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Lindner lässt Spruch entfernenSlogans first, Bedenken second

Gareth Joswig
Kommentar von Gareth Joswig

Christian Lindner (FDP) hat einen plötzlich peinlichen Werbespruch am Finanzministerium entfernen lassen – ausgerechnet mit einem Trauerflor.

Uups, da war doch was? Christian Lindner sind die Sprüche ausgegangen Foto: picture alliance/dpa | Hannes P Albert

K lammheimlich, aber nicht unbemerkt hat Christian Lindner ein Werbeplakat an seinem Finanzministerium schwärzen lassen. Statt des Slogans „Mit Geld und Verstand“ prangt nun eine Art riesiger Trauerflor an einem Säulengang des Nazi-Prunkklotzes an der Wilhelmstraße.

In Zeiten der Wirtschaftskrise und der Haushaltssperre nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Klima- und Transformationsfonds (KTF) hat offenbar selbst der FDP-Finanzminister bemerkt, wie unfreiwillig komisch es rüberkommt, wenn sein Ministerium sich selbst mit einem solchen Spruch bewirbt. Unterzeile: „Schulden bremsen. Chancen schaffen. Unser Bundeshaushalt“.

Klar, Kalauer in Sachen Geld und Verstand bieten sich sofort an – aber der Trauerflor dürfte darüber hinaus auch den derzeitigen Gemütszustand im Ministerium ganz gut beschreiben. Vielleicht wäre es angebracht, auf dem Vorplatz des Gebäudes einen Kranz niederzulegen und dranzuschreiben: „Mit Schuldenbremsen-Dogma und Taschenspielertricks / Wirtschaft abwürgen. Krise herbeisparen. In Gedenken an unseren Bundeshaushalt.“

Trauerstimmung passt tatsächlich extrem gut zur Gesamtlage: Denn seit der Spruch des Verfassungsgerichts die neoliberal-deutsche Ideologie der Schuldenbremse ad absurdum führte, klafft im Bundeshaushalt eine Lücke von 60 Milliar­den Euro. Beschlossene Umschichtungen, Sondervermögen und ähnliche haushalterische Tricks, um die Schuldenbremse zu umgehen, stehen in Bund und Ländern auf der Kippe. Und das in einem Land, das europaweit die geringste Schuldenquote unter den Industriena­tio­nen hat und bei schwächelnder Wirtschaft dringend Investitionen benötigt.

Wieder Zeit für Ampelstreit

Aber weil Lindner, der fleischgewordene Porsche 911, in der Rezession natürlich bei den Sozialleistungen für die Ärmsten sparen will und Steuererhöhungen für Reiche ablehnt, sind Haushaltsdiskussionen bis auf Weiteres offen. Der mittlerweile ritualisierte Ampelstreit in der Bundesregierung kann mal wieder von vorne losgehen.

Dass aber nicht weniger auf dem Spiel steht als die wirtschaftliche Zukunft, kann beim Zanken um die schwarze Null ja mal untergehen. Apropos schwarze Null: CDU-Chef Friedrich Merz, seinerseits eher fleischgewordener Privatjet, kondolierte dem Bundeshaushalt bereits zuvor per Forderung nach Sozialkürzungen. Sparvorschläge statt Investitionen in der Krise, was kann schon schiefgehen? Die AfD jedenfalls freut sich über das für sie maßgeschneiderte Konjunkturprogramm und hofft auf weiter steigende Preise.

Immerhin: Ob mit Geld oder mit Verstand, Lindner hat die Schuldenbremse erstmal beerdigt. Der Trauerflor kann ja gleich hängen bleiben.

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Gareth Joswig
Redakteur Inland
Arbeitet seit 2016 als Reporter und Redakteur bei der taz. Zunächst in den Lokalredaktionen von Bremen und Berlin, seit 2021 auch im Inland und Parlamentsbüro. Davor Geschichts- und Soziologiestudium. Themenschwerpunkte: extreme Rechte, AfD, soziale Bewegungen, Mietenpolitik, dies, das, verschiedene Dinge.
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2 Kommentare

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  • Wozu braucht es überhaupt Werbesprüche am Bundesfinanzministerium?

    Und wenn schon dann doch lieber ein Klassiker "Wir wollen nur euer Bestes."

    • @Fabian Wetzel:

      Im vollkommen verinnerlichten und auf alles ausgeweiteten Marketing-Denken muss alles einen "Markenkern" haben. Sich gut verkaufen, Wiedererkennungswert haben. Ob es Sinn ergibt oder nicht, wird nicht gefragt.