Liebknecht-Luxemburg-Gedenken: Rosas Erben nutzen die Krise
Bei der Prozession zur Grabstätte von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg spielt die Finanzkrise eine wichtige Rolle - bei den jungen Linken. Die älteren Nostalgiker klammern sich derweil lieber an ihre roten Nelken.
"Lasst uns gemeinsam den Weg versperren / der Deutschen Bank und den Wirtschaftsherren." Mit geröteten Nasen, die Mützen tief ins Gesicht gezogen, stehen die drei Musiker am Sonntag zwischen den Info- und Bücherständen vor dem Zentralfriedhof Friedrichsfelde. Die eisige Kälte tut der Sangeslust des Trios keinen Abbruch: Aktueller war das Kampflied "Wir wollen Frieden" aus dem Jahr 1990 schließlich nie. Die Finanzkrise ist das gefundene Thema für die Linken - die Stimmung an der Basis sollte prächtig sein. Doch 90 Jahre nach der Ermordung von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg geben sich die Genossen am Gedenktag eher nachdenklich.
"Ich freue mich schon, dass ich so einen historischen Moment miterlebe", sagt ein Student. Während vorwiegend Vertreter älterer Generationen an ihm vorbei zum Grab der KPD-Mitbegründer ziehen, preist er die Monatszeitung der "Internationalen kommunistischen Strömung" an. "Aber es ist ein zweischneidiges Schwert: Die Krise bedeutet ja auch, dass mehr Menschen ins Elend gestürzt werden", sagt der gebürtige Belgier. Einen Ausweg hat er nicht parat, sagt aber: "Wir müssen zumindest darüber diskutieren, ob Verstaatlichung und Sozialisierung etwas bringen." Er bezeichnet sich als Sympathisant der internationalen Organisation.
Junge, diskussionsfreudige Menschen wie er stehen zuhauf hinter den Ständen, die marxistische Bücher, bedruckte T-Shirts und linke Zeitschriften feilbieten. Dazwischen schiebt sich die Masse von Kommunisten-Fans im Rentenalter vorbei. Luxemburg und Liebknecht waren am 15. Januar 1919 von Freikorpssoldaten getötet worden. Sie sind auf dem Zentralfriedhof beerdigt. Seit der Wende nehmen jährlich mehrere Zehntausend Menschen an dem Gedenken teil, nach Angaben eines Sprechers der Linken waren es diesmal 80.000. Am frühen Morgen legten Linksparteichef Lothar Bisky, Bundestagsfraktionschef Gregor Gysi sowie mehrere Landespolitiker Kränze nieder.
Die Nostalgiker der oberen Altersklasse kommen mit roten Nelken in der Hand. Von der Finanzkrise haben sie zwar gehört, Kapital - im übertragenen Sinn - schöpfen sie daraus nicht. "Das ist schon wichtig mit der Krise, aber ich bin persönlich nicht betroffen", sagt ein älterer Herr lapidar, der eine Sammelbüchse für die Gedenkstätte schwenkt.
Eva Kolowrat beklagt am Infostand der KPD, dass ihrer Partei nicht zugehört werde. Im Parteiblatt berichten die Kommunisten auf der Titelseite gleichwohl lieber von ihrer letzten Sitzung als über weltpolitische Themen. Kolowrat ist von 1967 an in der SED gewesen, nach der Wende zur KPD übergetreten. Am Stand bleibt ihre Generation unter sich. An der Erbwurstsuppen-Kanone gegenüber das gleiche Bild: ein Treffen der Pelzmützen.
Azubi Lars Glönde ärgert solch passive Haltung. "Das ist die große Aufgabe für die linken Strömungen allgemein, sie müssen eine soziale Bewegung aufbauen, sich neu formieren", sagt der Potsdamer. "Es geht darum, klarzumachen, dass es um eine Krise des Kapitalismus im Ganzen geht." Glönde engagiert sich bereits seit Jahren beim "Revolutionär Sozialistischen Bund". Ein Triumphgefühl verspürt auch er nicht - dafür gebe es zu viele Betroffene, die ohnehin zu kämpfen hätten.
Am späten Vormittag kommt die Demo der Antifa am Friedhof an, etwa 10.000 Menschen rufen nach der Revolution. Die agile 71-Jährige, die das Geschehen mit einem Plastikbecher Glühwein in der Hand am Rande beobachtet, blickt skeptisch drein. Sie will sich für gar keine Partei vereinnahmen lassen. "Ich bin rot von Natur aus", sagt sie und tippt auf die gleichfarbige Mütze auf dem Kopf. Die Finanzkrise bestätige zwar ihre anhaltende Kritik am Kapitalismus. "Aber wenn man ehrlich ist: Unsere Idee ist ja auch nicht so aufgegangen."
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