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Linkspartei wertet Arbeitsstatistiken ausIm Osten wird mehr geschuftet

Bei den Arbeitsverhältnissen ist die DDR-Grenze noch sichtbar: Im Osten wird durchschnittlich 5 Prozent mehr gearbeitet und 14 Prozent weniger verdient.

Statistisch schlechter gestellt: Schweißer in Thüringen Foto: dpa

Berlin dpa | Beschäftigte in Ostdeutschland arbeiten weiterhin länger als im Westen – und verdienen weniger. Im vergangenen Jahr leisteten Arbeitnehmer in den alten Bundesländern im Schnitt 1279 Arbeitsstunden. Im Osten mit Berlin waren es 1346 Stunden, also 67 mehr. Wird Berlin dem Westen zugerechnet, sind es im Osten 75 Stunden mehr. Zugleich lagen die Jahres-Bruttolöhne je Arbeitnehmer im Westen mit 35.084 Euro um fast 5.000 Euro höher als in den neuen Ländern mit 30.172 Euro. Das ergeben Daten der Statistischen Ämter von Bund und Ländern, die die Bundestagsfraktion der Linkspartei ausgewertet hat.

Linkspartei-Sozialexpertin Sabine Zimmermann sagte der Deutschen Presse-Agentur, die Spaltung am Arbeitsmarkt halte auch mehr als ein Vierteljahrhundert nach der Wende an. „Die Bundesregierung hat sich offensichtlich mit einem Sonderarbeitsmarkt Ost abgefunden. Das ist nicht akzeptabel.“ Ein wesentlicher Schlüssel für eine weitere Angleichung sei eine Stärkung der im Osten deutlich schwächeren Tarifbindung. Niedrigstlöhnen und prekärer Beschäftigung müsse deutschlandweit endlich der Kampf angesagt werden, unter anderem durch eine Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro die Stunde.

Im Schnitt am längsten gearbeitet wurde 2017 der Statistik zufolge in Thüringen mit 1371 Stunden. Es folgen Sachsen-Anhalt mit 1362 Stunden und Mecklenburg-Vorpommern mit 1353 Stunden je Arbeitnehmer. Am wenigsten Arbeitsstunden waren es in Nordrhein-Westfalen (1261), im Saarland (1259) und in Rheinland-Pfalz (1255).

Bei Löhnen und Gehältern je Arbeitnehmer war dagegen Hamburg Spitze mit 40 771 Euro brutto im vergangenen Jahr. Es folgen Hessen (37 832 Euro) und Baden-Württemberg (36 786 Euro). Am wenigsten verdienten Arbeitnehmer demnach im Schnitt in Mecklenburg-Vorpommern mit 27 520 Euro, davor lagen Sachsen-Anhalt (28 607 Euro) und Brandenburg (28 715 Euro).

Es geht nicht um „Fleiß“

Beim Arbeitsvolumen erfasst der Arbeitskreis Erwerbstätigenrechnung des Bundes und der Länder die tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden am jeweiligen Arbeitsort – auch bei Beschäftigten mit mehreren gleichzeitigen Jobs. Nicht einbezogen werden etwa Urlaub, Elternzeit, Feiertage, Kurzarbeit oder Abwesenheit wegen Krankheit. Dabei gehe es weder um „Intensität noch Qualität der geleisteten Arbeit“, erläutern die Statistiker. Nicht korrekt sei daher, von Unterschieden im „Fleiß“ oder der „Arbeitsbereitschaft“ zu reden.

Als Ursachen für Unterschiede gelten unter anderem tarifliche Regeln. Wochenarbeitszeiten von 40 Stunden hatten im Westen noch acht Prozent der Tarifbeschäftigten, im Osten aber 40 Prozent, wie eine Auswertung des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung von 2017 ergab. Einfluss haben etwa auch die Zahl der Feiertage und der Anteil von Vollzeit, Teilzeit und geringfügiger Beschäftigung. Zu Arbeitnehmern zählen unter anderem Arbeiter und Angestellte, Beamte, Richter, Soldaten, Auszubildende und Praktikanten.

Wie hoch Verdienste regional ausfallen, kann davon abhängen, ob es Unternehmen mit gut bezahlten Jobs gibt. Einfluss auf die Gehaltshöhe hat auch die Qualifikation von Arbeitnehmern. Über die Kaufkraft sagt die Höhe der Bruttolöhne allein noch nichts aus – dies hängt von den Lebenshaltungskosten etwa für Miete oder Lebensmittel ab, die sich regional ebenfalls unterscheiden.

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20 Kommentare

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  • Als Unternehmer würde ich ohne deutliche Alimentation durch den Staat keine Firma im Osten gründen.

    • @Karavanserai:

      Und warum nicht?

      • @rero:

        Wenn man nicht gerade am staatlichen Fördertropf hängt, dann dürfte es die größte Herausforderung eines zugewanderten Selbständigen sein, wenigstens binnen zwei Jahren so viel zu verdienen wie die eigenen Mitarbeiter.

  • 9G
    90191 (Profil gelöscht)

    Nun, vielleicht sind im Osten die handwerklichen Berufe anteilsmäßig stärker vertreten und im Westen die akademischen. Wäre auch ne Erklärung, oder?

