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Liste von Abtreibungsärzt*innenMurks bleibt Murks

Dinah Riese
Kommentar von Dinah Riese

Eine Liste zeigt, wer in Deutschland Schwangerschaftsabbrüche vornimmt. Die Folge ist maximale Verunsicherung.

Weltweit protestieren Frauen für liberalere Abtreibungsgesetze. Hier in Santiago de Chile Foto: dpa

N un ist sie da: die Liste, von der schon vorher klar war, dass sie zum Scheitern verurteilt ist. Die Bundesregierung beauftragte die Bundesärztekammer aufzulisten, wer in Deutschland Schwangerschaftsabbrüche durchführt. Bislang stehen gerade mal 87 von rund 1.200 Mediziner*innen deutschlandweit auf dieser Liste.

Ein paar mehr dürften es im Laufe der Monate noch werden. Wer aber glaubt, dass diese Liste in absehbarer Zeit auch nur annähernd einen Überblick über die Versorgungslage gibt, der träumt. Das liegt zum einen an der Methodik: Bislang finden sich dort vor allem jene, die schon längst auf ähnlichen Listen der Bundesländer Hamburg und Berlin standen. Diese hat die Bundesärztekammer schriftlich gefragt, ob sie auch auf die bundesweite Liste wollen. Die Übrigen sollen offenbar nicht eigens angeschrieben werden. Stattdessen sollen sie die Aufnahme selbst beantragen. Mehr Aufwand bedeutet in solchen Situationen immer: weniger Rücklauf.

Vor allem aber liegt es an der fortdauernden Stigmatisierung und Kriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen und jenen, die sie entweder brauchen oder durchführen. Die Liste ist Teil eines unzureichenden Kompromisses der Bundesregierung im Streit um Paragraf 219a Strafgesetzbuch. Auch nach der Reform bleibt die Information darüber, wer Schwangerschaftsabbrüche wo und wie durchführt, streng reglementiert. Was genau nun erlaubt ist, darin sind sich derzeit nicht einmal die Gerichte einig.

Was folgt, ist ein Klima maximaler Verunsicherung. Dabei bräuchte es Ermutigung und Rückendeckung – zumal die Zahl derer, die den Abbruch überhaupt anbieten, zurückgeht. Solange noch immer Gerichte Ärzt*innen wegen Informationen auf ihrer Webseite verurteilen, solange ungewollt Schwangere mit einer Abtreibung eine straffreie „Straftat gegen das Leben“ begehen und solange „Lebensschützer*innen“ sich vor Beratungsstellen und Arztpraxen aufstellen und Menschen einschüchtern, ohne dass die Politik dem etwas entgegensetzt – so lange darf sich niemand wundern, wenn Ärzt*innen sich weigern, ihren Namen auf eine zentrale Liste setzen zu lassen.

Jede Information über den Schwangerschaftsabbruch muss legal möglich sein

Denn es ist nur zu wahrscheinlich, dass aus einem solchen Verzeichnis schnell ein Online-Pranger wird: ein Nachschlagewerk für Abtreibungsgegner, die Mediziner*innen mit Mördern vergleichen und Abtreibungen mit dem Holocaust. Ziel unserer Gesellschaft muss es sein, ungewollt Schwangere und jene, die ihnen helfen, zu unterstützen. Dafür muss jede Information über den Schwangerschaftsabbruch legal möglich sein – und der Eingriff selbst auch. Es ist höchste Zeit.

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Dinah Riese
Ressortleiterin Inland
leitet das Inlandsressort der taz. Davor war sie dort seit Oktober 2018 Redakteurin für Migration und Integration und davor von 2016-17 Volontärin der taz Panter Stiftung. Für ihre Recherche und Berichterstattung zum sogenannten Werbeverbot für Abtreibungen, Paragraf 219a StGB, wurde sie mehrfach ausgezeichnet. Im März 2022 erschien von Gesine Agena, Patricia Hecht und ihr das Buch "Selbstbestimmt. Für reproduktive Rechte" im Verlag Klaus Wagenbach.
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8 Kommentare

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  • @yodel diplom



    Danke!

