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Linkspartei und Präsident MaduroLasst die Finger von Venezuela!

Die erste Reihe der Linken hält sich zu Venezuela zurück. Die zweite Reihe weiß genau, wer an der Krise in Caracas schuld ist: Opposition und Ausland.

Venezolanische Wähler vor der Abgabe ihrer Stimme Foto: ap

Berlin taz | Die AG Cuba Sí lässt auf den venezolanischen Präsidenten Nicolás Maduro nichts kommen. Zwei Tage nach den umstrittenen Wahlen zur verfassungsgebenden Versammlung in dem südamerikanischen Land verbreitete die Arbeitsgruppe der Linkspartei am Dienstag eine Mitteilung. „Wir stehen unverrückbar auf der Seite der bolivarischen Regierung und des zivilisierten Volkes!“, heißt es darin.

Die anstehende Verfassungsreform biete die einzige Chance, die „Eskalation der Situation und der Gewaltspirale zu beenden“. Einfach sei das aber nicht: Die „sogenannte Opposition“ und die „im Hintergrund agierenden USA“ hätten schließlich das Gegenteil im Sinn.

Man sollte die Bedeutung der AG Cuba Sí eigentlich nicht überschätzen. Rund 500 Mitglieder hat die Gruppe, auf den Sommerfesten der Partei schenkt sie im Hof des Karl-Liebknecht-Hauses Mojitos aus, ansonsten kümmert sie sich weitgehend unbeachtet um die Beziehungen zu sozialistischen Regierungen in Kuba und anderen amerikanischen Staaten. In der Debatte über Venezuela, wo sich die Staatskrise zuspitzt und sich die Regierung gegen Wahlfälschungsvorwürfe verteidigen muss, gibt die Gruppe inzwischen aber den Kurs der Partei vor.

Auf dem Bundesparteitag brachte die AG im Juni mit Fraktionsvize Heike Hänsel und einem Berliner Bezirksverband einen Antrag zu Venezuela ein. Titel: „Solidarität mit Venezuela!“ Der Parteivorstand versuchte noch, den Antrag durch einen Gegenvorschlag zu ersetzen. Letztlich gelang es ihm aber nur, ihn leicht zu entschärfen. Am Ende beschlossen die Delegierten: „Die Linke steht an der Seite aller linken Kräfte in Lateinamerika, einschließlich der sozialistischen Regierung in Venezuela.“

Die Linke steht an der Seite der Regierung in Venezuela

Parteitagsbeschluss

Schuld an der Situation dort seien in erster Linie die Eskalationsversuche „der USA, der EU und der Organisation Amerikanischer Staaten“ sowie „die ausländische Unterstützung der gewalttätigen Opposition in Venezuela“.

Jetzt, nach den Wahlen und der weiteren Zuspitzung in Caracas, lässt die Parteispitze die Finger vom Thema Venezuela. Auch die Bundestagsfraktion, die ansonsten eine engagierte Menschenrechtspolitik betreibt, hält sich zurück. Nur einzelne Abgeordnete meldeten sich in den vergangenen Tagen zu Wort – und auch sie rücken von der Regierung Maduro nicht ab.

Fraktionsvize Hänsel kritisierte am Sonntag, dass die venezolanische Opposition schon vor der Abstimmung von Wahlbetrug gesprochen habe. „Mit dieser halsstarrigen Boykotthaltung reißen die Parteien des regierungskritischen Bündnisses MUD das Land weiter in die Krise“, sagte sie. Der außenpolitische Sprecher der Fraktion, Wolfgang Gehrcke, äußerte sich ähnlich. „Eine kluge Opposition und eine kluge Regierung würden jetzt erneut in einen Verhandlungsprozess einsteigen“, sagte er. „Dazu ist Präsident Maduro offensichtlich bereit, die Opposition nicht.“

