Literatur über Chinas Ökonomie: Flaute bei Wirtschaftsbüchern
Chinas Wirtschaftsboom geht an der Sachliteratur vorbei. Auch auf der Frankfurter Buchmesse sind Bücher über Chinas Ökonomie Mangelware.
Alle reden über die neue aufstrebende Wirtschaftsmacht China. Doch auf der Frankfurter Buchmesse spiegelt sich das kaum wieder. An welchen Ständen der sino-ökonomisch Interessierte auch sucht – das Angebot an Sachliteratur über Chinas Wirtschaft ist ausgesprochen dürftig.
„Außerhalb der Medienberichterstattung wird die chinesische Wirtschaftssituation hierzulande nach wie vor nur sehr wenig beleuchtet“, sagt der Sinologe und Politikwissenschaftler Thomas Heberer von der Universität Duisburg. Aber auch von chinesischer Seite wird wenig geboten.
An den chinesischen Ständen der Frankfurter Buchmesse dominieren Bücher über Chinas Geschichte und traditionelle Kultur, Kinderliteratur nimmt einen großen Raum ein, der chinesischen Medizin werden mehrere Regale gewidmet. Die größte Auswahl gibt es an Büchern zum Erwerb der chinesischen Sprache. Werke über Chinas aktuelle Wirtschaftsentwicklung dagegen sind Mangelware.
Es lassen sich allenfalls einige wenige Biografien chinesischer Manager auftreiben. „Wohlstand aufbauen in China – 36 wahre Geschichten von chinesischen Millionären“, heißt übersetzt ein Band, für den der Verlag New World Press einen deutschen Verlagspartner sucht. Die Jiangxi Publishing Group widmet sich Hongkongs reichstem Immobilien-Tycoon, Li Kashing. Und einer der wenigen chinesischen Wirtschaftsverlage auf der Buchmesse wirbt mit einem Buch, das den Titel trägt: „Nicht einmal Warren Buffet ist perfekt – Wie man aus den Fehlern des Meisters lernen kann“. Buffet ist kein Chinese.
Aber auch auf deutscher Seite ist das Interesse an Wirtschaftsliteratur aus dem Reich der Mitte eher mau. So stehen am Verlagsstand der berühmten Peking-Universität immerhin drei Werke des momentan wichtigsten chinesischen Wirtschaftswissenschaftlers: Justin Yifu Lin, Chefökonom der Weltbank, war am ersten Messetag in Frankfurt, um eigens für sein jüngstes Werk „On China’s Economy - der chinesische Weg zur Wirtschaftsmacht“ zu werben. Dieses Buch wird vom abcverlag in Heidelberg auch vertrieben und ist seit September in deutscher Sprache erhältlich. Für die anderen Werke hingegen konnte der chinesische Verleger eigenen Angaben zufolge bis zum vorletzten Tag der Buchmesse keinen deutschsprachigen Abnehmer finden. Ein Mitarbeiter zeigt sich enttäuscht: „Wir hatten erwartet, dass wir uns vor Abnehmern kaum noch retten können.“
Chinakenner Heberer führt das fehlende Interesse auf den Mangel an Experten zurück, die sich mit Chinas Wirtschaftsentwicklung auskennen. Er verweist auf einige Werke von Geschäftsleuten, die lange Jahre in China tätig waren, und auf Bücher des ehemaligen Journalisten der Wirtschaftswoche, Frank Sieren, der nun Peking-Korrespondent der Zeit ist. Letzterer würde ein „durchaus ausgewogenes Bild“ der wirtschaftlichen Entwicklung liefern, meint Heberer. Zugleich merke man jedoch, dass Sieren der chinesischen Sprache nicht mächtig sei. Entsprechend begrenzt ist seine Datenlage.
Studenten der Ostasienwissenschaften in Bochum und Köln, in deren Lehrplan Chinas Ökonomie durchaus einen hohen Stellenwert hat, berichten, dass sie sich vorwiegend mit englischsprachiger Wirtschaftsliteratur behelfen müssen. „Ein deutschsprachiges Standardwerk über Chinas Ökonomie fehlt.“ Daran wird wohl auch die diesjährige Frankfurter Buchmesse nichts geändert haben.
- Zhu Ling: „Building wealth in China. 36 true stories of chinese Millionaires & how they made their fortune“, New World Press, 2009.
- Vahan, Jianjijia: „Even Buffet isn’t perfect“, China Industry & Commerce Associated Press, 2009.
- Lu Yanyuan: „Mottos of Li-Kashing“, Jiangxi Publishing Group, 2009.
Justin Yifu Lin: „On China’s Economy - der chinesische Weg zur Wirtschaftsmacht“, abcverlag, 2009.
- Frank Sieren: „Die Konkubinenwirtschaft. Warum westliche Unternehmen in China scheitern und die Chinesen an die Weltspitze stürmen“, Hanser 2008.
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