Lobbyregister für Hamburg: Mehr Transparenz gefordert
Transparency International und Mehr Demokratie wollen in Hamburg ein Lobbyregister einführen. Rot-Grün ist nicht abgeneigt, aber etwas skeptisch.
In einem Lobbyregister müssen sich alle Unternehmen, Verbände und Vereine eintragen, die für sich selbst oder im Auftrag Dritter Einfluss auf die Politik oder die Verwaltung zu nehmen versuchen. Während der Bund Anfang dieses Jahres ein Lobbyregister eingeführt hat, gibt es das in ähnlichem Umfang auf Länderebene nur in Bayern und Baden-Württemberg.
Dabei geht es weder qualitativ noch quantitativ um Kinkerlitzchen. Allein im Bund waren Stand August knapp 29.000 Personen als Lobbyisten registriert, wobei viele Organisationen mehrere Lobbyisten beschäftigen – allein der VW-Konzern hat 52 Interessenvertreter benannt.
Die Sensibilität für das Thema ist nicht zuletzt durch jüngere Skandale wie um den Zahlungsdienstleister Wirecard und den Cum-Ex-Steuerbetrug gewachsen. Bei Cum-Ex sind Kontakte des ehemaligen Hamburger Bürgermeisters Olaf Scholz (SPD) mit Managern der Warburg-Bank Gegenstand eines Untersuchungsausschusses.
Mecklenburg-Vorpommern führt im Norden
Im 2022er Lobby-Ranking von Transparency International stehen die norddeutschen Bundesländer nicht gut da. Die Beurteilung richtet sich nicht nur danach, ob es ein Lobbyregister gibt, sondern auch ob Verhaltensregeln für Politiker und Beamte sowie Karenzzeiten bis zum Wechsel in die Wirtschaft vorgeschrieben sind. Dazu kommt, ob der sogenannte legislative Fußabdruck erfasst wird; das heißt, ob das Zustandekommen eines Gesetzes dokumentiert wird.
Im Norden schneidet Mecklenburg-Vorpommern am besten ab, das 34 Prozent der möglichen Punktzahl erreicht, dicht gefolgt von Schleswig-Holstein. Niedersachsen und Hamburg sind nur halb so gut, Bremen ist weit abgeschlagen. Der Bund erreicht 62 Prozent der Punkte. Ansätze eines Lobbyregisters gibt es unter den Nord-Ländern nur in Mecklenburg-Vorpommern, eines legislativen Fußabdrucks zudem noch in Schleswig-Holstein.
In ihrem Koalitionsvertrag haben Hamburger Sozialdemokraten und Grüne vereinbart, ihr Werk fortzusetzen, das vor zehn Jahren mit dem Transparenzgesetz begann. Im Vertrag heißt es, dass auf den Internetseiten der Behörden nicht nur die Entwürfe der Gesetze, die in eine Verbändeanhörung gehen, eingestellt werden, sondern auch die eingehenden Stellungnahmen. „Damit wird der Gedanke des legislativen Fußabdrucks in sachgerechter Weise aufgegriffen.“
Bernd Kroll von Mehr Demokratie findet, das sei zu wenig. Weil vom Senat nichts kam, habe Mehr Demokratie zusammen mit Transparency International selbst einen Gesetzentwurf formuliert, der ein Lobbyregister, den legislativen Fußabdruck und Verhaltensregeln umfasst. Dabei hätten sich die Autoren das Beste aus den bestehenden Gesetzen in Deutschland und der EU herausgesucht.
„Das Schwierigste für uns war, die Schlupflöcher dicht zu machen“, sagt Kroll. So sind Arbeitgeberverbände, Gewerkschaften und Kirche bisher von Lobbyregistern ausgenommen. Bei den Hamburger Bebauungsplänen würden nur von der Verwaltung zusammengefasste Stellungnahmen veröffentlicht und keine Gutachten Dritter, sagt Kroll.
Postgeheimnis müsste aufgehoben werden
Der legislative Fußabdruck soll dem Hamburger Entwurf zufolge nicht nur wie bisher von der Exekutive, sondern auch von der Legislative genommen werden. „Beide müssen sagen, wer ihnen geholfen hat, welche Stellungnahmen eingeflossen sind und diese Stellungnahmen veröffentlichen“, sagt Kroll. Dafür müsse das Postgeheimnis aufgehoben werden. Kroll formuliert das Ziel so: „Sie können nachher an dem Dokument erkennen, wer zwischen dem Entwurf und dem, was daraus geworden ist, wie Einfluss genommen hat.“
Die Hamburger Bürgerschaftsparteien zeigen sich durchaus aufgeschlossen, allerdings mit Bedenken. „Das bringt jetzt Schwung in die Sache, und das ist gut so“, sagt etwa Eva Botzenhart, Abgeordnete der Grünen. Allerdings sei es nicht trivial, so ein Gesetz auszuarbeiten.
„Man bewegt sich dabei auf einem schmalen Grat“, sagt Botzenhart. „Schafft man sich ein effektives Register oder legt man sich ein bürokratisches Ei?“ Sie könne sich schwer vorstellen, alle ihre Kontakte zu dokumentieren. Dafür gebe es zu viel Irrelevantes, was am Ende eher zur Verschleierung als zur Aufklärung beitrage. Ähnlich sieht das André Trepoll von der CDU-Fraktion.
„Wir prüfen gerade, was man auf Landesebene tun kann“, sagt Urs Tabbert von der SPD. Er sei „gesprächsbereit und offen“. Zugleich verweist Tabbert darauf, dass Hamburg mit der Dokumentation der Verbändeanhörungen weiter sei als andere Länder. Möglicherweise lasse sich das ja gesetzlich verankern.
Weit gehende Berichtspflichten sieht er skeptisch: „Es wäre schwierig, wenn man jeden einzelnen Kontakt dokumentieren müsste und auch dessen Einwirkung auf das Gesetzgebungsverfahren.“ Im übrigen würden die wirklich brisanten Gesetze in Berlin gemacht.
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