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Lkw-Verkehr in DeutschlandSie kommen in Kolonne

Digital gesteuerte Lkw-Kolonnen könnten den deutschen Logistikverkehr revolutionieren. Nach ersten Testläufen rückt das Modell in greifbare Nähe.

So eng werden die zusammengeschalteten Kolonnen wohl nicht fahren Foto: dpa

Hamburg taz | Geht es nach der deutschen Logistikbranche, dann könnte es eine Verheißung werden: Seit Monaten testen große Lkw-Konzerne das assistierte Kolonnefahren auf Europas Autobahnen. Auf der A 52 bei Düsseldorf zum Beispiel sind sie zu sehen: zwei Lastwagen hintereinandergeschaltet, deren Abstand nur 13 statt der vorgeschriebenen 50 Meter Mindestabstand beträgt.

Die Folge: Der zweite Lkw fährt im Windschatten und spart so reichlich Sprit. Gesteuert wird die Kleinkolonne über eine digitale Datenleitung vom ersten Wagen aus – im zweiten Wagen sitzt zwar noch ein Fahrer, aber eigentlich nur, um im Notfall eingreifen oder die Lkws bei Bedarf wieder entkoppeln zu können. Was im Kleinen gilt, funktioniert auch im Großen: Die Kolonne könnte noch wesentlich mehr Lastwagen mitziehen.

Das Prinzip heißt Platooning und gehört zu den Visionen der Logistikbranche. „Mit diesem Modell kommen große ökonomische und ökologische Chancen einher“, heißt es etwa aus dem Deutschen Speditions- und Logistikverband. Durch den gleichmäßigeren Verkehrsfluss würden Kraftstoffverbrauch und Emissionen sinken, Touren ließen sich einfacher planen.

Während solche Kolonnen bislang jedoch nur mit Sondergenehmigungen unterwegs waren, könnte sich dies künftig ändern. Am Samstag fiel die wohl höchste Hürde. Das aus dem Jahr 1968 stammende „Wiener Abkommen“ der Vereinten Nationen, ein Vertrag zur weltweiten Vereinheitlichung von Verkehrsregeln, schrieb bislang vor, dass in jedem Lkw jederzeit ein Fahrer seine Hände am Lenkrad haben muss. Nachdem die neue, 2014 ausgehandelte Fassung nun von mehr als 70 Ländern ratifiziert worden ist, trat die Konvention am Samstag in Kraft.

Fahrer durch digitale Systeme ersetzen

Die 28 EU-Mitgliedstaaten müssen nun die Regelungen noch in nationales Recht umsetzen. In der Bundesrepublik hat dies das Bundeskabinett allerdings bereits beschlossen. Und so könnten die Sondergenehmigungen für digital gesteuerte Kolonnen schon bald wegfallen, wenn die Technik an Bord der Trucks bestimmten Vorgaben der Vereinten Nationen entspricht.

Weil deutsche Automobilhersteller sich viel von automatisierten Techniken versprechen, drängt Deutschland international besonders stark darauf, den menschlichen Fahrer zunehmend durch digitale Systeme zu ersetzen. Besonders aktiv sind hier auch die Niederlande. Mitte April empfing Verkehrsministerin Melanie Schultz van Haegen sechs Lkw-Kolonnen, die sich aus ganz Europa auf den Weg nach Rotterdam gemacht hatten.

Können wir dann nicht gleich ganz auf Lkw- Fahrer verzichten?

Das Projekt weitet sich aus: Inzwischen hat die EU-Initiative „European Truck Platooning“ mehrere Korridore freigeschaltet, auf denen die Laster rollen: von Süddeutschland über das Ruhrgebiet, Belgien und die Niederlande bis nach Göteborg in Schweden. Vor menschenleeren Lkws muss sich indes noch niemand fürchten. Sie gehören, ebenso wie fahrerlose Autos, ins Reich der Visionen.

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14 Kommentare

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  • Zitat:....Abstand nur 13 statt der vorgeschriebenen 50 Meter Mindestabstand beträgt.

    .

    Schon mal mit einem PKW z.B mit Hänger hinter einen LKW geblieben?

    .

    Wenn da dann ein 2. kommt werden die 50m aber sehr sehr kurz,

    .

    Oft habe ich (beim Kombi) wohl einen Heckklappe die > 50m zu sein scheint, denn aufmachen könnte ich die die dem "vorgeschieibenen Abstand dann nicht mehr! :-((

  • Pro:

    Grundsätzlich ist die Idee gut, aufgrund des Fahrermangels werden technische Möglichkeiten gebraucht.

    Falls ausgereift dann ist das System deutlich sicherer als heute, die Anzahl der Unfälle wäre theoretisch Null.

    Die Schiene ist er ab 300 km Transportdistanz und mehr als 800 Tonnen tatsächlich konkurrenzfähig. Zudem ist der Netzzugang deutlich schwieriger.

    Zudem kommen die hohe Umschlagskosten je Tonne Fracht.

    Der Einzelwagenverkehr war nie rentabel.

