piwik no script img

Linken-Parteichef über die Wahlschlappe„Eine schwierige Phase“

Wie kam es zu dem Misserfolg im Osten für die Linke? Bernd Riexinger will neue WählerInnen suchen und setzt trotz allem auf die Wahl in Thüringen.

„Die eine geniale Idee, wie wir ganz schnell wieder nach oben kommen, wird es nicht geben“ Foto: dpa
Patricia Hecht
Interview von Patricia Hecht

taz: Herr Riexinger, die Linkspartei hat in Sachsen und Brandenburg die schlechtesten Ergebnisse ihrer Geschichte erzielt. Ist sie als Ostpartei Geschichte?

Bernd Riexinger: Wir werden uns nicht mit diesem Ergebnis abfinden, wir haben in Thüringen Chancen, den Ministerpräsidenten zu verteidigen. Aber wir müssen realisieren, dass wir dringend neue Wählergruppen dazugewinnen müssen.

Weil Sie viele im Osten an die AfD verloren haben?

Das Wahlergebnis zeigt leider, dass wir in alle Richtungen verloren haben. Wir haben in Brandenburg deutlich mehr an die Grünen und die SPD als an die AfD verloren, in Sachsen an die CDU, an die AfD und an die Grünen. Das Bild ist bunt.

Trotzdem hat die AfD Ergebnisse, von denen Sie nur träumen können.

Mit der Wahl der AfD wollten die Leute den etablierten Parteien einen mitgeben. Zudem hat die AfD für sie eine Funktion: Manche wollen tatsächlich weniger Ausländer oder einen autoritären, nationalistischen Staat.

Im Interview: Bernd Riexinger

63, ist Co-Parteichef der Linkspartei.

Wo sehen Sie die Gründe für Ihr eigenes Scheitern?

Wir sind zum einen taktischem Wählen zum Opfer gefallen. Diejenigen, die die AfD als stärkste Partei verhindern wollten, haben CDU oder SPD gewählt.

Damit schieben Sie die Verantwortung weg von der Linkspartei hin zu den WählerInnen.

Das reicht natürlich als Erklärung nicht aus. Wir machen als Partei ein schwierige Phase durch und leiden im Osten unter einer Mobilisierungsschwäche. Im Unterschied zum Westen sind wir hier stark überaltert. Wir müssen alle Kraft darauf verwenden, bei den jungen und mittleren Altersgruppen stärker zu werden.

Mehr als zwei Drittel der WählerInnen haben der Linkspartei bescheinigt, ihr fehlten politische Ideen.

Im Gesamten haben wir Konzepte geliefert: beim Verkehr, der Pflege, dem Mieterschutz, dem sozialökologischen Umbau und Klimaschutz. Wir müssen uns da nicht neu erfinden.

Das kam aber offenbar nicht an.

Manchen dieser zukunftsentscheidenden Fragen müssen wir uns stärker zuwenden. Wir dürfen aber auf keinen Fall die Frage der sozialen Gerechtigkeit und Themen wie den Klimaschutz gegeneinander ausspielen, das gehört für uns zusammen. Wir treten ein für die Mehrheit der Lohnabhängigen, für Ärmere und prekär Arbeitende. Aber wir stellen uns den Herausforderungen der Zukunft.

Braucht es einen Sonderparteitag, um das inhaltlich festzuklopfen?

Ich glaube nicht, dass wir das durch einen Sonderparteitag lösen. Wir brauchen eine breite Debatte in unserer Partei, wir brauchen Foren, in denen die Strategiediskussion stattfindet. Aber es gibt keinen schnellen Weg. Die eine geniale Idee, wie wir ganz schnell wieder nach oben kommen, wird es nicht geben. Wir haben eine Menge komplexer Fragen zu behandeln. Wir stellen uns der Herausforderung, die Linke zukunftsfähig aufzustellen.

Katja Kipping hat angekündigt, sich über eine Neuaufstellung verständigen zu wollen. Gibt es personelle Konsequenzen?

In der Fraktion wählen wir im November eine neue Doppelspitze. In der Partei werden wir nicht die Nahles machen: keine Schnellschüsse. Wir haben im Sommer 2020 einen Parteitag, dann endet unsere Amtsperiode. Wie wir uns selbst entscheiden, werden wir uns in den nächsten Monaten überlegen. Jetzt konzentrieren wir uns darauf, die Wahlen in Thüringen zu gewinnen. Danach wird Bilanz gezogen.