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15 Kommentare

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  • Ich habe diverse Berichte über Venezuela gesehen und gelesen, unter anderem zwei Interviews mit Maduro, und habe einen völlig anderen Eindruck bekommen von ihm, als mir hiesige Berichterstattung vermitteln wollten. Er betont völlig zurecht, dass die USA, wenn sie denn mit Abgriff drohe, gegen geltendes Völkerrecht verstoße laut der UNO-Charta (aber das ist ja nichts Neues). Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass dort (mal wieder) ein humanitäres Problem konstruiert wird, um zu rechtfertigen, warum amerikanische Truppen dort intervenieren, geht den USA natürlich nicht ums Öl, sondern sie wollen die Demokratie wieder herstellen na klar. Und immer wenn die USA ihre “Demokratie irgendwo hingebracht hat”, ist das jeweilige Land in die Steinzeit zurückgebombt worden und das US-Militär Jahrzehnte zur Stelle- ja da wäre mir auch mulmig und von denen würde ich auch nicht unbedingt Hilfslieferungen haben wollen (die übrigens auch die Caritas und das DRK für Venezuela ablehnten). Letztlich sind die Venezuela ja selbst Schuld, was mussten sie sich ausgerechnet ein Land mit so enormen Erdölvorkommen aussuchen und dort ansiedeln... Und dass unsere Regierung einen Präsidenten anerkennt, der sich selbst ernannt hat anstatt des demokratisch gewählten, nachdem bereits ein früherer Putschversuch gegen Maduro mit einem anderen “proamerikanischen” Putschisten gescheitert war (der heute übrigens die US Regierung in Sachen Venezuela berät), spricht Bände. Achso und ich bin weder links noch rechts noch sonstwas. Ich habe nur etwas gegen imperiale Raubzüge, die einem dann noch als humanitäre Rettungsaktion einem verkauft werden.

  • 8G
    80576 (Profil gelöscht)

    Naja, die Linke kann eben nicht von ihren totalitär diktatorischen Wurzeln lassen.

  • 8G
    88181 (Profil gelöscht)

    Das ist dieselbe Nummer, wie vor Jahrzehnten, als Linke Stalin und später Pol Pot verteidigten, als längst klar war, welche Art von Massenmörder sie waren.

     

    Vor lauter Verzweiflung, kein revolutionäres Projekt, dass man anscheinend als Sehnsuchtsort braucht, ist man eben auch mit Mord und Totschlag, mit Diktatur und Willkür solidarisch.

     

    Das ist ekelhaft und hat nichts mit links zu tun. Es sind schlichte Projektionen, nichts anderes als wahnhafter Antisemitismus, der sich in fanatischer Israelkritik äußert.

    • @88181 (Profil gelöscht):

      Vielleicht sollten Sie sich endlich mal den Schaum vom Mund wischen, mit dem hier gegen alles Linke gewettert und mit Stalin und Pol Pot gleichgesetzt wird. Pol Pot wurde von genau den "Linken" gutgeheißen, die jetzt hohe Posten bei den Grünen innehaben. Der gausame Spuk der Roten Khmer wurde letztendlich vom kommunistischen Vietnam beendet.

       

      Egal wie gescheitert das sozialistische Experiment in Venezuela auch ist, das emphatische Bejubeln der rechten Putschisten ist definitiv der falsche Weg. Wir sehen in Brasilien, wo genau diejenigen, die jetzt gegen Maduro wettern, damals gegen Dilma gehetzt haben, wohin es führt.

       

      Die 1970er- und 1980er-Jahre, als ganz Südamerika im Klammergriff faschistischer Militärdiktaturen mit besten Beziehungen zur westlichen Wertegemeinschaft war, haben noch nicht alle Menschen vergessen, von daher wird es wohl noch ein bisschen dauern, bis ganz Lateinamerika wieder im neoliberalen Würgegriff steckt.