  • Recht ist Recht. Hier bedeutet dies, dass Abtreibung weiterhin verboten, aber unter bestimmten Bedingungen straffrei ist. Sind diese Bedingungen erfüllt muss der Staat die Möglichkeit des Abbruchs dann aber natürlich auch gewährleisten. Die Frage ist wie? Es ist zumindest schwer sowohl den vollständigen Zugang zu Informationen zu ermöglichen als auch zu verhindern, dass Ärzte dann Ziel von Angriffen werden. Ob dies aber auch bei einer vollständigen Abschaffung von 219 anders wäre ist doch sehr fraglich. Die sogenannten Lebensschützer akzeptieren die geltende Rechtslage ja ohnehin nicht, die Mein- Bauch- gehört- mir- Vertreterinnen aber übrigens auch nicht. Auch bei einer völligen Liberalisierung blieben die Probleme, eine breite Akzeptanz einer solchen Liberalisierung ist reine Illusion. Im Moment kommt es darauf an, dass sich Staat und Politiker klar positionieren und rechtsstaatliche Vorgänge verteidigen. Auch wenn es dem Einzelnen nicht gefällt, der 219er muss jetzt wirklich weg.

    • @Benedikt Bräutigam:

      "Recht ist Recht"

      Recht ist also absolut. Gut zu wissen. Viele Rechtsanwälte und Richter werden nun aufatmen, der Job ist doch einfacher als gedacht. Nein, Recht ist Interpretationsfrage. Zumal (juristisches) Recht auch änderbar ist.



      Wie in diesem Fall geschehen, nur halt in keiner sinnvollen Weise.

      Die Forderung war über Schwangerschaftsabbrüche informieren zu dürfen, nicht die Einrichtung eines potentiellen Prangers. Und darum geht es in diesem Artikel.

      "Es ist zumindest schwer sowohl den vollständigen Zugang zu Informationen zu ermöglichen als auch zu verhindern, dass Ärzte dann Ziel von Angriffen werden"

      Man kann es nicht verhindern, aber man kann es zumindest nicht fördern indem man bereitwillig Listen von Ärzten veröffentlicht, die Abtreibungen vornehmen.

      "Ob dies aber auch bei einer vollständigen Abschaffung von 219 anders wäre ist doch sehr fraglich"

      Was ist einfacher auszunutzen? Eine zentrale Liste mit Ärzten die Schwangerschaftsabbrüche vornehmen oder die Information dass jemand bereit ist diese vorzunehmen, verteilt auf hunderte von verschieden strukturierten Homepages?

      Ist letzteres ein Problem für jemanden der nach einem geeigneten Arzt sucht? Nein, wie bei allen anderen Ärzten sucht man nach lokalen Ärzten und schaut dann nach ob dieser das macht was man brauch.

      "die Mein- Bauch- gehört- mir- Vertreterinnen aber übrigens auch nicht"

      Oh, doch, darum protestieren diese und versuchen das "Recht" zu ändern. Das gleichzustellen mit Menschen die bewiesen haben dass sie bereit sind ihre Ziele mit Gewalt gegen Menschen zu verfolgen ist doch sehr perfide.

      Es interessiert sie sehr, sie sehen nur nicht dass es so bleiben müsste.

      "Auch bei einer völligen Liberalisierung blieben die Probleme, eine breite Akzeptanz einer solchen Liberalisierung ist reine Illusion."

      Wen interessiert ob es eine Akzeptanz gibt? Wer nicht persönlich betroffen ist, den geht es schlicht einen Scheissdreck an. Es muss nicht jeder bei jedem Ding zustimmen das sie nicht betrifft

      • @Yodel Diplom:

        Viel von dem was ich geschrieben habe scheinst du nicht gelesen zu haben. Ich habe die Abschaffung von 219 gefordert und die Durchsetzung geltenden Rechts, in der Form, dass Staat, Politik und Gesellschaft die Rechte die 218 gewährt schützen müssen, also auch das Recht auf Information und das Recht unbehelligt Abbrüche durchführen zu können.



