piwik no script img

Liegestütze der Polizei am MahnmalWeder Fotospot noch Trainingsplatz

Wenn sich Touris am Holocaust-Mahnmal unverschämt verhalten, greift meist die Polizei ein. Bei eigenen Kol­le­g:in­nen ist sie weniger kritisch.

Was für die einen ein Ort des Trauerns ist, ist für die anderen ein Ort des Rumturnens Foto: dpa/Kay Nietfeld

BERLIN taz | Berliner Polizisten haben Sport auf dem Denkmal für die ermordeten Jüdinnen und Juden Europas getrieben – während sie im Dienst waren. Auf Videoaufnahmen, die der taz vorliegen und über die die B.Z. berichtet hat, sind vier männliche, uniformierte Polizisten zu sehen, die an den dortigen Stelen Liegestütze machen.

Das Holocaust-Mahnmal zieht – wohl auch wegen seiner Lage in der Nähe des Brandenburger Tors – viele Be­su­che­r:in­nen an. In Zeiten von Social Media wurde der Ort zunehmend zu einem beliebten Selfiespot. Da es sich hier aber um ein Mahnmal handelt, das an den Massenmord des zweiten Weltkrieges erinnert, werden Be­su­che­r:in­nen bei ignorantem Verhalten meist direkt von der Polizei zurechtgewiesen – dasselbe gilt scheinbar aber nicht für die Polizei selbst.

Der Vorfall liegt schon etwas länger zurück, er soll sich am Pfingstwochenende ereignet haben. Die Beamten werden dabei vermutlich von ihren eigenen Kollegen gefilmt, im Video lachen und witzeln sie, außerdem zählen sie geschaffte Liegestütze. Ferner sind Sätze zu hören wie: „Das waren aber keine zehn“ und „doch, das waren zehn“. Ein anderer Kommentar aus dem Off weist darauf hin, dass ein Kollege fast 20 Liegestütze geschafft hat, dieser streitet das ab mit dem Satz: „Ich glaub', das waren nur 15. Weiß nicht, hab nicht gezählt.“

Die Problematik ihres Tuns ist den Beamten wohl selbst bewusst, denn in einem der Videos ist zu hören, wie jemand „Sofort online gestellt“ sagt, gefolgt von einem Lachen. Eher eine scherzhafte Äußerung ohne jegliche Absicht, die Aufnahmen jemals an die Öffentlichkeit zu bringen. Nun sind sie aber genau da gelandet.

Bedauert wird erst, wenn der Vorfall publik wird

Ein Sprecher der Polizei bestätigte, dass es sich in den Videos um Dienstkräfte der Polizei Berlin handelt, möchte aber keine näheren Angaben dazu machen. Laut Informationen, die der taz vorliegen, soll es sich um Polizisten des Abschnitts 26 handeln, die an diesem Tag im Regierungsviertel eingesetzt waren.

Berlins Polizeipräsidentin Barbara Slowik entschuldigte sich und verurteilte die Aktion: „Das Verhalten der Kollegen ist eine Missachtung dessen, wofür gerade dieses Mahnmal steht.“ Die Polizeigewerkschaft attestierte „Nachholbedarf im Bereich politische Bildung“. Der Vorfall im Frühling soll weder gemeldet noch aufgearbeitet worden sein – obwohl der Alarmhundertschaftsführer sowie der Leiter Führungsdienst davon wussten.

Offensichtlich besteht bei der Polizei Berlin nicht nur Bedarf in politischer Bildung. Auch das Hinterfragen von Verhaltensweisen der eigenen Kol­le­g:in­nen sollten Po­li­zis­t:in­nen trainieren.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • Hab mir das Bild in der B.Z. angesehen. Das machen die in Uniform!!??. Was ist los mit solchen Leuten? Was stimmt mit denen nicht?



    Erinnert mich auch an einen Vorfall von vor 10 Jahren:



    rp-online.de/panor...sburg_aid-12424695



    Soll man sich aber wundern, wenn man sich anschaut, was zur Besten Sendezeit von den öffentlich rechtlichen Medien in Deutschland so verbreitet wird. www.juedische-allg...in-truebem-wasser/

  • 3G
    33955 (Profil gelöscht)

    Mal wieder „Der Verein“!



    Beschämend ist nicht nur der gewählte Ort, auch die Anzahl der Liegestützen! Mehr ist nicht drin!? Und DIE da sollten, gegebenenfalls, eine deutsche Wiederholung dessen was am Capitol geschah verhindern?



    Die deutsche Polizei- lächerlich!

  • Um mal die ausgetrampelten Pfaden zu verlassen (und ein wenig zu riskieren), hier ein paar Aspekte, die mich auch beunruhigen:

    - Ein Denkmal ist teil des öffentlichen Lebens. Sicher gibt es Grenzen dessen, was "geschmackvoll" ist (Touris in Badelatschen und oben-ohne in Bermudas in eine Synagoge, Moschee oder Kirche wird wohl Konsens sein), aber immer "auf der Lauer" sein ist vermutlich weder gesellschafts- noch gesundheitsfördernd.

    - Betroffenheitserklärungen "post facto" von einer Funktion sind so glaubwürdig wie die Brücke, die mir neulich jemand verkaufen wollte. Wenn 'ne Firmensprecherin sagt, es tue ihr leid, dann betrachte ich das nur als mediale Umweltverschmutzung.

    Und ja, eine fundierte politische Bildung wäre etwas, worin die Polizei ruhig mal investieren könnte. Vermutlich würde so etwas dann nicht mehr "passieren" (auch andere, möglicherweise schlimmere Dinge nicht).

  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    "Berliner Polizisten haben Sport auf dem Denkmal für die ermordeten Jüdinnen und Juden Europas getrieben"

    Man sollte diese Typen sofort entlassen weil ihr geistiges Niveau offensichtlich nicht tragbar ist in so einem Beruf.



    Demnächst Grillparty auf dem Denkmal?

    "Zwei Dinge sind unendlich, das Universum und die menschliche Dummheit, aber bei dem Universum bin ich mir noch nicht ganz sicher." A. Einstein.