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Liberalisierte SuizidhilfeÄrztInnen im Zwiespalt

Barbara Dribbusch
Kommentar von Barbara Dribbusch

Es ist gut, dass künftig wohl mehr HausärztInnen Beihilfe zum Suizid leisten werden. Die Sterbehilfevereine werden dadurch nicht überflüssig.

Der Notausgang am Ende des Lebens steht Menschen, die das wollen, nun prinzipiell offen Foto: dpa

E s ist eine unbehagliche Vorstellung für HausärztInnen: Der schwerkranke langjährige Patient, verwitwet, Schlaganfall, halbseitig gelähmt, große Schmerzen, inkontinent, ein Pflegefall, steht vor der Einweisung ins Heim. Er bittet seinen Arzt, ihm doch „ein Rezept“ zu besorgen für ein Medikament, mit dem er seinem Leben ein Ende setzen könne.

Es wäre legal. Am Mittwoch kippte auch der Deutsche Ärztetag das Verbot der Beihilfe zum Suizid aus der Berufsordnung. Die Liberalisierung der Beihilfe zum Suizid, wie sie das Bundesverfassungsgericht durch sein Urteil vor einem Jahr angestoßen hat, könnte aber schnell zu einer Überforderung für die ÄrztIinnen werden. Mehrheitlich wollen sie mit der Suizidhilfe nichts zu tun haben, das zeigte sich auf dem Ärztetag. Verpflichtet dazu sind sie ohnehin nicht. Welche Regeln also wären gut?

Es liegen Gesetzentwürfe vor, in denen von einer „Beratungspflicht“ die Rede ist, ähnlich wie im Abtreibungsrecht. PsychiaterInnen sollen dabei mitwirken. Der Gedanke, dass schwerstkranke Bettlägerige mit Sterbewunsch nun auch noch psychiatrische Gutachter am Krankenbett ertragen müssen, erzeugt Unbehagen. Trotzdem wäre es für ÄrztInnen wohl ein Schutz, wenn Suizidwillige mit einer Art zweiten Instanz über ihren Sterbewunsch reden müssten. Bei Schwerstkranken sind die HausärztInnen dann womöglich eher bereit, zu helfen, das Leiden durch die Gabe eines Medikaments an den oder die Suizidwillige zu verkürzen.

Für ärztliche Hilfe bei sogenannten „Bilanzsuiziden“ oder der Selbsttötung aus Angst vor Gebrechlichkeit oder Demenz im Alter werden sich hingegen wohl nach wie vor nur wenige HausärztInnen finden und es ist gut, dass es hier Hürden gibt. An dieser Stelle kommen die Sterbehilfevereine mit ihren angeschlossenen ÄrztInnen ins Spiel, deren Kriterien weiter gefasst sind. Es wäre ein Fehler, sie pauschal zu verteufeln oder wieder verbieten zu wollen.

Sterbehilfeorganisationen haben mitunter zwar Tausende bis Zehntausende von Mitgliedern, doch nur ein sehr kleiner Teil von diesen nimmt die Suizidhilfe tatsächlich in Anspruch. Bei der Mitgliedschaft geht es den meisten wohl eher um psychische Entlastung, um die Möglichkeit eines Notausgangs, auch wenn man ihn gar nicht benutzt. Nicht die ÄrztInnen, die PolitikerInnen, die EthikerInnen sollten im Mittelpunkt der Debatte stehen. Sondern immer die Leidenden selbst.

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Barbara Dribbusch
Redakteurin für Soziales
Redakteurin für Sozialpolitik und Gesellschaft im Inlandsressort der taz. Schwerpunkte: Arbeit, soziale Sicherung, Psychologie, Alter. Bücher: "Schattwald", Roman (Piper, August 2016). "Können Falten Freunde sein?" (Goldmann 2015, Taschenbuch).
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1 Kommentar

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  • ÄrztInnen im Zwiespalt



    Primum nihil nocere - aut idem.



    Vom Regen in die Traufe? Das BVerfG hat durch den unlängst unerwarteten Judikative-Quantensprung als Beweis eines teils schon gelebten Paradigmenwechsels Zukunft f. Deutschland ver-/gesprochen. Die Version v. d. Option f. Sterbewillige ist aber einer Generation ÄrztInnen, die selbst als BoomerInnen zahlenmäßig derzeit entscheidend sind, eine teils dubiose, da ambivalente Vision für ihre Profession. Was den NachfolgerInnen der vielfach noch im Faschismus teilsozialisierten Altvorderen ermöglicht bzw. abverlangt wird, ist in der Breite ohne den Konsens vorort problematisch. Dort ist auch Rechts-Sicherheit obligat, denn niemand wird zukünftig für viele ein(e) besser(e) Partner(in) in der letzten Phase des Lebens sein als HausärztInnen.



    Ein Szenario mit Brisanz: Unterlassene Hilfeleistung bei der Sterbebegleitung. Ich höre schon "SOS aus Gewissensnot", auch "juristische Indikationslage".



    Nihil fit sine causa, der Spruch Ciceros erinnert an die Basis des Urteils, die Fakten in der Realität um die letzte Phase im Vorfeld der letzten Reise. Es ist an der Zeit: Über vielen Lehr- u. Hörsälen der MedizinerInnen stand lat. als Inschrift übersetzt, dass "die Toten die Lebenden lehren". Sie kann jetzt erweitert werden um "die Sterbenden, die Todgeweihten". Erlaubte Grenzüberschreitungen konsensieren per interdisziplinärer Task Force, wird das zielführend sein können, erst kooperativ, dann ultimativ? Oder wird es eine neue Profession der SterbebegleiterInnen geben müssen?