        Völlig falsch ist allerdings dein "Es muss nicht jeder bei jedem Ding zustimmen"- Ansatz. Denn genau das ist Demokratie, dass alle über alles bestimmen. Grundsätzlich kann das auch nicht anders sein, beim Thema Abtreibung vielleicht am wenigsten, aber trotzdem.

        • @Benedikt Bräutigam:

          "Denn genau das ist Demokratie, dass alle über alles bestimmen."

          Nein, Du möchtest bitte mal nachlesen was eine Demokratie ist und ganz besonders "repräsentative Demokratie". In Kürze: Du wählst einen Stellvertreter der dann in Deinem Namen handelt. Ob Dir sein Handeln passt ist in dem Moment völlig egal, Zustimmung oder nicht kannst Du ausdrücken, es muss diesen Stellvertreter jedoch nicht interessieren. Was zählt ist dann was Du beim nächsten Wahlgang machst. Es ist also völlig egal ob es eine breite Akzeptanz gibt, weil diese keine Relevanz hat, solange die Gesetzeslage anders ist. Man kann dann zwar im Nachhinein sein Missfallen ( auch an der Wahlurne) äussern, aber das war es auch

      • @Yodel Diplom:

        Es ist ein klarer Fall von Zielkonflikt, wenn man einerseits Ärzten die Möglichkeit geben will, öffentlich als Anbieter von Abtreibungen aufzutreten bzw. Schwangeren die Information über sie möglichst leicht zugänglich machen, und andererseits den Schutz vor Ressentiments gegen solche Ärzte in der Anoymität sucht. Entweder gut zugänglich oder nicht - da kann die Information keinen Unterschied machen.

        Die Lösung dieses Konfliktes kann jedenfalls rein logisch nicht die generelle Freigabe der Werbung für Schwangerschaftsabbrüche sein. Denn wenn Ärzte auch offiziell für ihre Leistungen werben dürften, würden sie genausowenig unsichtbar für die Abtreibungsgegner bleiben, oder? Die arbeiten übrigens gerne mindestens so lokal und suchen sich den nächsten Abtreibungsanbieter als Ziel raus - und sie wären umgekehrt weiß Gott organisiert und eifrig genug, um aus einzelnen Homepages eigene Listen zu generieren.

        Nun zu den Gegnern. Sie schreiben:



        "Wer nicht persönlich betroffen ist, den geht es schlicht einen Scheissdreck an. Es muss nicht jeder bei jedem Ding zustimmen das sie nicht betrifft"

        Einem Abtreibungsgegner kommen Sie mit dieser Argumentation nicht bei. Zum Einen machen die meisten wirklich nur - wenn auch penetrant und ziemlich psychoterroristisch - von ihrem Recht auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit Gebrauch. Zum Anderen GEHT Lebensschutz wirklich Alle etwas an, sonst wird's barbarisch. Ich lasse mal die Nazivergleiche und bleibe bei der Verfassung: Deren verbindliche Auslegung liegt nunmal nicht bei der einzelnen Schwangeren, sondern bei den tapferen Damen und Herren mit den roten Umhängen in Karlsruhe. Und solange die die ausgeurteilte Meinung nicht ändern, dass Schwangerschaftsabbrüche das Rechtsgut "Leben" verletzen, kann man niemandem dafür einen Vorwurf machen, dass er sich dem anschließt. Solange kann man übrigens auch dem Bundestag keinen Vorwurf machen, dass er sich an diese grundsätzliche Sichtweise hält.

        • @Normalo:

          "Entweder gut zugänglich oder nicht - da kann die Information keinen Unterschied machen."

          Ich dachte ich hätte das bereits klargemacht. Wenn Ärzte auf ihrer Homepage informieren dürfen dass sie das tun, dann ist das schwerer auszunutzen als eine bereits fertige Liste. Ein lokaler Patient findet diese Info für den konkreten Arzt.

