir sehen kaum rechtliche Möglichkeiten, um den Vorstellungen des Vereins gerecht zu werden.“ Den Flächennutzungsplan zu ändern und einen Bebauungsplan zu erlassen, „sind komplexe und mehrstufige Verfahren, bei denen viele Belange zu berücksichtigen und abzuwägen sind“. Es müssten „Fachgutachten eingeholt und die Naturschutzverbände angehört werden“. Die Stadt scheut sich, einen Präzedenzfall zu schaffen: „Würde die Ansiedlung einiger Bauwagen geduldet, bestünde die Möglichkeit, dass diese Siedlung sich verfestigt und wächst“, so Koepke-Millon.
Die Stadt hat die Frist für eine Stellungnahme bis Ende Januar verlängert. Mitte Januar wird es dann noch ein Treffen auf dem Vereinsgelände geben, zu denen Unterstützer und Stadtfraktionen eingeladen sind. Und heute soll das Thema im Bauausschuss diskutiert werden.
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