    Kurzum: Einheitslohn für alle und der Käs ischt gegessen.

  • 9G
    90191 (Profil gelöscht)

    Ja nun, im Westen schreiben viele Arbeiter ihre Überstunden gar nicht auf. Sie leisten sie aus einer naiven Loyalität heraus oder weil sie Angst vor dem Cheffe haben.

  • Für den Mitarbeiter ist entscheidend, was monatlich netto überwiesen wird, für den haftenden Chef, was der Mitarbeiter ihm kostet und bringt.

    • 9G
      90191 (Profil gelöscht)
      @Karavanserai:

      Für den Mitarbeiter ist genau so entscheidend, was er für den monatlichen Lohn geleistet hat.

      Nächstes mal auf dem Wochenmarkt, beim Kartoffelhändler: Nehmen Sie einen Zentner vorwiegend festkochende mit und bezahlen mit fünf Euro. Wenn der Händler sich dann beklagt, sagen Sie ihm: "Es ist für Sie doch nur entscheidend, was ich Ihnen netto gebe."

      Anhand seiner Reaktion werden Sie dann verstehen, was ich meine.

      Übrigens: Der Chef, wenn er nicht ganz auf den Kopf gefallen ist, haftet sicher nicht.

      • @90191 (Profil gelöscht):

        Wenn das alles so einfach wäre, dann hätten wir 30 Millionen Selbständige.

  • Wir haben auch Außenstellen in den neuen Bundesländern, tatsächlich auch eher im Niedriglohnsegment. Für den Aufbau eines Hightechzentrums im Osten der Republik mit dann dauerhaft auch höheren Qualifikationen würden wir nicht genügend erfahrene Aufbauhelfer finden. Denn nicht wenige unserer Topleute kommen ursprünglich aus Ländern wie der Türkei, dem Iran, Chile, Polen, Ghana. Die Konkurrenz würde diese Leute mit Handkuss nehmen. Ostdeutschland gilt für Menschen, die nichtdeutsch aussehen, oft als NoGoArea.

    • 9G
      90191 (Profil gelöscht)
      @Karavanserai:

      "...würden wir nicht genügend erfahrene Aufbauhelfer finden"

      Es ist nur eine Frage des Lohns. Zahlen Sie doppelt so viel wie Ihre Konkurrenz und die bestqualifizierten Arbeiter rennen Ihnen die Bude ein. Nennt sich Markt, das Prinzip.

      • @90191 (Profil gelöscht):

        Wissen lässt sich nicht durch Geld ersetzen. Das ist ein gängiger Irrtum.

  • Wenn im Osten mehr geschuftet wird, warum fließt dann der Netto-Sozial-Transfer nicht von Ost nach West?

    • @Karavanserai:

      Weil das mit den Löhnen zusammenhängt, die im Westen ja Höher sind.

      Kurzum im Osten wird länger für weniger Geld gearbeitet. Das kann man aus der Studie herausnehmen. Und da man im Westen mehr verdient entsteht ja der Netto Sozial transfer von West nach Ost.

      Man nimmt es da wo es am meisten gibt und gibt es dorthin wo es am wenigsten ist.

      Ihre Forderung wäre, man reduziert den kleineren Haufen um den größeren Haufen noch Größer zu machen.

      • @Sascha:

        Wo lesen Sie in meinem Text eine Forderung?

    • @Karavanserai:

      Der Lohn ist geringer und nicht wenige der größeren Firmen sitzen außerhalb der neuen Bundesländer.

      • @mallm:

        Die großen Firmen sitzen im Westen, weil dort die Löhne höher sind?

        • @Karavanserai:

          Warum ist ein Fragewort und das Fragezeichen am Ende eines Satzes weißt auf eine Frage hin. Die Frage wurde beantwortet. Natürlich haben sie keine Forderung formuliert. Jedoch wäre die Schlussfolgerung aus der Frage eine Forderung. Würde man logisch weiterdenken.

          Zu ihrer erneuten Frage: Nein die großen Firmen sitzen nicht im Westen weil dort die Löhne höher sind. Schlussfolgerungen weiterführende Fragen können gestellt werden. Ich maße mir mal nicht wieder an ihre Frage weiter zu denken.

          • @Sascha:

            Ihr Problem war, dass Sie meine Frage sozusagen mit Ihren pawlowschen Reflexen untermalt haben. Wenn irgendwo formal mehr gearbeitet wird, bedeutet das halt nicht, dass dort mehr geleistet, sprich, mehr messbare Wertschöpfung erbracht wird.

            • @Karavanserai:

              Nein, muss es nicht bedeuten. Ich bezweifle allerdings, dass sich die Arbeitseffizienz, auf gleiche Tätigkeiten bezogen, in Ost und West signifikant unterscheidet.



              Andersherum bedeuten hohe Einkommen jedoch keineswegs große Leistung. Gerade bei Einkommen aus Vermögen geht die Leistung mitunter gegen Null. Aufschlussreich wäre es also, die sehr unterschiedlichen Vermögensverhältnisse zu betrachten.

              • @Ruhig Blut:

                Da würde ich Ihnen überwiegend zustimmen.