          "Die Lösung dieses Konfliktes kann jedenfalls rein logisch nicht die generelle Freigabe der Werbung für Schwangerschaftsabbrüche sein."

          Wunderschöner Strohmann. Werbung ist Ärzten generell verboten, es geht um Information. Genau wie man als Augenarzt sagen darf dass man z.B. Lasik anbietet. Nicht mehr und nicht weniger. Der Teil geht also schlicht am Thema vorbei.

          "Die arbeiten übrigens gerne mindestens so lokal und suchen sich den nächsten Abtreibungsanbieter als Ziel raus - und sie wären umgekehrt weiß Gott organisiert und eifrig genug, um aus einzelnen Homepages eigene Listen zu generieren."

          Und das ist nun ein Argument um ihnen diese Arbeit abzunehmen? Einbrecher sind auch eifrig genug Türen aufzubrechen, da sagt auch keiner "Lösung: Tür aufstehen lassen!"

          Mal abgesehen davon dass zentrale Datensammlung den Datenschutzgrundregeln widerspricht.

          "Einem Abtreibungsgegner kommen Sie mit dieser Argumentation nicht bei."

          Ich dachte ich sagte bereits dass das Scheissegal ist. Es geht diese Flachtröten schlicht nicht an. Man muss die nicht überzeugen, schlicht Fakten schaffen. Vor denen zu kapitulieren ist ein schwaches Bild, zumal für die eh kein Kompromiss OK ist. Warum genau sollte es also irgendwen interessieren was die sagen?

          Zum Rest des Gefasels brauche ich mich nicht äussern das geht meilenweit am Thema vorbei.

          Ich fasse zusammen, der Beitrag ist blosses Geblubber von jemandem der ignoriert was ich geschrieben hat und ansonsten versucht zu derailen.

          • @Yodel Diplom:

            Schade, dass Sie so persönlich werden. Ich habe sehr wohl gelesen, was Sie geschrieben haben und bnin auch nach Kräften darauf eingegangen.

            Und daher nochmal: Abtreibungsgegner gehen bei ihrer Suche nach "Schandmalen", an denen sie ihre Mahnwachen abhalten können, nach meiner Erfahrung exakt genauso vor, wie Schwangere das tun würden, wenn sie einen Arzt suchen. Die die ich erlebt habe (jahrelang neben einer Abtreibungsklinik wohnend), waren allesamt aus der Gegend und hatten extra ein kleines Vereinsheim um die Ecke eingerichtet, um es nicht zu weit zu haben. Eine globale Liste hilft denen exakt NULL weiter. Die Durchforstung des Internets ist daneben nur ein Automatismus, würde wahrscheinlich eh gemacht und kann daher getrost als "gegeben" betrachtet werden. Der Hinderungseffekt einer individualisierten Angabe auf den Websites wäre also - wenn überhaupt - allenfalls marginal.

            Dass man das Gesamtpaket "§§ 218ff" aufschnüren müsste, nur weil das den Gegendemonstranten ihr Tun vielleicht ein ganz kleines bisschen erschweren könnte, ist kein besonders überzeugender Ansatz. Das gilt umso mehr, weil - wie SIE wiederum geflissentlich ignorieren - das Strafgesetzbuch nunmal auf dem Boden des Verfassungsrechts zu stehen hat und dieses das Tun der Abtreibungsgegner gleich unter mehreren Aspekten billigt. Die gezielte Behinderung ihrer Tätigkeit wäre kein verfassungsgemäßes Anliegen.

            Was den neu angeführten Aspekt betrifft, dass Ärzte eh nicht werben dürfen: Wir wissen beide, dass das so nicht stimmt. Die Werbung ist nur eingeschränkt. WENN es so wäre, wäre das Werbeverbot in § 219a doch auch von vornherein nur für solche Abtreibungsbefürworter eine Beschwer, die KEINE Ärzte sind. Ist es aber ganz offensichtlich nicht. Oder werden hier die Ärzte etwa nur als Strohmänner vorgeschickt, um eine generelle Erlaubnis durchzusetzen, Abtreibungen zu propagieren? ;-)