Lkw-Verkehr in Deutschland: Sie kommen in Kolonne
Digital gesteuerte Lkw-Kolonnen könnten den deutschen Logistikverkehr revolutionieren. Nach ersten Testläufen rückt das Modell in greifbare Nähe.
Die Folge: Der zweite Lkw fährt im Windschatten und spart so reichlich Sprit. Gesteuert wird die Kleinkolonne über eine digitale Datenleitung vom ersten Wagen aus – im zweiten Wagen sitzt zwar noch ein Fahrer, aber eigentlich nur, um im Notfall eingreifen oder die Lkws bei Bedarf wieder entkoppeln zu können. Was im Kleinen gilt, funktioniert auch im Großen: Die Kolonne könnte noch wesentlich mehr Lastwagen mitziehen.
Das Prinzip heißt Platooning und gehört zu den Visionen der Logistikbranche. „Mit diesem Modell kommen große ökonomische und ökologische Chancen einher“, heißt es etwa aus dem Deutschen Speditions- und Logistikverband. Durch den gleichmäßigeren Verkehrsfluss würden Kraftstoffverbrauch und Emissionen sinken, Touren ließen sich einfacher planen.
Während solche Kolonnen bislang jedoch nur mit Sondergenehmigungen unterwegs waren, könnte sich dies künftig ändern. Am Samstag fiel die wohl höchste Hürde. Das aus dem Jahr 1968 stammende „Wiener Abkommen“ der Vereinten Nationen, ein Vertrag zur weltweiten Vereinheitlichung von Verkehrsregeln, schrieb bislang vor, dass in jedem Lkw jederzeit ein Fahrer seine Hände am Lenkrad haben muss. Nachdem die neue, 2014 ausgehandelte Fassung nun von mehr als 70 Ländern ratifiziert worden ist, trat die Konvention am Samstag in Kraft.
Fahrer durch digitale Systeme ersetzen
Die 28 EU-Mitgliedstaaten müssen nun die Regelungen noch in nationales Recht umsetzen. In der Bundesrepublik hat dies das Bundeskabinett allerdings bereits beschlossen. Und so könnten die Sondergenehmigungen für digital gesteuerte Kolonnen schon bald wegfallen, wenn die Technik an Bord der Trucks bestimmten Vorgaben der Vereinten Nationen entspricht.
Weil deutsche Automobilhersteller sich viel von automatisierten Techniken versprechen, drängt Deutschland international besonders stark darauf, den menschlichen Fahrer zunehmend durch digitale Systeme zu ersetzen. Besonders aktiv sind hier auch die Niederlande. Mitte April empfing Verkehrsministerin Melanie Schultz van Haegen sechs Lkw-Kolonnen, die sich aus ganz Europa auf den Weg nach Rotterdam gemacht hatten.
Das Projekt weitet sich aus: Inzwischen hat die EU-Initiative „European Truck Platooning“ mehrere Korridore freigeschaltet, auf denen die Laster rollen: von Süddeutschland über das Ruhrgebiet, Belgien und die Niederlande bis nach Göteborg in Schweden. Vor menschenleeren Lkws muss sich indes noch niemand fürchten. Sie gehören, ebenso wie fahrerlose Autos, ins Reich der Visionen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
MLPD droht Nichtzulassung zur Wahl
Scheitert der „echte Sozialismus“ am Parteiengesetz?
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“