      • 8G
        88181 (Profil gelöscht)
        @Khaled Chaabouté:

        Ich bejuble nichts und niemanden. Und Schaum habe ich auch keinen vor dem Mund.

         

        Vielleicht können Sie mir ja mal erklären, was den in Venezuela eigentlich sozialistisch sein soll?

  • Die angebliche Funktionärsclique, die sich die Öleinnahmen angeblich unter den Nagel reißt, scheint manchen Kommentatoren mehr ein Dorn im Auge zu sein, als die Cliquen der internationalen Großkonzerne, die sich die Öleinnahmen garantiert unter den Nagel reißen, wie genug Anschauungsbeispiele in anderen Ländern z.B. Nigeria zeigen.

     

    Nur weil ein Teil des Staatshaushalts nicht in neoliberaler Weise privaten Investoren zugeschossen wird, heißt das noch lange nicht, dass das Geld einfach "verschwunden" ist.

  • Maduro weiß schon, warum er seine Regierung "sozialistisch" nennt, auch wenn seine Politik nur ein paar Funktionäre reicher macht und der Rest der Bevölkerung verarmt.

    • @Martin74:

      Na immerhin nennt Merkel ihre Regierung "konservativ" - sie macht die Superreichen zu den neuen Feudalherren, Stück um Stück.

      Und der Rest der Bevölkerung verarmt

      • 8G
        80576 (Profil gelöscht)
        @Achtsamer:

        Tja, merkt nur keiner, was? Sonst müsste "Die Linke" bei mindestens 60% stehen, oder?

    • @Martin74:

      Warum nennt dann Merkel ihre Regierung nicht "sozialistisch"?

       

      Dann wären wohl die meisten Regierungen in der Welt "sozialistisch", wenn das die Kriterien sein sollen.

  • Maduro ist ein rot angestrichener Erdogan.

  • Das ärgerliche linker Solidarität ist, dass sie die Ursachen der Unzufriedenheit und des wirtschaftlichen Niedergangs konsequent ignoriert, da sie nicht in das ideologisch fundierte Freund-Fein-Schema passen.

    Ähnlich wie Russland wird Venezuela von einer kleinen Funktionärsklicke gemolken. Ein Drittel der Erdöleinnahmen der letzten 10 Jahre haben sich einfach in Luft aufgelöst. Ein früherer Minister von Chavez hat schon letztes Jahr einen Untersuchungsausschuss dazu verlangt. Die Regierung will davon, so wenig wie die Linke etwas wissen. http://www.reuters.com/article/us-venezuela-politics-idUSKCN0VB26F

    Die Devisenkontrollen der Regierung werden schamlos missbraucht um Devisen zu einem besonders günstigen Kurs zu erlangen. Das funktioniert nur mit Hilfe und Wissen von Regierungsstellen https://www.nytimes.com/2015/05/06/world/americas/venezuelas-economy-suffers-as-import-schemes-siphon-billions.html?_r=0

    Statt den Verbleib der Gelder zu klären, wirft Maduro dem Ausland vor seine Revolution zu behindern.

  • Natürlich agieren die USA/CIA heftig mit in Venezuela. Der Versuch hier diese Tatsache als "Ausrede" der Linken hinzustellen ist nichts anders als Verleumdung und realitätsfremd.

     

    Hier gibt sogar der Chef der CIA offentlich bekannt, dass die CIA an "Regime-Change" in Venezuela arbeitet, und alle lachen dazu, über den lustige Hinweis auf anderen Diktatoren, die die USA in der Vergangenheit dort in der Gegend installiert haben.

    https://youtu.be/e1vFn3_5Xbw?t=1m5s

    • Tobias Schulze , Autor des Artikels, Parlamentskorrespondent
      @Ninetto:

      Dass die USA (und andere) Einfluss nehmen, ist unbestritten. Die aktuelle Situation nur auf das Ausland und die Opposition zurückzuführen, empfinde ich trotzdem als etwas zu einfach.