Lüften als Schutz vor Corona: Große Klassen, kleine Fenster

Die Lehrergewerkschaft GEW kritisiert, dass viele Schulen in Bremen nur Kippfenster haben. Die Stadt will handeln – weiß aber nicht, wo das nötig ist.

Auf einer Fensterscheibe sind Strichmännchen mit Namen aufgemalt. Im Hintergrund sieht man durch das Fenster eine Schultafel

Männchen auf der Scheibe brauchen weniger Luft als die hinter ihr Foto: Chromorange/imago

BREMEN taz | Die Vorgaben sind klar: Wenn am Mittwoch in Bremen die Schule beginnt, sollen Klassenräume „in jeder (!) Unterrichtspause intensiv bei weit geöffneten Fenstern gelüftet werden“, so die Kommission Innenraumlufthygiene am Umweltbundesamt; nach kurzen 5-Minuten-Pausen auch während des Unterrichts. Frische Luft ist aktuell das Mittel der Wahl als Schutz vor Aerosolen, vollgepackt mit fiesen Viren.

Die Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW) bemängelt, dass eben dieser Schutz an Bremer Schulen nicht gewährt werden kann: Zurzeit ließen sich viele Fenster nur auf Kipp öffnen. „Leider wurden die Ferien von den Verantwortlichen nicht dazu genutzt, hinreichend technische Veränderungen zu schaffen“, heißt es in der Kritik. Um Durchzug zu schaffen, so GEW-Landesvorstandssprecherin Elke Suhr, müssten vielerorts Klassentüren offenstehen – und auf den Fluren selbst oft zusätzlich noch Notausgänge.

Die grundsätzliche Problematik ist in der Bildungsbehörde bekannt. „Die Kritik wurde schon vor einiger Zeit an uns herangetragen“, so Sprecherin Stephanie Dehne. Die Behörde hat deshalb ein Lüftungskonzept erstellt: In jedem Raum sollen sich mindestens zwei Fensterflügel öffnen lassen.

In wie vielen Klassenzimmern das aktuell nicht möglich ist, weiß bisher aber keiner. Zwar hat die Schulbehörde vor den Sommerferien, am 10. Juli, Immobilien Bremen (IB) beauftragt, Näheres herauszufinden. Aber: „Dazu kann ich noch nichts sagen“, so IB-Sprecher Peter Schulz. Das Unternehmen habe zwar seinerseits die Schulhausmeister beauftragt, die Fenster zu prüfen.

Slogans wie „Kopf leer? – Luft her!“ wurden groß an Schulen plakatiert

Auch Aufträge an Handwerksunternehmen seien bereits herausgegangen. Zahlen dazu gibt es aber nicht. „Die Auswertung kommt erst zu einem späteren Zeitpunkt“, so Schulz. Der öffentliche Bremer Grundstücksdienstleister weiß damit nicht, an welchem Punkt der Umsetzung er gerade steht.

Frische Luft auch in Nicht-Corona-Zeiten wichtig

Das Thema hätte schon früher aufkommen können – schließlich verbessert frische Luft auch die Konzentrationsfähigkeit von Schüler*innen. 2011 hatte die Gesundheitsbehörde das Projekt „Care4Air“ gestartet, Slogans wie „Kopf leer? Luft her!“ wurden an Schulen plakatiert.

Doch bei der Kampagne wurde in erster Linie auf Aufklärung gesetzt, nicht auf Umbau. Dass der Mangel nun auffällt, ist für Suhr ein klassischer Corona-Effekt: „Wie unter einem Brennglas zeigt sich, was falsch läuft. Das ist genau wie die Tatsache, dass jetzt erst Seife in die Schulen kommt.“

Das lässt Schulz so nicht stehen. „Überlegungen zur besseren Lüftung gehören für IB zum Standard bei Sanierungen“, sagt er. Zahlen fehlen jedoch auch hier. Allein auf Sanierungsstau jedenfalls sind Kippfenster wohl nicht zurückzuführen – sie sollen auch Sicherheit gewähren. „In Grundschulen darf man nicht eine Sekunde abgelenkt sein, wenn die Fenster offen sind“, räumt Suhr ein. In Hamburg zeigte sich gerade, warum: Dort stürzte ein Neunjähriger vier Meter tief aus einem offenen Schulfenster.

Selbst wenn man in Bremen wüsste, wo Fenster umgerüstet werden müssen, wäre also damit nicht alles geklärt. Dennoch: Als Alternative vor allem auf Maskenpflicht in Schulfluren zu setzen, hält Suhr für falsch: „Die persönliche Schutzausrüstung ist nach Arbeitsschutzrecht immer das Letzte, das angewendet werden soll“, sagt sie.

Wenn eine technische Lösung allein nicht reiche, müsse ein organisatorischer Ausweg her – etwa, indem Unterrichtsstunden nur 30 Minuten dauern, damit früher sicher gelüftet werden kann. Und vor allem, so Suhr: „Kleinere Lerngruppen. Die haben dann zwar weniger Unterricht, dafür aber intensiver.“ Mit dem Ziel der Bildungssenatorin freilich beißt sich das – das nämlich ist ausdrücklich „Regelbetrieb“.

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