Linken-Politiker zu Griechenland-Hilfen: „Der IWF hat zwei Gesichter“
Der Internationale Währungsfonds soll gerne aus den Finanzhilfen aussteigen, meint Linken-Finanzexperte Axel Troost.
taz: Herr Troost, die nächste Tranche der Finanzhilfen für Griechenland steht auf der Kippe. Wo ist das Problem?
Axel Troost: Der Internationale Währungsfonds hält die Schuldenlast für nicht tragfähig und droht, sich als Geldgeber zurückzuziehen. Er fordert unter anderem eine Absenkung des Haushaltsziels und faktisch einen Schuldenschnitt. Sonst will er keine weiteren Kredite bewilligen.
Das klingt doch nach einer linken Forderung. Warum wollen Sie dann, dass der IWF aus den Finanzhilfen aussteigt?
Der IWF hat zwei Gesichter. Die makroökonomische Abteilung ist schon lange zu dem Schluss gekommen, dass die volkswirtschaftlichen Auflagen gegenüber Griechenland destruktiv sind und negative Folgen haben. Da ist der IWF progressiver als die europäischen Institutionen. Zugleich verfolgt der IWF auf mikroökonomischer Ebene eine Politik, die noch neoliberaler ist als die der EZB und der Europäischen Kommission. Wir waren im Sommer mit dem Finanzausschuss in Griechenland. Da kamen selbst die Kolleginnen und Kollegen der CDU ins Schaudern, als der IWF seine Forderungen vortrug. Die wollten beispielsweise den Mindestlohn noch weiter absenken.
62, ist finanzpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion der Linken und Mitglied der AG Alternative Wirtschaftspolitik.
Aber bei den volkswirtschaftlichen Zielen stimmen Sie mit dem IWF überein?
Zum Teil. Der von Herrn Schäuble anvisierte Primärüberschuss des Haushalts von 3,5 Prozent der Wirtschaftsleistung ist realitätsfern. Das schafft nicht mal Deutschland. Daher ist eine Absenkung auf maximal 1,5 Prozent, wie es der IWF fordert, durchaus sinnvoll. Allerdings bin ich gegen einen Schuldenschnitt. Was wir brauchen, ist eine Schuldenerleichterung. Das heißt, die Fortschreibung der Kredite über viel längere Zeiträume und mit einer viel niedrigeren Zinsrate. Dann kann man auch mit der jetzigen Schuldenlast Griechenlands vernünftig umgehen.
Reicht das, um aus der Krise zu kommen?
Nein, man braucht natürlich sowohl öffentliche als auch private Investitionen. Erstere wären mit einem angepassten Haushaltsziel und einer Verlängerung der Schuldtitel möglich. Für private Investitionen braucht es vor allem Stabilität. Dazu gehört, dass die Debatte über den sogenannten Grexit, den Austritt Griechenlands aus der Eurozone, endlich aufhört.
Die regierende Syriza-Partei trägt die Sparmaßnahmen trotz eines gegenteiligen Referendums bisher mit. Ist die Partei vor der Troika eingeknickt?
Nein, Syriza hat im Rahmen dessen, was möglich war, viel erreicht, um die Sparpolitik sozial erträglich zu gestalten. Allerdings blieb ihr auch nicht viel Spielraum, da sie von der Troika schlicht erpresst wurde. Im Grunde hält Syriza diese Politik jedoch volkswirtschaftlich und sozialpolitisch für falsch.
Müsste man dann nicht so ehrlich sein zurückzutreten?
Aber was wäre die Alternative? Die etablierten Parteien haben Griechenland doch erst in die Krise geführt. Im Zweifel ist auch mir daher eine „linke Austeritätspolitik“ lieber als eine rechte.
Gibt es überhaupt eine linke Austeritätspolitik?
Ja. Ich werde oft belächelt, wenn ich diesen Begriff benutze. Damit ist aber schlicht gemeint, dass Griechenland die Sparmaßnahmen aufgezwungen worden sind. Syriza versucht, innerhalb dieser Politik eigene Akzente zu setzen. Bei der Rentenreform hat man beispielsweise noch umfassendere Kürzungen, wie sie vom IWF vorgeschlagen wurden, verhindert. Das nenne ich dann eine linke Austeritätspolitik.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Wahlprogramm der Union
Scharfe Asylpolitik und Steuersenkungen
Scholz stellt Vertrauensfrage
Traut mir nicht
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Künftige US-Regierung
Donald Trumps Gruselkabinett