Letzter „Tatort“ aus Mainz: Ein Stalker zum Abschied
Der vorerst letzte Tatort aus Mainz zeigt das Vorgehen von Stalkern in technologisch entwickelten Zeiten. Und, was das mit den Opfern machen kann.
Nach nur fünf Fällen ist es aus Kostengründen für die Mainzer Ermittlerin Ellen Berlinger (Heike Makatsch) schon wieder vorbei. Der SWR spendiert ihr einen mit problematischen Männergestalten gespickten Abschied.
Los geht es in der Wohnung der sichtlich verängstigten und psychisch labilen Amira Hassan, die von einer männlichen Stimme am Telefon bedroht wird, offenbar ihr Stalker. „Du kannst es beenden“, flüstert der Anrufer ihr ein und erinnert sie nochmal daran, dass sie ja die Schuld am Tod ihres Bruders tragen würde. Die Frau hält den Terror des Stalkers nicht mehr aus und stürzt sich vom Balkon in den Tod. Just als sie springt, dringt der zunächst sehr undurchsichtige Schutzpolizist Thomas Engels (rehäugig-zerwuschelt dargestellt von Andreas Döhler) mithilfe einer Brechstange in ihre Wohnung ein.
Nachdem Kommissarin Berlinger und ihr Kollege Lukas Wagner (Ludwig Trepte) am Tatort eingetroffen sind, erklärt ihnen Engels seinen Verdacht: Vor zwei Jahren wurde die Polizistin Sonja Römer, Engels’ Streifenpartnerin, erstochen, nachdem auch sie zuvor gestalkt wurde. Für Engels hängen diese Fälle zusammen, und sein Verdacht richtet sich gegen einen Mann aus den eigenen Reihen: ausgerechnet seinen Chef, Niklas Zerrer (Rainer Sellien). Dieser zweifellos unsympathische Mensch hatte einen One-Night-Stand mit Sonja Römer. Als Römer ihn nach diesem einmaligen Ereignis abwies, begann Zerrer sie mit gekränkten SMS zu belästigen.
Nun stellt sich heraus: Er hatte auch schon einmal Kontakt zu einer weiteren Frau, die sich jetzt auf der Polizeiwache meldet, weil auch sie gestalkt wird: Julia Ritter (Susanne Wuest). Auch sie wurde von ihm belästigt, was Polizist Zerrer gegenüber der Ermittlerin Berlinger aber nur mit „Heutzutage wird einem ja alles als Sexismus ausgelegt!“ abbügelt. Nichts darf man(n) mehr, es ist wirklich traurig.
Mainz-„Tatort“: „Aus dem Dunkel“, So., 20.15 Uhr, ARD
Kleine Kameras im Haus
Dennoch bleibt die Frage nach dem Täter vorerst unbeantwortet. Der Film legt den Fokus darauf, was Stalking mit dem Opfer macht und wie perfide das Vorgehen der Täter in der technologisch weit entwickelten heutigen Zeit ist. Neben Todesanzeigen in der Lokalzeitung und üppigen Pizzabestellungen in ihrem Namen hat es der Stalker nämlich geschafft, in Julia Ritters Haus winzig kleine Kameras zu installieren – wie er es zuvor auch bei Amira Hassan getan hatte.
Zudem ist auch ihr Smartphone nicht vor Attacken sicher, und so kommt es, dass der Täter kompletten Zugriff auf das Handy und somit auf das ganze digitale Leben seines Opfers hat. Da Julia Ritter in ihrem Haus nicht mehr sicher ist, bezieht Kommissar Lukas Wagner hier vorübergehend Quartier, um sie zu beschützen – denn dass der Stalker auch ihr nach dem Leben trachtet, steht völlig außer Zweifel.
Ungeschönt und stets nah an seinen Darstellenden dran zeigt dieser „Tatort“ das teils perfide Katz-und-Maus-Spiel zwischen den Ermittelnden und einer Person, deren einziges Ziel es ist, das Leben von Frauen zu zerstören. Die Hintergründe für diesen Hass bleiben ein bisschen zu vage, doch das tut der Spannung keinen Abbruch. Alles in allem ein gelungener Abschied für Kommissarin Berlinger, die auch selbst in den Fokus des Stalkers gerät. Bedauerlich, dass der SWR das Format mit Heike Makatsch nun wegen der hohen Inflation und der Konzentration auf andere Sendungen einstellen will.
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