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Lockdownfolgen von Schü­le­r*in­nenGravierendes Missverhältnis

Manuela Heim
Kommentar von Manuela Heim

Die Maßnahmen gegen die Lockdownfolgen reichen nicht aus. Vor allem passen sie nicht zur wohl hohen Zahl an psychisch belasteten Kindern und Jugendlichen.

Mittlerweile wissen Kinder vermutlich besser, wie sie mit Covid-Tests umgehen statt mit Buntstiften Foto: K. Schmitt/Fotostand/imago

A ls die Ministerien für Familie und Gesundheit am Mittwoch Maßnahmen zur Bewältigung der Coronafolgen bei Kindern und Jugendlichen vorstellten, fiel eine eindrückliche Zahl: 73 Prozent der Kinder und Jugendlichen seien noch immer psychisch belastet von den Einschränkungen während der Pandemie. Die Medien haben diese Zahl weitergetragen. Aber entweder ist sie übertrieben, oder die vorgestellten Maßnahmen stehen in keinem Verhältnis. Oder beides.

Wenn tatsächlich rein statistisch über 6 Millionen Schü­le­r*in­nen an 32.000 allgemeinbildenden Schulen psychisch belastet sind, was soll dann ein Modellprojekt mit „Mental Health Coaches“ an 100 Schulen bringen? Wie soll das die Lücke schließen, die die im Nachhinein als verheerend bewerteten Schließungen von Schulen und anderen Einrichtungen aufgetan haben? Die Bildungsgewerkschaft GEW kritisiert die Maßnahme als „nicht einmal ein Tropfen auf den heißen Stein“. Das ausgelutschte Bild wird dem Missverhältnis kaum gerecht.

Ein Blick in den Bericht der Interministeriellen Arbeitsgruppe, die die Maßnahmen erarbeitet hat, zeigt: Dort werden mehrere Studien mit sehr unterschiedlichen Ergebnissen angeführt. Es wird auf verschiedene Erhebungsmethoden und fehlende Daten verwiesen. Die 73 Prozent beziehen sich auf eine Selbsteinschätzung von 11- bis 17-Jährigen. Deren verallgemeinernde Verwendung in der öffentlichen Darstellung sollte wohl das Maßnahmenpaket stützen, das unter anderem auch mehr Geld für Familienhebammen und Kitas sowie mehr Therapieplätze vorsieht.

Hier zeigen sich gleich zwei politische Versäumnisse: Die bereits zu Beginn der Pandemie aufgestellte Forderung nach einem verlässlichen Monitoring hat weiter Bestand. Zum anderen bleibt die Einschätzung, was angemessene Hilfe bedeutet, auch unabhängig von der Zahl 73 absurd. Der Ethikrat betonte im November: „Belastungen müssen gemeinschaftlich kompensiert werden, wenn sie infolge von Maßnahmen eingetreten sind, über die politisch entschieden wurde“. Vor allem an den Schulen muss deutlich mehr passieren.

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Manuela Heim
Gesundheit und Soziales
Redakteurin in der Inlandsredaktion, schreibt über Gesundheitsthemen und soziale (Un-) Gerechtigkeit.
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2 Kommentare

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  • Da stimme ich Ihnen voll und ganz zu.

    Auch bei dem Artikel " Nach der Pandemie" trifft dies "zufälliger Weise" auch zu!

    Nun in Schulen auffangen zu wollen, was vor 3 Jahren verursacht wurde ist bei Jugendlichen schwierig, diese sind doch bereits nicht mehr in der Schule und schlagen sich selber mit den Folgen ihres Bildungskicks und schlechten Schulabschlüssen herum.

    Da nützt es auch nichts, wenn bei den folgenden Jahrgangsstufen alles wieder schön gemacht wird. Diese Jugendlichen erreichen Sie dadurch doch nicht mehr.

  • Man erkennt an der Zahl der Kommentare, wie wichtig dieses Thema der deutschen Öffentlichkeit ist.