Lokalwahl in Bosnien-Herzegowina: Hoffnungsschimmer in Mostar
Nach 12 Jahren wurde in Mostar wieder gewählt. Die Wahlbeteiligung war gering. Erstmals wird es eine ernst zu nehmende Opposition geben.
![Irma Baralija jubelt Irma Baralija jubelt](https://taz.de/picture/4583165/14/Irma-Baralija-mostar-bosnien-herzegowina-wahl-1.jpeg)
Freude, weil es trotz aller Hindernisse gelungen ist, den Nationalparteien empfindliche Verluste zuzufügen. Zwar bleibt die kroatische Nationalistenpartei HDZ mit voraussichtlich 39 Prozent weiterhin stärkste Partei in der Stadt, sie hat jedoch mit der Kroatischen Republikanischen Partei erstmals eine ernst zu nehmende Oppositionspartei in den drei kroatisch dominierten Wahlbezirken gegen sich.
Das aus fünf Parteien bestehende Parteienbündnis „Koalition für Mostar 2020“ unter Führung der bosniakischen Nationalpartei SDA konnte sich zwar mit knapp 30 Prozent in den bosniakischen Wahlbezirken behaupten. Doch dass nichtnationalistische Parteien wie BH Blok Mostar (Sozialdemokraten und Nasa Stranka) aus dem Stand fast 30 Prozent der bosniakischen Stimmen und damit mindestens 6 der 35 Mandate erringen konnten, löst bei der SDA und auch der HDZ deutliches Unbehagen aus.
Irma Baralija, die mit ihrem Gang vor den Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg 2019 die Wahl in Mostar überhaupt erst möglich gemacht hatte, erreichte in den drei bosniakischen Wahlbezirken mit ihrem „Blok“ jeweils den zweiten Platz, gewann aber auch einige Prozente in den drei kroatischen Wahlkreisen, was durchaus Grund zum Jubeln bot. Doch die geringe Wahlbeteiligung von nur 55 Prozent ist ein Dämpfer.
HDZ will nicht von Macht ablassen
HDZ-Vorsitzender Dragan Čović erklärte seine Nationalistenpartei noch am Wahlabend zum großen Sieger, beklagte aber nach Trump'scher Manier angesichts der Oppositionsstimmen angebliche Wahlfälschungen und forderte eine Neuauszählung – weshalb das Endergebnis bis Dienstagvormittag noch nicht feststand. Die Partei wird voraussichtlich nur 13 Sitze im 35-köpfigen Stadtparlament besetzen können.
Ob die kroatische Oppositionspartei Republikaner, die drei Sitze erreichen könnte, bei der Bürgermeisterwahl die HDZ unterstützten wird, ist fraglich. Denn die kroatischen Republikaner sind wie der Blok angetreten, die Korruption in der Stadt aufzudecken. Die HDZ braucht 18 Sitze, um ihren Bürgermeister durchzubringen.
Jetzt hofft Čović auf die vier Stimmen der serbischen Partei. Der inzwischen an Corona erkrankte serbische Nationalistenführer Milorad Dodik hat sie ihm zugesagt. Als Alternative bliebe noch eine große Koalition mit der bosniakischen SDA, die ebenfalls scheut, die Korruption in der Stadt aufzudecken.
Die Oppositionspolitikerin Irma Baralija mahnte nach der Abstimmung an: „Wir stehen erst am Anfang eines Prozesses, wir brauchen einen langen Atem.“ Die Wahl wurde auch von internationalen Vertretern wie dem EU-Außenbeauftragten Josep Borrell und dem für die EU-Erweiterung zuständigen Kommissar Oliver Varhely genau beobachtet. 12 Jahre lang regierten die HDZ und die SDA durch ein Arrangement die geteilte Stadt ohne demokratisch legitimierte Kontrolle. Damit könnte bald Schluss sein.
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