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Linksbündnis in FrankreichDie Überraschungskandidatin

Die linke „Volksfront“ hat sich auf die Ökonomin Lucie Castets für das Amt des Premierministers geeinigt. Doch Macron will erst mal abwarten.

Macron bei einem Interview im TV-Studio: Lucie Castets schaut vom Bildschirm auf ihn herab

Paris taz | Das Linksbündnis Nouveau Front Populaire (NFP) hat sich auf einen gemeinsamen Vorschlag geeinigt: Die einem breiteren Publikum weitgehend unbekannte und offiziell parteilose Ökonomin Lucie Castets soll für die linke „Volksfront“ von Sozialisten, Grünen, Kommunisten und La France insoumise Premierministerin werden. Macron müsste sie dafür mit der Regierungsbildung beauftragen.

Die Tradition der Fünften Republik will es, dass nach Parlamentswahlen die stärkste Fraktion oder Allianz vom Staatspräsidenten den Auftrag dazu erhält, nach dem die amtierende Regierung ihren Rücktritt eingereicht hat. Auf diesen republikanischen Brauch gestützt fordert die Linke nun den Posten des Premierministers.

Tagelang verhandelte das Linksbündnis fruchtlos über diese Personalie und stand deshalb schon am Rande der Spaltung. Diverse, durchaus glaubwürdige Vorschläge waren von den einen oder anderen Seite kategorisch abgelehnt worden. Der Name von Lucie Castets ist eine Überraschung. Die 37-Jährige ist gegenwärtig Finanzdirektorin der Stadt Paris und repräsentiert mehr die Linke der NGOs.

Die hohe Beamtin habe sich im Kampf gegen Steuerbetrug einen Namen gemacht sowie im Einsatz für den öffentlichen Dienst profiliert, außerdem sei sie gegen die Rente mit 64, heißt es in einer Erklärung der Linkskoalition. Dass sie selbst offiziell keiner der Parteien der NFP angehört, ermöglichte es ihnen, sich auf Castets als Kompromisskandidatin zu einigen. Ihr Nachteil könnte es aber sein, dass sie nie Abgeordnete war und keinerlei Regierungserfahrung hat.

Castets erklärte, sie nehme die Nominierung „mit großer Demut, aber auch mit großer Überzeugung“ an. Sie halte sich für eine „ernsthafte und glaubwürdige Kandidatin“ für das Amt des Premierministers. Castets fügte hinzu, dass eine ihrer obersten Prioritäten die „Aufhebung der Rentenreform“ sei, die Macron im vergangenen Jahr durchsetzte und die breite Proteste auslöste, sowie eine „große Steuerreform, damit jeder seinen gerechten Anteil zahlt“.

Macron will „politischen Waffenstillstand“

Für Präsident Macron, der sich am Dienstagabend erstmals seit den Wahlen öffentlich geäußert hat, kommt das überhaupt nicht infrage. Denn erstens habe diese Linke „keinerlei Mehrheit“ und zweitens wolle er vorerst gar nicht über die Frage diskutieren, denn er wünsche für die Dauer der Olympischen Spiele in Paris einen „politischen Waffenstillstand“.

Explizit möchte Macron erst Mitte August das Thema Regierungsbildung auf seine Agenda setzen. Der von der NFP genannte Name einer eventuellen Premierministerin interessiert ihn darum ebenso wenig wie Vorschläge anderer Parteien oder Allianzen. Er hat selber keine andere Strategie als abwarten und Zeit gewinnen. Macron sagte am Fernsehen nochmals deutlich, dass er keineswegs die Absicht habe, selber zurückzutreten. ER habe sein Mandat vom Volk erhalten und werde dieses zu Ende führen.

Attal hat Rücktritt eingereicht

Ex-Premierminister Gabriel Attal hat seinen Rücktritt eingereicht, was Macron schließlich akzeptieren musste. Er hat aber Attal und seine Minister aufgefordert, bis auf Weiteres die laufenden Regierungsgeschäfte weiterzuführen. Das ist als Interimslösung laut der Verfassung möglich, nur soll das jetzt offenbar längere Zeit andauern.

Macrons Absicht ist es, dass sich unter dem Druck einer anhaltenden Krisensituation eine Koalition rund um die Macronisten mit Unterstützung von links und rechts bildet. Die Macronisten haben jedoch die vorzeitige Wahl verloren und stehen mit rund 100 Sitzen weniger als zuvor geschwächt da. Und die NFP hat keinerlei Anlass, das von den Wäh­le­r*in­nen desavouierte Ex-Regierungslager über die Runden zu retten, statt selber die Regierungsverantwortung zu übernehmen.

