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Linke Hoffnungsträgerin in HessenKämpferisch und redegewandt

Mit mehr als 6 Prozent zieht die Linkspartei erneut in den Hessischen Landtag ein. Das verdankt sie nicht zuletzt Spitzenkandidatin Janine Wissler.

Die hessische Linkspartei feiert ihre redegewandte Spitzenkandidatin Janine Wissler Foto: dpa

Wiesbaden taz | Janine Wissler lässt sich keine Enttäuschung anmerken. „Das ist für ein westdeutsches Flächenland wirklich toll“, kommentiert die Spitzenkandidatin der Linkspartei in Hessen die ersten Hochrechnungen am Sonntagabend. In den letzten Umfragen hatte ihre Partei noch konstant bei acht Prozent gelegen. Doch auf den Wahlzetteln ist sie nun weniger oft angekreuzt worden. Sie kommt nur auf etwas mehr als sechs Prozent. Trotzdem zeigt sich Wissler zufrieden. „Das ist das beste Ergebnis, das die Linke in Hessen jemals hatte“, sagt sie. „Wir werden heute Abend feiern.“

Das ist verständlich. Denn bislang war der Landtagseinzug stets eine Zitterpartie gewesen: 2008 reichte es mit 5,1 Prozent nur hauchdünn, auf 5,4 Prozent kam die Linkspartei 2009, 2013 wurde es mit 5,2 Prozent noch einmal sehr knapp. Da ist das Ergebnis jetzt geradezu luxuriös. „Wir haben unser wichtigstes Wahlziel erreicht“, sagte Wissler am Wahlabend in Wiesbaden. Dafür hat sie bis zum Schluss gekämpft.

Zwei Tage zuvor absolviert Wissler ihren letzten großen Wahlkampfauftritt. Energisch erklimmt sie an diesem kühlen Freitagabend die Bühne auf dem Wiesbadener Mauritiusplatz. Auf dem Redepult, das sie gerade so überragt, liegen Sprechzettel, doch die bleiben achtlos liegen. Wissler kennt ihren Text.

Wortreich klagt die Vorzeigelinke über die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich, über den Vorrang des Profits vor den Menschen im Kapitalismus. Dabei zerteilt sie mit Handkantenschlägen die Luft, mal rechts, mal links vom Pult. Der Applaus ist groß. Zum Wahlkampfabschluss ist auch Gregor Gysi nach Wiesbaden gekommen. „Sie hat den Mumm, sich mit den Mächtigen anzulegen“, schwärmt er.

Endlich mal wieder im Landtag

Ob in Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen oder Bayern: Bei den letzten vier Landtagswahlen hat die Linkspartei ausnahmslos den Parlamentseinzug verpasst. Dass es in Hessen weniger trostlos aussieht, daran hat Wissler einen gehörigen Anteil.

In anderen westdeutschen Landesverbänden der Linkspartei ist das Personal meist entweder unbekannt oder zerstritten. In Hessen sieht das anders aus, was nicht zuletzt als Verdienst Wisslers gilt. Seit dem erstmaligen Einzug der Linkspartei vor zehn Jahren gehört sie dem Parlament an. Nachdem ihr friedensbewegter Co-Vorsitzender Willi van Ooyen, mit dem sie gut zusammengearbeitet hatte, vor eineinhalb Jahren in Rente ging, ist die kämpferische und redegewandte Diplom-Politologin unbestritten die Nummer eins in der Linksfraktion.

In der zu Ende gehenden Legislaturperiode sprach keinE AbgeordneteR im Landtag so häufig wie die 37-jährige Frankfurterin. Stolze 387-mal trat sie ans Mikrofon. Zum Vergleich: Der CDU-Fraktionschef brachte es auf 150 Redebeiträge. Als „Star der Linken ohne Starallüren“ bezeichnete sie die FAZ anerkennend und attestierte ihr, sie sei eine „frische, aufgeweckte, schlagfertige Frau“, die Charme ausstrahle.

Zweimal, 2008 und 2013, hat Wissler in quälenden Sondierungen mit SPD und Grünen die Möglichkeiten für einen Politikwechsel in Hessen ausgelotet. Jedes Mal gab es eine rechnerische Mehrheit für ein Mitte-links-Bündnis. Doch 2008 scheiterte SPD-Spitzenkandidatin Andrea Ypsilanti an den GenossInnen, 2013 scheuten sowohl Grüne als auch die SPD das Wagnis. Für Wissler vergebene Chancen.

Jetzt reicht es selbst rechnerisch nicht mehr. Große Hoffnungen, dass es diesmal etwas werden könnte, hatte Wissler ohnehin nicht. „Die Grünen haben ihr Programm in die Tonne gekloppt, um für die CDU anschlussfähig zu werden“, konstatierte sie bitter.

Dass CDU und FDP im Endspurt des Wahlkampfs wieder vor sozialistischen Experimenten warnten, bringt Wissler allerdings in Rage. Es empört sie zutiefst, wenn Linke und AfD in einem Atemzug als „extremistisch“ abgetan werden. „Sozialisten haben zusammen mit Sozialdemokraten, Liberalen und Christen in den KZs der Nazis gelitten“, sagt Wissler mit ernster Stimme. „Die Gefahr geht nicht vom Sozialismus aus, sondern vom Faschismus.“

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7 Kommentare

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  • Die Linke hat von ihren Themenschwerpunkten her bei den Grünen gewildert, ohne jedoch etwas vom Öko-Image abzubekommen, desgleichen der halbherzige Ausflug in die Queer- und Genderszene, den andere Parteien besser medial umgesetzt bekommen. Die innerparteilichen Kontroversen beim Thema Migration wurden in unvorteilhaftester Weise nach außen getragen, bzw. als Anlass für Machtkämpfe missbraucht, wogegen die sozialen Themen viel zu kurz gekommen sind und obendrein auf miefige sozialdemokratisch-gewerkschaftliche Weise abgehandelt wurden.



    Für so eine Politik gibt es in Hessen trotz der Kandidatin nun mal leider nur etwas mehr als 6%, in anderen Bundesländern noch nicht einmal 5%.

    Mir graust es jetzt schon vor dem Wahlkampf der Linken in NRW mit Sprecherinnen wie Inge Höger …

  • Mir ist vor mehreren Jahren klar geworden, daß umweltpolitisch kein großer Unterschied zwischen Grünen und Linkspartei besteht. Im Gegensatz zu den Grünen ist der Linken soziale Gerechtigkeit wesentlich wichtiger. Das wurde vielen Wählern meines Erachtens bisher zu wenig klar gemacht.

    • @shashikant:

      Die Wähler der Grünen haben nach denen der FDP das höchste Medianeinkommen, die Wähler der Linken das Niedrigste, wenn man die Nichtwähler ausklammert.

      Das Thema ist vielleicht darum auch unterschiedlich wichtig für die jeweiligen Wählergruppen.

  • Wenn Janine Wiesler Fraktionsvorsitzende im Bundestag würde, und damit die unsägliche Ära der Frau Wagenknecht beenden könnte, wäre die Linke auf Bundesebene auch wieder für viele wählbar.

    • @Rinaldo:

      Wiesler UND Wagenknecht, würde ich gut finden!

  • Den Mumm hat der Gregor leider verloren. Im Gegenteil, er biedert sich an.

  • Janine Wissler von den Linken ist jung, sportlich und attraktiv. Das zieht bei Wahlen immer, wie man ja auch bei der FDP sieht. Die LINKE Parteiführung sollte sich deshalb ernstliche Gedanken machen, ob sie mit der irgendwie alt daher gebackenen Führung, noch richtig aufgestellt ist.

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