Libanon: Hisbollah und Amal gewinnen Kommunalwahlen im Süden
Der Libanon wählt zum ersten Mal seit Langem auf Lokalebene. Die schiitischen Parteien können sich im Süden behaupten, doch die Wahlbeteiligung sinkt.

Er hatte seine Karriere in der Armee durchlaufen, war zuletzt Armee-Chef, bevor er Anfang Januar Präsident wurde. Teil seiner Versprechung, den Libanon in eine neue Ära ohne Korruption zu führen, waren auch demokratische Wahlen. Seit Januar setzt er viel daran, die politischen Geschäfte neu zu regeln. Teil dessen sind die Kommunalwahlen im Mai, die der Libanon an diesem Wochenende abgeschlossen hat. Zuletzt wählten die Menschen im Südlibanon.
Dort haben die schiitischen Parteien Hisbollah und Amal traditionell die meiste Unterstützung. Bei den Wahlen vom Wochenende gewannen sie deshalb deutlich. Die Wahlbeteiligung aber sank im Vergleich zur letzten Kommunalwahl 2016 von 48 auf 37 Prozent. Hisbollah-Chef Naim Kassim hatte zwei Tage vor der Wahl in einer Erklärung bei seinen Anhänger*innen darauf gepocht, massiv an die Urnen zu gehen. Die islamistische Partei der Hisbollah ist der politische Teil der Organisation, die dem militanten Arm ihren politischen Einfluss verleiht.
Der Südlibanon ist von den israelischen Angriffen im jüngsten Krieg am stärksten getroffen worden. Das israelische Militär hat ganze Dörfer bombardiert und zerstört. Durch den Einsatz von weißem Phosphor sind Olivenhaine und Ackerflächen auf Jahre unfruchtbar. Viele haben ihre Häuser und Einkommensquellen verloren. Trotz offizieller Waffenruhe bombardiert das israelische Militär weiter Ziele im Süden des Landes. Das Militär hatte am Donnerstag verstärkt Luftangriffe geflogen, zwei Tage vor der Wahl.
Joseph Aoun, Präsident Libanons
Am Donnerstagabend berichtete der libanesische Fernsehsender LBCI, der Libanon hätte von den USA ausdrückliche Garantien erhalten, dass Israel von jeglichen Militäroperationen absehen werde, damit die Menschen ohne Angst vor Bombardierungen zu den Wahlurnen gehen können. „Der Wille des Aufbaus ist stärker als die Zerstörung“, sagte Präsident Aoun, nachdem er die Wahllokale in den Städten Nabatieh und Saida besucht hatte.
Wiederaufbau kostet 11 Milliarden US-Dollar
Die neue libanesische Regierung braucht Reformen, um Hilfsgelder für den Wiederaufbau von internationalen Gebern wie dem Währungsfonds zu bekommen. Die Weltbank schätzt, dass der Wiederaufbau rund 11 Milliarden US-Dollar kostet.
Weil die Wahlen entsprechend schnell während der Amtszeit der neuen Regierung über die Bühne gehen sollten, blieb nicht viel Vorbereitungszeit. Die unabhängige Organisation LADE, die Wahlen im Libanon beobachtet, zählt einige hundert Verstöße gegen demokratische Wahlen in jeder Region, darunter Bestechungen und Einflussnahme.
Die NGO zählte 613 Verstöße im Südlibanon, über 700 in der Bekaa-Ebene und in Beirut sowie über 800 Vorfälle bei den Wahlen in der ersten Woche. Im Nordlibanon kritisierte LADE ein „Klima des Chaos“ und Bestechungen. Trotz Mängeln sei die Wahl relativ gut gelaufen, verglichen mit früheren Wahlgängen, so die Organisation in ihrem Report.
Säkulare Parteien bleiben schwach
Trotz Wirtschaftskrise und Hoffnung auf politischen Wandel konnten sich säkulare politische Bewegungen kaum durchsetzen. Die Wahlen erinnerten daran, dass traditionelle Parteien weiter „unerschütterlich in der Bevölkerung verankert“ seien, schreibt eine Analystin der Zeitung L’Orient-Le Jour.
Kommunalwahlen sollten alle sechs Jahre stattfinden, doch zuletzt wurde 2016 gewählt. Seitdem wurden die Wahlen aus „technischen“ Gründen oder wegen Sicherheitsbedenken verschoben. Die Wahlen dieses Jahr abzuhalten, ist ein wichtiges Zeichen, dass der Libanon demokratische Prozesse wieder aufnimmt. Im Frühling 2026 stehen die Parlamentswahlen an. Präsident Aoun versprach, die Regierung werde sicherstellen, dass diese „frei von Unregelmäßigkeiten sind“.
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