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10 Kommentare

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  • Hinter den unglaubwürdigen Argumenten Macrons steht die Idee, ein amputierter Teil der Linken habe sich im nationalen Interesse in eine um das Zentrum herum konstruierten Koalition einzuordnen, die dann im wesentlichen die Gleiche Politik weitermachen kann. Das wäre katastrophal, denn es würde absolut den Weg für die rechtsextremen zur Macht bereiten.

  • Niemand hindert Castets und die sie tragenden Fraktionen, die Zeit zu nutzen, um Fakten - sprich: Mehrheiten - zu schaffen. Macron möchte vielleicht keine Regierung unter einer linken Kandidatin, aber wenn sie seine Partei überzeugt bekommt, dass es mit ihr noch am Ehesten geht, dann wird auch Macron einlenken müssen.

    Umgekehrt wäre der Achtungserfolg eines sofortigen präsidialen Regierungsauftrags ja nur ein erster kleiner Schritt in Richtung Regierungsfähigkeit. Castets würde es schwerhaben, irgendwas (geschweige denn ihre vollmundig verkündeten Vorhaben) gegen den Präsidenten UND eine Mehrheit des Parlaments durchzusetzen. Und die Mehrheit des Parlaments tickt nunmal "Macron" oder noch weiter rechts. Irgendeine Form des Miteinenader wird man also finden MÜSSEN.

    Dass Macron sich in der Situation auf den Standpunkt stellt, dass, solange Alle nur "Aber ich, aber ich, aber ICH...!" im Sinn haben, man vielleicht dann doch besser erst einmal olympische Spiele feiert, kann ich jedenfalls ganz gut verstehen...

  • Tatsache bleibt aber, das auch die "Volksfront" trotz allem Wahlsieggerede von einer Mehrheit im Parlament weit entfernt ist. Sie ist genauso auf Stimmen aus der Mitte oder von weiter rechts angewiesen wie Macro es von links und von rechts ist. Das wird sich alles hinziehen. Und vielleicht geht Macrons Kalkül ja auf und zumindest Melenchon ist am Ende raus aus dem Spiel. Eine Regierung ohne seine Beteiligung wäre für Frankreich ganz sicher besser.

  • Die Hypothese, das Linksbündnis würde unter dem Druck schneller bröseln als der geschrumpfte Macron-Bloc, ist leider relativ realistisch.

  • Macron, ein schlechter Verlierer. Wer zurücktritt, der sollte auch zurücktreten. Abwarten und Tee trinken ist nicht angesagt. Er hatte wohl gehofft, die NFP könne sich nicht einigen. Falsch! Ich finde den Vorschlag der Kandidatin Lucie Castets sehr gut. Es bleibt spannend.

  • Macron sorg Stück für Stück für Chaos und Instabilität. Der sucht danach, möglichst viel Macht zu behalten, siehe Parlamentspräsidentin, die hat eigentlich keine Mehrheit, aber es ist eben seine Kandidatin und nun versucht man es mit Divide et Impera, das könnte Macrons Partei beerdigen und es könnte Le Pen zum nächsten Moment, zur nächsten Chance verhelfen. Es wäre schlau gewesen, diesen Vorschlag hier zu akzeptieren, der ist akzeptabel und er ist auch machbar.

  • Eigentlich ist die Lösung klar:



    Rentenreform (weitgehend) beibehalten, denn sie hat v.a. den Dschungel an Ausnahmeregelungen wieder etwas gestutzt. Das sozial ausgestalten und nicht nur als Umverteilung nach oben gehört nachgezogen.

    Dies aber nur unter der Bedingung, dass Vermögen und sehr hohe Einkommen endlich wieder angemessen beitragen. Was ein Arnault pro Stunde "verdient", ist lächerlich aufgeblasen.

  • 9G
    94799 (Profil gelöscht)

    Jetzt dominiert der sogenannte Sport, aktuell durch Olympia 2024, die französische Politik?



    Macrons Machtspielchen damit sind allzu durchsichtig - arme Franzosen, haben besseres verdient!

    • @94799 (Profil gelöscht):

      Stimmt. Aber wie erwartet - erweist sich



      Das Macrönchen 🥮 - als miese 🐀 !