Luchse im Harz: Ein Waldbewohner, der Geduld lehrt

Urlaub im Harz. Schlechtes Wetter, keine Tiere und alles sieht so tot aus. Aber dann wird doch noch alles anders.

Ein Luchs auf einem Weg mit grüner Wiese

Wenn der Luchs plötzlich auf dem Waldweg erscheint Foto: Panthermedia/imago

Urlaub im Harz, diesem eigenwilligen Gebirge fast genau in der Mitte des Landes. Düster war er einst, wie der Schwarzwald, Fichten dicht an dicht. Fichten gepflanzt von uns Menschen, weil sie schnell wuchsen und sich ihr Holz gut verkaufen ließ. Heute sieht es hier anders aus.

Wir gehen auf eine Wanderung, mit leichtem Gepäck. Es ist Karsamstag, das ganze Land liegt unter einer Wolke Staub, den der Wind aus der Sahara Nordafrikas hierhergeblasen hat. Die Sonne scheint trüb wie durch eine Milchglasscheibe, es ist, als würde es für immer dämmern. Wir stellen uns vor, die Zivilisation sei ausgelöscht worden, mit ein paar Ausnahmen, zu denen wir gehören, und verlaufen uns.

Wir biegen ein auf einen Rückeweg, der wenig später in einer steilen Fläche endet. Ein Schlachtfeld. Ein Harvester hat hier Hunderte Bäume gefällt. Fichten, überstürzt geerntet von uns Menschen, weil unsere Klimaerwärmung ihnen die Kraft nahm, sich gegen den Borkenkäfer zu behaupten. In Baumzeit gerechnet, starben sie alle auf einen Schlag.

Wir kämpfen uns durch dorniges Brombeergestrüpp, laufen auf toten Ästen, lang und gebogen wie riesige Mammutstoßzähne. Nur vereinzelt ragen noch ergraute Stämme in den Himmel. Sieht so die Apokalypse aus? Wir stellen uns vor, wie wir auf Nahrungssuche gehen, und stellen – wieder einmal – enttäuscht fest, dass wir hier seit Jahren kein Wild mehr erspäht haben.

Die größte Wildkatze Europas

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Wir erreichen einen Forstweg, ein paar Meter entfernt stehen in einem Polter zivilisiert gestapelt die Reste der Blitzernte. Abenteuer vorbei, denke ich. Doch dann bewegt sich da was. Wie versteinert bleiben wir stehen. Hinter dem Polter kommt ein großes Tier mit grau-beigem Fell hervor, gemächlich, geräuschlos bewegt es sich von uns weg. Ein Luchs, ein echter Luchs! Wir schauen uns entgeistert an. Wir können es nicht fassen.

Plötzlich verändert sich der Blick auf die Welt, die uns da zu Füßen liegt. Der Luchs spaziert hier herum, weil wir Menschen eine Erkenntnis hatten. Dass es nicht richtig ist, dass der eurasische Luchs vor etwa 200 Jahren heimatlos wurde und starb wie heute die Fichten. Dass wir ihn brauchen für ein intaktes Ökosystem. Anfang der 2000er-Jahre startete das Luchsprojekt im Harz, um die größte Wildkatze Europas wieder anzusiedeln. Es hatte Erfolg.

Wir folgen dem Luchs, bis er vom Forstweg in den Wald hüpft und verschwindet. Ja, in den Wald. Hier stehen sie noch, die Fichten. Und wie wir so weiterwandern, fallen uns hier und da kleine Lichtungen auf, wo junge Bäume nachkommen. Fichten und auch Buchen. Da fällt mir ein, dass ich neulich eine gute Nachricht las: die Dürre im Land sei überwunden.

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Redakteurin und Reporterin für die wochentaz. Jahrgang 1988, Studium der Sozial- und Kulturanthropologie, Ausbildung an der Reportageschule Zeitenspiegel. Im Ressort der wochentaz zuständig für lange Lesestücke zu Gesellschaft und Politik.

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