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Linke spricht von „Schikanemaßnahme“Hamburg will Bezahlkarte ausweiten

Nicht nur Geflüchtete, sondern auch Jugendliche in betreuten Einrichtungen sollen in Hamburg Leistungen per Karte erhalten. Erste Tests laufen bereits.

Eine Frau erhält im Beisein eines Dolmetschers in einer Aufnahmeeinrichtung ihre Bezahlkarte: Hamburg will das Konzept ausweiten Foto: Harald Tittel/dpa

Hamburg dpa/taz | Im Hamburger Senat gibt es erste Überlegungen, den Einsatz der Bezahlkarte für Geflüchtete auf andere Gruppen auszuweiten. Das gehe aus der Senatsantwort auf eine Anfrage der Linken hervor, über die die Hamburger Morgenpost (Mopo) am Sonntag berichtete. „Auch wenn aktuell die Nutzung dieser Karten für Asylbewerbende im Fokus steht, wurden erste Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter bereits mit Karten ausgestattet, um darüber zum Beispiel Taschengeld an Jugendliche in betreuten Einrichtungen auszahlen zu können“, sagte ein Sprecher der Finanzbehörde der Zeitung.

In den nächsten Monaten werde die Finanzbehörde weitere „geeignete Prozesse und Leistungen“ mit der Sozialbehörde aufnehmen und die Kartenzahlung ausweiten. „Mir ist besonders wichtig, dass durch diese Karten auch für Menschen, die sonst vielleicht keine bargeldlose Zahlungsmöglichkeit erhalten, in der Perspektive diese Hürde zur Teilhabe reduziert werden kann“, sagte Finanzsenator Andreas Dressel (SPD). Es trage auch zum Bürokratieabbau und zur Verwaltungsmodernisierung bei.

Im Rahmen eines Pilotprojekts hat Hamburg im Februar 2024 als erstes Bundesland die Bezahlkarte für Asylsuchende eingeführt. Später billigte der Bundesrat die gesetzliche Grundlage der Karte. Auf die Karten werden 185 Euro für den persönlichen Bedarf gutgeschrieben. 50 Euro Bargeld können abgehoben werden, für Minderjährige jeweils weitere 10 Euro.

Es fängt immer mit einem Pilotprojekt an, um Bargeldauszahlung zu vermeiden und dann folgen Restriktionen. Das öffnet Tür und Tor für die Beschränkung anderer Sozialleistungen

Carola Ensslen, fluchtpolitische Sprecherin der Linksfraktion in Hamburg

Die Karten können da genutzt werden, wo Visa akzeptiert wird. Im Ausland, im Onlinehandel, für Geldtransfers oder Glücksspiel funktioniert die Karte nicht. Auch in vielen kleinen Läden, die etwa Lebensmittel oder gebrauchte Kleidung anbieten, im Café oder bei der Post werde die Bezahlkarte oft nicht akzeptiert, so die Kritik.

Linke fordert Ende der Bezahlkarte

„Es war absehbar, dass die repressive Bezahlkarte auch auf andere Leis­tungs­emp­fän­ge­r*in­nen ausgedehnt würde. Und es wird nicht bei der Ausdehnung auf die Altersgrundsicherung und Sozialhilfe bleiben“, teilte Carola Ensslen, fluchtpolitische Sprecherin der Linksfraktion, am Sonntag mit. Aus der Anfrage geht auch hervor, dass es weiter keine Online-Bezahlfunktion gibt. Der Dienstleister arbeite an der „vertraglich zugesicherten Umsetzung“.

„Dass man es in fünf Monaten nicht schafft, die Funktion für den Online-Handel einzurichten, liegt in erster Linie an den Beschränkungen auf bestimmte Waren“, sagte Ensslen. Mit Verwaltungsvereinfachung habe das in ihren Augen nichts zu tun. Die Bezahlkarte sei eine „Schikanemaßnahme“, die abgeschafft werden müsse statt sie auf andere Personengruppen auszuweiten.

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1 Kommentar

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  • Also das bezweifele ich, bisher ist es so, dass bei Jugendlichen und Jungerwachsenen nach SGB VIII in betreuten Wohnformen das Geld durch die Träger in Bar an die jungen Menschen ausgezahlt wird. Das wird teilweise schon auf Bankkonten ausgezahlt, wenn dies machbar ist und der jungen Menschen verantwortungsvoll handeln kann.

    Ich habe im Artikel nicht gelesen, ob das wirklich in der Jungendhilfe kommen soll oder an Arbeitlose bzw. Empfänger von SGB II-Leistungen. Dies kann ich mir nicht gut vorstellen, weil die Jobcenter auf ein Bankkonto bestehen und da auch ein Basiskonto eingerichtet werden kann.

    Sollte diese Karte nun wirklich auf 'normale' Menschen ausgedehnt werden, wird das vor Gericht landen und dann müsste der hamburger Gesetzgeber erklären, warum er diesen Weg wählen muss, um dem Sozialstaatsgebot gerecht zu werden und zwar im Kontrast zu anderen Grundrechten, weil hier eine direkte staatliche Kontrolle erfolgen würde.



    Ich könnte mir sogar vorstellen, dass so eine Karte nicht für Häftlinge rechtens wäre bzw. selbst das würde m.M. vor Gericht scheitern. Aber es muss ja hier überlegungen geben und die müssten ja dahin gehen, dass Menschen Zugang zu Leistungen erhalten.