Lokalwahlen in Dänemark: Historische Schlappe für Sozis
Bei den Lokalwahlen in Dänemark muss die Partei der Ministerpräsidentin Verluste einstecken. Die Dänen wenden sich von ihrer Flüchlingspolitik ab.

Besonders massiv erwischte es die von Ministerpräsidentin Mette Frederiksen geführte Partei in Kopenhagen. Seit 100 Jahren war die Hauptstadt eine uneinnehmbare Hochburg der Sozialdemokraten gewesen. Jetzt musste sie ihre Stellung als stärkste Partei mit einem Minus von über 10 Prozentpunkten auf nur noch 17,3 Prozent an die linke Einheitsliste (24,6 Prozent) abgeben. Ähnlich katastrophale Ergebnisse gab es in anderen Großstädten. In den Universitätsstädten Aarhus, Aalborg, Odense und Roskilde verloren die Sozialdemokraten 9, 11,8, 10,4 und 17,8 Prozentpunkte.
Lokale Themen spielten bei Kommunalwahlen die entscheidende Rolle. So war es in Kopenhagen etwa auch der Streit über das von den Sozialdemokraten forcierte und von der Einheitsliste aus ökologischen Gründen abgelehnte Projekt einer künstlichen Insel im Öresund.
Doch in ihren Analysen waren sich am Mittwoch alle Medien einig, dass diese Wahlen zur Halbzeit der Legislatur auch ein Urteil über die bisherige Bilanz der sozialdemokratischen Minderheitsregierung und die Ministerpräsidentin persönlich waren. Die „Mette-Magie“ sei weg, titelte die linke Information: Ihre einstige Popularität in der Coronakrise sei umgeschlagen in massive Kritik aufgrund der Selbstherrlichkeit, mit der ihrer Regierung auch geltendes Recht verletzte.
Opposition legt zu
Die Niederlage werde man in hohem Maße Frederiksen ankreiden, erwartet auch die liberale Politiken. Ihre Stellung als Regierungschefin sei geschwächt. Gegen die gestärkte Opposition werde das Regieren schwerer. Zumal die drei links- und liberal-grünen Parteien, auf die sich ihre Minderheitsregierung im Parlament stützt, deutlich zulegen konnten und sich ihre Unterstützung künftig teurer erkaufen lassen werden. Von Frederiksens „schlimmster politischer Krise“ spricht ein Kommentar des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und Fernsehens.
Dabei ist es nicht lange her, dass viele ausländische – und auch deutsche – Medien Frederiksens Linie einer linken Sozialpolitik in Kombination mit einer „Null Flüchtlinge“-Politik und restriktiver Ausländerpolitik eigenen Sozialdemokraten als „Erfolgsrezept“ empfahlen.
Doch jetzt zeigt sich der gegenteilige Effekt, der die eigenen KernwählerInnen nach links treibt. Und die Ausländerpolitik ist eine Eintagsfliege, wenn sie bei der Wahl keine entscheidende Rolle mehr spielt. Das musste jetzt auch die rechtspopulistische Dänische Volkspartei erfahren. Ihr Stimmenanteil wurde mehr als halbiert. Mit nur noch 4,1 Prozent verschwand sie fast ganz in der Versenkung.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Sauerland als Wahlwerbung
Seine Heimat
Erstwähler:innen und Klimakrise
Worauf es für die Jugend bei der Bundestagswahl ankommt
Pragmatismus in der Krise
Fatalismus ist keine Option
Forscher über Einwanderungspolitik
„Migration gilt als Verliererthema“
Russlands Angriffskrieg in der Ukraine
„Wir sind nur kleine Leute“
Abschied von der Realität
Im politischen Schnellkochtopf