Linken-Spitzenkandidat in MV: Der hölzerne Herr Holter
So schlecht hat die Linke in Mecklenburg-Vorpommern noch nie abgeschnitten. Das liegt auch an Helmut Holter, einem Spitzenkandidaten ohne Biss.
Die Verantwortung dafür trägt nicht zuletzt Holter selbst. Es gibt einen Wahlspot, in dem er, 63 Jahre, groß, graue Haare, an wechselnden Orten in Mecklenburg-Vorpommern Programmatisches abspult. Er spricht hölzern, mit sonorer Stimme und einer Mimik so ausdruckslos wie die einer Gipsfigur.
Egal ob er kostenfreie Kitas fordert oder das Zurückbleiben Vorpommerns beklagt, es klingt, als spräche da ein Roboter. Im Stakkato hakt er Thema für Thema ab. Fast ist es eine Erleichterung, wenn man ihn in der letzten Einstellung des Spots in einem Auto sitzen sieht. „Überholt wird auf der linken Seite“, sagt er auf einer leeren Autobahn. Weit und breit niemand zu sehen, der überholt werden könnte.
Helmut Holter ist ein Urgestein der Landespolitik. Zu DDR-Zeiten war er SED-Mitglied und studierte in Moskau. Nach der Wende blieb er in der PDS, seit 1994 sitzt er mit Unterbrechung 18 Jahre im Landtag. Acht Jahre davon war er Arbeitsminister in der rot-roten Koalition.
„Mein Gott“ ist alles, was er sagt
Einen Ministerposten hätte er gern wieder. Verdient hat er ihn nicht. Zwar haben die Linken solide Oppositionsarbeit geleistet, aber im Verhältnis zur Zahl ihrer Abgeordneten waren die Grünen wahrnehmbarer, setzten mehr eigene Themen und wirkten dabei frischer als die Linksfraktion.
Auch Holters Wahlkampf fehlten Biss und Leidenschaft. Auf Podiumsdiskussionen, Volksfesten und in Einzelgesprächen versuchte der Spitzenkandidat, sich seinen Wählern zuzuwenden – und fand dabei kein Mittel gegen die Anziehungskraft der AfD. In einer Wahlreportage des NDR gibt es eine bezeichnende Szene: Helmut Holter stampft bei über 30 Grad durch den heißen Sand und wirft einem Urlauber in Badehose einen rot-weißen Wasserball zu. Als der Mann erfährt, wen er da vor sich hat, sagt er: „Die Partei ist nett. Aber AfD ist besser.“ – „Warum?“, fragt Holter. „Wir werden seit Jahrzehnten von einer Mafia regiert“, sagt der Mann. Holter, dem es so schwerfällt, Emotionen zu zeigen, wirkt kurz fassungslos. „Mein Gott“ ist alles, was er dazu sagen kann.
Empfohlener externer Inhalt
Die Linke hat als Protestpartei offensichtlich ausgedient. Und sucht noch nach einer neuen Identität. Helmut Holter hat es nicht geschafft, sich und die Partei von der SPD und den Grünen abzusetzen, ganz eigene Themen zu finden. Kitas, Löhne, Umwelt, immer war jemand anderes schneller und rief: „Ich bin schon da.“ Attacken gegen die anderen Parteien hat man von Holter in diesem Wahlkampf nicht gehört, vielleicht weil er es sich mit einem möglichen Koalitionspartner nicht verscherzen wollte.
Schon bei der letzten Wahl hatten überproportional viele Ältere die Linkspartei gewählt, vor allem Männer. An diese Klientel richtete sich vermutlich auch das Kreuzworträtsel in der diesjährigen Wahlbroschüre. Wenn man auf Begriffe kommt wie den politisch nicht ganz so korrekten „Eskimo“ als „Anderes Wort für Arktisbewohner“ oder mit einer „schwerfälligen Frau“ eine Transuse assoziiert, ergibt sich das Lösungswort: „Helmut Holter“. In solchen Augenblicken wirkt die Partei genauso steif und ideenlos wie ihr Spitzenkandidat.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
„Männer“-Aussage von Angela Merkel
Endlich eine Erklärung für das Scheitern der Ampel
Sport in Zeiten des Nahost-Kriegs
Die unheimliche Reise eines Basketballklubs