piwik no script img

Linke machen KompromisseBeschränkte Harmonie

Bei ihrer Klausur übt sich die Linksfraktion in Geschlossenheit. Aber in der Klimapolitik bleibt Uneinigkeit.

Mohamed Ali (rechts) teilt für die Linke aus Foto: dpa

Rheinsberg taz | Nach Jahren der Zerstrittenheit ist der Wunsch der Linken groß, sich in neuer Einheit zu präsentieren. „Wir gehen mit großer Begeisterung aus der Klausur“, sagte die neue Fraktionschefin Amira Mohamed Ali am Ende einer zweitägigen Tagung der Bundestagsfraktion im brandenburgischen Rheinsberg. „Wir haben wichtige Beschlüsse gefasst, so kann es weitergehen.“

Mohamed Ali, die Nachfolgerin Sahra Wagenknechts, gilt dabei als einer der Gründe dafür, dass die Klausur vergleichsweise friedlich über die Bühne ging. Frühere Tagungen, etwa vor zwei Jahren in Potsdam, endeten im öffentlich ausgetragenen Streit zwischen Fraktions- und Parteispitze. In Rheinsberg habe Mohamed Ali jetzt Konflikte moderiert, lobten Vertreter verschiedener Flügel am Rande der Tagung.

Ganz so harmonisch, wie es der neue Fraktionsvorstand öffentlich darstellen möchte, lief die Sitzung jedoch nicht ab: Die Linksfraktion beschloss zwar grundsätzlich einen Aktionsplan für Klimagerechtigkeit. Entscheidende Passagen konnten in Rheinsberg aber nicht verabschiedet werden. Dabei geht es unter anderem um ein Verbot von Inlandsflügen bis 500 Kilometer und ein Ende des Verbrennungsmotors bis 2030.

Auch die Frage, ob synthetische Kraftstoffe künftig in großem Maße importiert werden sollen, ist strittig. Klimapolitiker wie Lorenz Gösta Beutin streiten sich bei dem Thema mit früheren Gewerkschaftsvertretern wie Klaus Ernst, der die Beschäftigteninteressen in der Automobilindustrie im Fokus hat. Während die einen mehr auf die Verbote setzen, hoffen die anderen auf Innovation.

Bahn attraktiver als Fliegen

Auf Nachfrage positionierten sich die beiden Fraktionsvorsitzenden auf der abschließenden Pressekonferenz gegen ein Verbot von Inlandsflügen: „Warum gibt es keine Flüge mehr nach Hamburg?“, fragte Mohamed Alis Co-Chef Dietmar Bartsch. „Die Bahn ist so attraktiv geworden, dass sich Flüge nicht mehr lohnen.“ Auch bei der Antriebstechnologie seien technologische Fortschritte wichtiger als Verbote.

Elektroautos müssten billiger werden, sagte Bartsch. Mohamed Ali ergänzte, es sei wichtig, „dass die individuelle Mobilität erhalten bleibt“. Die noch nicht beschlossenen Stellen des Klimapapiers sollen nun bei den nächsten Fraktionssitzungen nach und nach wieder auf die Tagesordnungen kommen. Kompromissvorschläge sind in Arbeit. Es sei „wichtig, dass die Linke gemeinsam agiert“, sagte Bartsch. „Unsere zentrale Aufgabe ist die Auseinandersetzung mit der Regierung.“ Die Auseinandersetzung um den Fraktionsvorsitz vom Herbst sei „jetzt entschieden“.

Einige der wichtigsten Flügelvertreter fehlten aber bei der Klausur. Sahra Wagenknecht war nicht da, auch Fraktionsvize Caren Lay fehlte. Lay, die in der Fraktion als Kipping-Vertraute gilt, war im Herbst der außerhalb der Linken fast unbekannten Mohamed Ali im Kampf um den Fraktionsvorsitz unterlegen. Insgesamt fehlte ein knappes Drittel der Abgeordneten bei der Klausur.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • Ich hätte nie gedacht, dass 1/3 der Fraktionsmitglieder bei einer derart wichtigen Klausurtagung fernbleiben.

    Interessant ist, dass die Partei sich zum Individualverkehr bekennt und offensichtlich nicht daran denkt, dies der Oberschicht zu überlassen, zumal das Gerde, den Individualverkehr durch ÖVPN und Bahn zu ersetzen, ein Jahrhundertprojekt wäre. Denn letztendlich müsste die Automobilindustrie weitestgehend zugunsten alternativer Mobilität aufgelöst werden. Daran ist aber schon deshalb nicht zu denken, weil die Automobilindustrie momentan umrüstet auf einen elektromobilen Massenverkehr. Vielleicht wäre die Unterschicht infolge hoher Preise und Kosten gezwungen, sich vom Individualverkehr zu verabschieden.

    • 8G
      85198 (Profil gelöscht)
      @Rolf B.:

      Wenn der gesamte Autoverkehr auf Elektro umgestellt wird, steigert sich der Stromverbrauch der Flotte (im Vergleich zu dem Stromverbrauch der Raffinerien) um ein Vielfaches. Es gibt bisher keine realistischen Pläne, wie dieser Strom nachhaltig erzeugt werden soll. Außerdem bleibt das Problem des Straßen- und Parkplatzbaus, der schon wegen des Teers keineswegs CO2-neutral ist, Platz wegnimmt und Ökosysteme zerschneidet. Deswegen bleibe ich skeptisch gegenüber der individualistischen Elektromobilität.



      Vielmehr sollte eine Entschleunigung der gesamten Gesellschaft den Menschen die Zeit dafür geben, mit öffentlichen Nahverkehrmitteln an ihr Ziel zu kommen, auch wenn dies etwas länger dauert. Damit diese Verkehrmittel aber ausgebaut werden, müssen Steuern erhoben werden, die dann für den Konsum (von E-Autos) fehlen.

    • @Rolf B.:

      Den Individualverkehr abschaffen? Sind sie verrückt. Das wäre ja der Weg in den Sozialismus.