Sie wollen die Debatte bis nach Thüringen deckeln?

Die inhaltliche Debatte muss geführt werden. Aber wir dürfen uns nicht in innerparteilichen Machtkämpfen zermürben. Es muss einen solidarischen Umgang sowohl mit Wahlgewinnen als auch mit Wahlverlusten geben. Wenn wir das schaffen, ist mir um die Zukunft unserer Partei nicht bange.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

7 Kommentare

 / 
  • Eine vermeintlich linke Partei, die sich nicht um die Zukunft der einfachen Arbeiter in der Kohleindustrie schert, sollte sich besser grün nennen, sonst ist das Etikettenschwindel.

    Die Linke ist nicht die Partei der Unterschicht, wenn sie ihre Wähler so schnell wie möglich arbeitslos machen will.

    Kein Wunder, dass fast 90 Prozent der Menschen in Sachsen und Brandenburg gegen Die Linke gestimmt haben!

  • Die Positionen der Parteien in etwa sind, SPD - sozialliberal, CDU - konservativ, FDP - (neo)liberal, Grüne - Ökoliberal, Linke - (demokratischer) Sozialismus, AFD - rassistisch, nationalistisch, die Geschichte vom grossen weissen Mann.



    Stabile Konzepte bedeutet das man sie auch möglichst umfassend begründet und kommuniziert. Damit jeder weiss, warum Putin Assoziierungsverträge mit FPÖ und Lega geschlossen hat, Mary le Pen ihm auf den Schoss gehüpft ist, der russische Staat konsequent den Klimawandel leugnet und man trotzdem die völkerrechtswidrige Annexion der Krim, nicht zu weiterer militärischer Mobilisierung missbrauchen darf. Was es mit dem gescheiterten Sozialismusversuch in Venezuela auf sich hat. Was die Flüchtlingswelle mit Deeskalation im Orient. Was fehlende Kooperationen der Politik auf europäischer Ebene, auf europäisch nachbarschaftlicher Ebene bedeutet. Warum im Programm Sozialismus steht und die Linke in den letzten 20 Jahren fleissig den Wohnungsbestand der Stadt Berlin mit verschleudert hat. In Brandenburg das verschärfte Polizeigesetz mit durchwinkt und andernorts schreiend auf den Barrikaden wettert. Wenn die Linke ihre Position aufgibt macht sie sich zum Türöffner der neuen Rechten. Die Linke als Hartz4 Partei verkennt ihren grösseren gesellschaftlich gestaltenden Anspruch. Gemeingüter(Sozialismus) statt Egowirtschaft(Neoliberalismus). Kein Wohlstand auf Kosten Anderer.

    • @Pele :

      Nur zum Test könnte man die Wagenknecht zum Wahlkampf nach Thüringen einladen, immerhin ist sie ja gebürtige.

  • Der selbstverursachte Untergang ist Folge der Realpolitik in den Bundesländern wo sie mitregieren und eine erheblich Diskrepanz zu Ihren Preelektions-Aussagen haben.Die Realität war SPD 2.0 Politik mit Sozialkürzungen,Abschiebungen,Hartz4 und populistischen Verprechungen! Da waren wohl die falschen Berater und Büroleiter am Werk wie zb bei Frau Kipping.Eine klare Zäsur ist nötig denn sonst gehen alle von Bord inkl. der div. Kapitäne - nur wer das Licht ausmacht ist noch nicht ganz klar...

  • Schön, dass Herrn Riexinger nicht bange ist. Unter den beiden jetzigen Vorsitzenden hat sich die Linkspartei thematisch von den Menschen im Osten sehr weit entfernt. Statt dessen dreht man sich, um sich selbst. Die Linke ist auf dem gleichen Weg, den schon FDP und SPD gingen ...

  • Wer spielt den wo in der Linkspartei Klima und soziale Gerechtigkeit gegeneinander aus? Jetzt kommt zutage, was immer zusammengehörte. Kapitalismus ade, alles dem Gemeinwohl. So eine Chance bekommt die Partei nie wieder.Nutzt sie. Sofort. Laut.