piwik no script img

Lohnlücke für HomosexuelleSpekulationen aus der Klischeekiste

Schwule Männer verdienen weniger als Heteros, sagt eine Studie. Ist das ein neuer „Pay Gap“? Das ist nicht das einzige Problem.

Schwule Männer wollen mehr: Sie sind laut einer Studie auf dem Arbeitsmarkt benachteiligt Foto: dpa

Zur „Gender“ und zur „Racial Pay Gap“ kommt ein dritter: die „Sexuality Pay Gap“. Im Schnitt verdienen schwule Männer 2,14 Euro weniger Bruttostundenlohn als heterosexuelle. Das will das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) herausgefunden haben.

Da kann man sofort losspekulieren: Werden schwule Männer diskriminiert, nicht als richtige Männer wahrgenommen und verdienen deswegen fast so schlecht wie Frauen? Fällt es ihnen vielleicht schwerer, mit den ganzen Heteromännern im Büro klarzukommen? Man kann ja nicht gemeinsam die Kolleginnen sexuell belästigen – und bei Strip-Club-Feiern zum Jahresabschluss stehen die Schwulen gelangweilt in der Ecke. Kommen sie deshalb seltener in Führungspositionen?

So ganz will dieser Pay Gap vielen aber auch nicht in das Klischee vom erfolgreichen schwulen Mann passen – der morgens seine Designer-Eigentumswohnung verlässt (vielleicht hat er sogar zwei davon), um, natürlich perfekt gestylt, in seinem Sportwagen zum gut bezahlten Job zu fahren. Abends wird das Geld dann auf Vernissagen gelassen oder in der wilden Partyszene. Man könnte auch spekulieren, wie Zeit Online es tat, dass schwulen Haushalten trotzdem mehr von ihrem Geld bleibt, da öfter beide Partner arbeiten als in heterosexuellen Haushalten. Kurz: Die Klischeeparade ist eröffnet.

Eine Erklärung, die allerdings schon plausibel wäre: Homosexuelle Männer machen mehr Überstunden – weil sie seltener Familien haben, häufiger freiberuflich arbeiten und weniger verbeamtet sind. Und mit jeder unbezahlten Überstunde sinkt natürlich der Durchschnittsstundenlohn.

Das Problem: Zwar ist der „Sexuality Pay Gap“ wahrscheinlich real – in den USA kamen Studien auf ähnliche Ergebnisse. Doch die DIW-Zahlen sind nicht zuverlässig genug, um eindeutige Aussagen zu treffen.

Es gibt noch einen „Gap“

Unter den befragten 39.500 Erwachsenen gaben nur 459 ihre sexuelle Orientierung als homo- oder bisexuell an. „Diese Fallzahl reicht, um repräsentative Aussagen zu treffen und Tendenzen festzustellen“, sagte DIW-Vizechef Martin Kroh der taz. „Doch es gibt auch Fehlerquellen.“

Zusatzberechnungen (etwa zum Anteil der Führungskräfte unter Lesben, Schwulen und Bisexuellen) waren nicht möglich, weil die Fallzahlen zu klein sind. „Wenn es mehr Standardbefragungen zu Lesben, Schwulen und Bisexuellen gäbe, könnten wir unsere Ergebnisse auch besser zusammenfassen und vergleichen“, so Kroh.

Keine andere Studie hat bisher repräsentative Daten zu LGBs in Deutschland gesammelt – nicht einmal der Anteil an der Bevölkerung allgemein ist bekannt.

Und damit kommen wir zum eigentlichen Problem, dem „Sexuality Study Gap“. Die Erhebung, die der Pay Gap entdeckt haben will, ist in Deutschland die erste ihrer Art. Keine andere Studie hat bisher repräsentative Daten zu lesbischen, schwulen und bisexuellen Arbeitnehmern in Deutschland gesammelt – nicht einmal der Anteil an der Bevölkerung allgemein ist bekannt. Auch das DIW schätzt hier nur, und zwar 1,9 Prozent – was ihnen selbst ein bisschen wenig vorkommt. Große repräsentative Studien wie der Mikrozensus oder das Sozioökonomische Panel (SOEP), die einer Volkszählung ähneln, verzeichneten lange nur Lesben, Schwule und Bisexuelle, die in Partnerschaften zusammenleben.

Erst 2016 führte das SOEP eine Frage zur sexuellen Orientierung ein, die auch schwule, lesbische und bisexuelle Singles erfasst. So kam das DIW überhaupt erst an seine Daten.

Heißt: Solange keine aussagekräftigen Zahlen vorliegen, sollte man sich gar nicht Spekulationen hingeben – erst recht nicht aus der Klischeekiste. Es braucht dringend mehr Forschung über Sexualität und Einkommen – im Übrigen könnte man dann ja auch mal die Situation von trans* und inter* Menschen erheben. Das hat nämlich noch überhaupt niemand getan.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • "Werden schwule Männer diskriminiert, nicht als richtige Männer wahrgenommen und verdienen deswegen fast so schlecht wie Frauen?"

     

    Weder noch! Im Altenheim, in dem ich arbeite, verdienen Männer, Frauen, Schwule und Lesben exakt das gleiche - nennt sich Tariflohn.

     

    Wenn jedoch Schwule, Frauen oder Lesben seltener in Führungspositionen zu finden sind, hat das in der Regel nur einen Grund: Die fehlende Ambition! Und mal unter uns: Es gibt weiß Gott wichtigeres, als die Karriere.

  • Soweit ich weiß, gibt es bestimmte Fragen, die bei der Bewerbung um einen Job nicht unbedingt wahrheitsgemäß beantwortet werden müssen (Religion, Partei- u. Gewerkschaftszugehörigkeit, Schwangerschaft, …). Warum also sollten sich Bewerber*innen ohne Not outen und damit Nachteile riskieren? Im Gegensatz zu Geschlecht und Rasse ist die sexuelle Orientierung nicht äußerlich erkennbar (es sei denn, der/die Bewerber*in legt es darauf an).

     

    Ein*e waschechte*r Kapitalist*in wird ohnehin den knallharten Kosten-/Nutzen-Maßstab an jede*n seiner/ihrer Mitarbeiter*innen anlegen und so die Entlohnung festlegen. Es sei denn, es gäbe tatsächlich Unterschiede in der erbrachten Leistung, abhängig von der sexuellen Orientierung …

    • @Pfanni:

      Ja, outen muss er sich nicht. Ich gehe auch davon aus, dass es beim Bewerbungsgespräch möglich ist, solche Fragen (wenn sie gestellt werden), überzeugend falsch zu beantworten. Aber ein Arbeitsverhältnis dauert ja ein paar Jahre und in dieser Zeit wäre es wohl nur mit schwerer Anstrengung möglich, dies geheim zu halten; man darf gegenüber Kollegen nie von zu Hause und dem Partner sprechen, etc. Der GAP kann also auch im laufenden Arbeitsverhältnis entstehen, wenn jmd. aufgrund seiner sexuellen Identität bei einer Beförderung übergangen wird.

  • ...und dann gleich noch eins: Als schwuler geouteter Mann denke ich mal, dass wir auch häufiger als Normalos während der Arbeit ans nächste date denken oder uns vom letzten erholen wollen oder müssen - schließlich ist das Leben erst durch anregende Sex-Spiele für viele von uns lebenswert...