    Die Umweltbilanz von E6 Fahrzeuge ist besser als vergleichsweise bei E-Lkws und je Tonnenkilometer gerechnet auch bei der Schiene. Von Elektronisch angetriebenen Lkws nicht zu reden. (E-Force One)

    Kontra:

    Das System wir bis zu Marktreife dauern, wer soll das Risiko tragen, wenn 20 Lkws unkontrolliert auf der Autobahnfahren. Dadurch werden Testfahrten deutlich erschwert.

  • 3G
    33731 (Profil gelöscht)

    da wird mal wieder das rad neu erfunden. weckt mich auf wenn die schienenlosen lastwagenzüge fotos machen die in der wolke abgespeichert werden.

  • Es gab vor Jahren auch mal versuche mit der "Elektronischen Deichsel" Damals waren Infrarotreflektoren an der Rückseite des Aufliegers. Eine Kamera hinter der Windschutzscheibe des folgenden LKW errechnete aus den Abständen der Punkte den Abstand und aus der Geometrie des Trapez ob der Wagen nach links oder rechts ausschert. Damit konnte man ohne Funkstrecke die ganze Kolonne sehr gut steuern.

  • Der LKW-Verkehr belastet jetzt schon die Asphaltdecken der Autobahnen übermässig; wenn mittels Platooning der LKW-Verkehr ausgebaut wird, ist der Instandhaltungsstau nicht mehr aufzuholen. Anstatt an alten Konzepten herumzufrickeln. müssen neue Ideen frischen Wind in die Verkehrspolitik gebracht werden.

    • @Arne M:

      Ja, am bestehenden rumdoktorn ist echt keine Lösung.

  • "Güter gehören auf die Straße - Umweltschutz hin oder her" so lautet wohl das Konzept der meisten europäischen Regierungen, der deutschen eingeschlossen Die leuchtende Ausnahme bildet hier die Schweiz, die wegen ihrer Haltung aber von allen anderen massiv unter Druck gesetzt wird.

     

    Wenn man Ressourcen wirklich schonen und die Umwelt nachhaltig schützen wollte, müsste der LKW-Fernverkehr schon seit langem in erheblichen Maße auf die Schiene verlagert werden. Hierzu fehlt vor allem der politische Wille, von politischen Entscheidungen ganz zu schweigen.

  • Klingt ja nett, aber wird man bei solch kilometerlangen Zügen überhaupt noch von der Autobahn abfahren können?

    • 8G
      889 (Profil gelöscht)
      @interpolantics:

      Eine Lösung für dieses Problem wären LKW-Strecken abseits der ohnehin oft überlasteten Autobahnen. Dort könnte man einen speziellen Straßenbelag ("Schienen") verwenden, der noch mehr Energie spart. Damit könnte man dann sogar die aufwendige Elektronik sparen, indem man die LKWs mechanisch aneinanderkuppelt.

    • 8G
      889 (Profil gelöscht)
      @interpolantics:

      Eine Lösung für dieses Problem wären LKW-Strecken abseits der ohnehin oft überlasteten Autobahnen. Dort könnte man einen speziellen Straßenbelag ("Schienen") verwenden, der noch mehr Energie spart. Damit könnte man dann sogar die aufwendige Elektronik sparen, indem man die LKWs mechanisch aneinanderkuppelt.

      • @889 (Profil gelöscht):

        Auf diesen Schienen könnten dann die LKW elektrisch gezogen werden. Irgendwie habe ich den Eindruck, dieses System gibt es schon bzw. es wird gerade kaputt gemacht, um mehr Autos verkaufen zu können - oder irre ich mich da?

      • @889 (Profil gelöscht):

        Gibt es schon, nennt sich Eisenbahn ;-)

        • @ernstl:

          Ist richtig, allerdings hat die Eisenbahn zwei gravierende Nachteile gegenüber gekoppelten LKWs: Der erste Nachteil ist der Lärm, den Eisen auf Eisen verursacht, der zweite Nachteil ist die fehlende Flexibilität. Bei der LKW-Kolonne kann der LKW an jeder Ausfahrt "abkuppeln". Bei Zügen nicht einmal als Vision möglich.

           

          Insofern gut, dass das in der Praxis ausprobiert wird.

          • 8G
            889 (Profil gelöscht)
            @Martin74:

            Keine unlösbaren Probleme: Im Personenverkehr gibt es jetzt schon kaum noch die klassischen Loks mit Waggons dran, sondern Triebwagen, die sich auch autonom zu Zügen zusammenkuppeln könnten. Und gegen den Lärm könnte man erst mal langsamer fahren (die Zeit ist ja da gibt ja keinen Stau...), und dann hat man ja bei neu konzipierten Schienen die Chance, eine effektivere Lärmdämmung zu entwickeln.

             

            Wenn sich das nicht lohnt, weil es billiger ist, LKWs zu roboterisieren, dann nur wegen dem dual use dieser Technologie bei Kampfrobotern. Es würde folglich jeder Konsument sämtliche Kriege der nächsten Jahrzehnte querfinanzieren, ob er will oder nicht, wenn die Robotertechnologie in dieser Form auf die Straße kommt.

             

            Von dem manifesten Schwachsinn, noch mehr fossil betriebene Fahrzeuge in den Straßenverkehr zu pfropfen, mal ganz abgesehen.