Lucky-Luke-Comic „Rantanplans Arche“: Veggie-Town im Wilden Westen
Im Comic „Rantanplans Arche“ muss der Cowboy das Abenteuer Veganismus bestehen. Und er bekommt es mit militanten Tierschützern zu tun.
Für die gute Sache lässt Lucky Luke auch mal sein Steak liegen, als er erfährt, dass ein Mann im Viehzüchter-Nest Cattle Gulch gelyncht werden soll. Ovide Byrde ist nicht nur als Tierfreund und Vegetarier verschrien, nun wollte er ein paar Cowboys davon abhalten, auf ihr Pferd einzuschlagen.
Lucky Luke kann das Schlimmste verhindern und geleitet Byrde sicher auf seine Farm zurück, wo ihn eine „Arche Noah“ verletzter Tiere erwartet. Darunter der „dümmste Hund des Wilden Westens“, Rantanplan, der sonst im Gefängnis auf die Daltons aufpasst. Der ansonsten nutzlose Kläffer findet ein Goldnugget und macht Ovide Byrde so zum reichen Mann.
Das liebliche Tieridyll auf dem Cover des neuen Albums „Rantanplans Arche“ lässt Western-Fans aufhorchen: Wird die Serie „Lucky Luke“ nun „gezähmt“ und zur reinen Kinderserie? Niedliches und Knuffiges soll die gefährlichen Dalton-Brüder ersetzen?
Cowboys, Banditen, Revolverhelden
Nein, der Schein trügt. Cowboys, Banditen und Revolverhelden spielen weiterhin Hauptrollen im Kosmos von Lucky Luke, der beliebten Westernparodie, die der belgische Zeichner Morris 1946 erfand. Im neuen Album stehen jedoch die Tiere im Zentrum, die ansonsten, abgesehen von Jolly Jumper (dem Hauptgesprächspartner Lukes), zur Statisterie gehören. Denn der Szenarist Jul (Julien Lucien Berjeaut), der seit 2016 „Lucky Luke“ schreibt, stellt diesmal den Tierschutz in den Mittelpunkt.
Achdé, Jul: „Lucky Luke Band 101 – Rantanplans Arche“. Aus dem Französischen von Klaus Jöken. Egmont Verlag, Berlin 2022, 48 Seiten, Softcover 7,99 Euro, Hardcover 14 Euro
Wie der 1974 geborene Franzose in Berlin bei der Vorstellung von „Rantanplans Arche“ ausführte, ist er zufällig darauf gestoßen, als er nach einem neuen Thema suchte und las, dass der Diplomat Henry Bergh (1813–1888) die erste „Gesellschaft zur Verhinderung von Grausamkeit gegenüber Tieren“ 1866 in den USA gründete. Henry Bergh taucht in einer Sequenz des Albums als Vortragsreisender auf, dessen Ideen nur wenige – darunter Ovide Byrde – zum Handeln inspirieren.
Juls pfiffige Story geht jedoch noch weiter: Als Lucky Luke nach ein paar Wochen nach Cattle Gulch („Viehschlucht“) zurückkehrt, nennt sich der Ort plötzlich „Veggie Town“, und alles hat sich verändert. Die Stadt ist streng vegan, Fleischesser werden nun aufgeknüpft. Der Tierschutzverein des neuen „Machthabers“ Byrde nennt sich „Rantanplans Arche“ und gibt den Ton an.
Tierliebe Desperados
Eine Gruppe brutaler Desperados – eingestellt unter der Bedingung, Vegetarier und tierlieb zu sein – um den Mexikaner Tacos Cornseed sorgen für „Ordnung“ in Veggie Town. Und auch beim nahe lebenden Komantschenstamm kündigt sich eine neue Zeit an, da der Sohn des Häuptlings überzeugter Vegetarier ist und mit „militanten“ Mitteln dafür kämpft – sein Schrei trifft selbst Lucky Luke und Jolly Jumper ins Mark.
Zeichner Achdé, der nach dem Tod von Morris 2001 die Lucky-Luke-Reihe in dessen Stil weiterzeichnet, hatte sichtlich Spaß daran, den Tieren einmal mehr Raum zu geben im neuen Abenteuer. In einer in Sepiatönen gehaltenen Rückblenden-Sequenz wird auf humoristische Weise gezeigt, wie unterschiedliche Tiere im Wilden Westen bislang be- beziehungsweise misshandelt wurden.
Die Hauptfigur des gutmütig-vertrottelten Ovide Byrde lehnt er äußerlich an den Komiker Pierre Richard an. Unter den Desperados sticht eine Frau hervor, die die Züge der Filmschauspielerin und Tierschützerin Brigitte Bardot trägt.
Parallelen zur Gegenwart
Szenarist Jul kennt die Tradition von „Lucky Luke“ sehr gut und weiß, dass historische Elemente besonders gut funktionieren, wenn man Parallelen zur Gegenwart aufzeigt. So war der Weg vom ersten Tierschutzverein der USA, der zur besseren Behandlung von Nutz- und Schlachttieren beitrug, zum heutigen Vegan-Trend eine logische Schlussfolgerung (Juls Tochter ist Veganerin!), die reichlich Raum für absurd-witzige Situationen bietet.
Mit dem Häuptlingssohn „Flinker Lauch“, der vor seiner Erweckung „Hungriger Kojote“ hieß, wird schließlich der Generationenkonflikt angedeutet, der heute eine große Rolle in Essens- wie Klimaangelegenheiten spielt. Zugleich wird die Gefahr des Fanatismus aufgezeigt, die droht, wenn das Fortschrittliche zu radikal ausgelegt wird. Lucky Luke hat zwar das Rauchen aufgegeben, wird sich aber wohl auch in Zukunft Steaks gönnen dürfen – in Maßen.
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