Lieferengpässe von Computerchips: Stau in der deutschen Industrie
Wegen der havarierten „Ever Given“ bangt die deutsche Automobilbranche vor allem um Chip-Nachschub. Lieferengpässe gab es aber auch schon vorher.

Bei den deutschen Autobauern gab es schon vor der Havarie Lieferengpässe Foto: Sebastian Gollnow/dpa
BERLIN taz | Zu Lieferverzögerungen von drei bis sechs Tagen würde es nach Angaben der dänischen Reederei Møller-Maersk kommen, sollte die Havarie im Suezkanal andauern. Denn dann würde der Konzern seine Frachter um das Kap der Guten Hoffnung an der Südspitze Afrikas umleiten lassen. Das klingt nach keinem allzu großen Verlust, würde es in der Gesamtbilanz aber bedeuten.
Volkswirte der Allianz, Deutschlands größtem Versicherer, gehen davon aus, dass der blockierte Suezkanal dem Welthandel Einbußen von 6 bis 10 Milliarden Dollar pro Woche bescheren könnte. Rund 13 Prozent des globalen Handelsvolumens wurden 2019 durch den Kanal befördert, heißt es in einer von ihnen angefertigten Studie. Andere Analysten gehen aktuell von rund 10 Prozent des Welthandels aus, der durch die künstliche Wasserstraße zwischen Mittelmeer und Rotem Meer laufen.
Für den Öltransport nach Europa spielt der Suezkanal heute aber keine so wichtige Rolle mehr wie noch vor 20 Jahren. Rohstoffexperten der Commerzbank verweisen darauf, dass der Großteil des in der Golfregion geförderten Erdöls inzwischen nach Asien verschifft werde.
Europa beziehe sein Öl größtenteils aus Russland, Norwegen, Libyen oder Nigeria. Zudem verweisen die Commerzbank-Experten auf eine Pipeline, die parallel zum Suezkanal auf dem Land verlaufe. „Wirklich knapp dürfte Öl daher nicht werden.“
Ohnehin schon Engpässe
Sollte der Stau auf dem Suezkanal anhalten, würde dies eher Deutschlands Maschinenbau- und Autoindustrie hart treffen. Und auch der Import von Konsumgütern vor allem aus China wäre betroffen. Dem Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) zufolge fahren 98 Prozent der Containerschiffe durch den Suezkanal, wenn sie zwischen Deutschland und China unterwegs sind. Die Volksrepublik ist seit Jahren Deutschlands wichtigster Handelspartner mit einem gegenseitigen Volumen von mehr als 212 Milliarden Euro im vergangenen Jahr.
Bei den deutschen Maschinen- und Autobauern gab es vor der Havarie ohnehin bereits erhebliche Engpässe bei Lieferungen von elektronischen Bauteilen wie Halbleitern aus Ostasien – nicht zuletzt wegen der hohen Nachfrage nach Computern und anderen Elektrogeräten im Zuge der Corona-Lockdowns in den vergangenen zwölf Monaten. Wie der Branchenverband VDMA mitteilte, wird der blockierte Kanal die Situation weiter verschärfen. „Bereits stockende maritime Lieferketten zwischen Asien und Europa drohen vollständig zum Erliegen zu kommen“, befürchtet auch Holger Lösch vom Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI).
Leser*innenkommentare
danny schneider
seit Jahren werden Lagerbestände geschrumpft, nur noch "Just in Time" eingekauft... Das Lager ist jetzt die (Wasser-)Straße.
Gier frisst Hirn. Kein Mitleid!
Und nachdem sich die Reichen und Besitzenden spätestens seit Schröder die Taschen immer schneller vollstopfen: Das kann die deutsche Wirtschaft schon ab. Geld ist da vorhanden um auch mal "Verluste" (= verspätete Einnahmen) zu verkraften.