Lokalwahlen in der Ostukraine: Eine Lösung ohne Gesichtsverlust
Der Westen drängt den ukrainischen Präsidenten zu Zugeständnissen bei den Wahlen im Donbass. Grundlage ist ein französisches Papier.

Zur Diskussion steht in Minsk ein Papier des französischen Diplomaten Pierre Morel, das sich von allen bisherigen durch eines unterscheidet: Es stellt fast keine Vorbedingungen. Lediglich die weitere Einhaltung des Waffenstillstands macht das Papier zur Voraussetzung. Ansonsten gibt es keine „Wenn-Danns“.
Das dürfte insbesondere der ukrainischen Seite missfallen, die wiederholt den ungehinderten Zugang des ukrainischen Grenzschutzes zu allen Abschnitten der ukrainisch-russischen Grenze, die Entwaffnung der Aufständischen und eine Klärung des Status der Gebiete Donezk und Lugansk verlangt hatte. In einer ersten Reaktion hat Präsident Poroschenko das Morel-Papier als „persönliche Meinung“ bezeichnet.
Doch die Ukraine dürfte es schwer haben, das Papier des Leiters der Arbeitsgruppe Politik der trilateralen Kontaktgruppe in Minsk weiterhin als Privatmeinung darzustellen. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier hatte sich bei seiner Pressekonferenz nach dem Außenministertreffen von Frankreich, Deutschland, der Ukraine und Russland in Berlin am 12. September ausdrücklich auf Morel bezogen. Und auch der russische Außenminister Sergei Lawrow hatte bereits Unterstützung für das Morel-Papier signalisiert.
Morel-Papier als Lösungsvorschlag
Mit Morel hat Frankreich seinen in postsowjetischen Konflikten erfahrensten Diplomaten an den Verhandlungstisch in Minsk mitgebracht. Der fließend Russisch sprechende 71-jährige Diplomat war Sonderbotschafter im Berg-Karabach-Konflikt, vier Jahre französischer Botschafter in Moskau, Sonderbeauftragter der EU für Georgien nach dem Krieg um Südossetien und EU-Sonderbeauftragter für Zentralasien.
Das Morel-Papier gibt beiden Seiten die Möglichkeit, den Wahlen in Donezk und Lugansk ohne Gesichtsverlust zuzustimmen. Und es ist so strukturiert, dass keiner Seite Wahlfälschungen im großen Stil möglich sein werden. Alle prestigeträchtigen Aufgaben werden Kiew übertragen. So wird Kiew den Chef der Wahlkommission stellen. Gleichzeitig werden die vor Ort arbeitenden Wahlkommissionen vor allem von den derzeitigen Machthabern besetzt werden.
Die Wahlen sollen unter internationaler Beobachtung und der Teilnahme ukrainischer Medien verlaufen, allerdings werden die lokalen Machthaber von Donezk und Lugansk ukrainischen Journalisten die Akkreditierung verweigern dürfen. Poroschenkos Forderung, die Wahlen müssen nach ukrainischem Gesetz durchgeführt werden, wird sich erfüllen lassen. Hierzu muss das ukrainische Parlament ein eigens für Donezk und Lugansk erarbeitetes Wahlgesetz verabschieden. Bereits jetzt dürfte an diesem Gesetz geschrieben werden – in Minsk.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kritik am Selbstbestimmungsgesetz
Kalkulierter Angriff
Robert Habeck tritt ab
„Ich will nicht wie ein Gespenst über die Flure laufen“
Solidarität mit Palästina
Das Ringen um Palästina als globaler Kampf
Habeck gibt Bundestagsmandat ab
Her mit der neuen Idee
Krise Polen-Ukraine
Wer soll Polen dann noch helfen?
Bürgermeisterwahl in Ludwigshafen
Eine demokratische Farce