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Lesbisches Wohnprojekt in Berlin-MitteEs geht voran

Der lesbische Verein Rad und Tat feiert den Fortschritt auf der Baustelle für das Wohnprojekt in Mitte. Die Nachfrage nach einem Platz ist riesig.

Graues Rathaus, buntes Sommerfest: Band vor dem Rathaus Mitte bei der Feier des lesbischen Vereins „Rad und Tat“ Foto: Kajo Roscher

Berlin taz | Nach mehr als zehn Jahren voller Engagement und Rückschläge sind die Bauarbeiten für das erste Berliner Lesbenwohnprojekt in vollem Gange. Direkt neben der Baustelle in der Berolinastraße in Mitte feiert der lesbische Verein Rad und Tat (RuT) am Freitagnachmittag mit einem Sommerfest die Fortschritte bei seinem Vorhaben. Der Grundstein wurde im Januar gelegt – und nach derzeitigem Planungsstand wird das Haus Anfang 2026 bezugsfertig sein.

Zwischen Kuchenständen und einem Soli-Flohmarkt sitzt Jutta Brambach, die Geschäftsführerin von RuT, auf einer Holzbank. Mit Blick auf die gelben Kräne, die sich über der Baustelle hin und her bewegen, sagt sie: „Es schreitet voran. Es stehen jetzt schon fünf Etagen.“ Nur noch zwei der geplanten sieben Etagen fehlen also. Insgesamt sollen 72 Wohnungen entstehen, fünf davon rollstuhlgerecht. Zusätzlich sind acht Plätze in einer Wohngemeinschaft für Frauen mit Pflegegrad geplant.

Das Haus entsteht in Kooperation mit der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft Berlin-Mitte (WBM), von der RuT es dann mieten wird. Die Hälfte der Wohnungen wird gezielt gefördert, um Einstiegsmieten ab sieben Euro pro Quadratmeter zu ermöglichen.

Den Wunsch nach einem Zentrum für queere und lesbische Frauen hegt der Verein schon lange. Diesen „Ort der Solidarität und Selbstbestimmung“ zu finden, sei aber nicht einfach gewesen, so Brambach. Ursprünglich wollte die Gruppe, die vor allem aus älteren Lesben besteht, selbst ein Grundstück kaufen und bebauen. Dafür habe allerdings das Geld gefehlt. „Als lesbisches Projekt ohne eigenes Kapital ist es extrem schwierig“, berichtet Brambach.

Der Traum schien schon geplatzt

2016 waren sie schon einmal fast am Ziel. Die Gruppe hatte sich auf ein Grundstück in Schöneberg beworben, das vom Bezirk ausgeschrieben worden war, und gewonnen. Doch ausgerechnet die Schwulenberatung Berlin erhob Einspruch und gewann wegen eines Verfahrensfehlers. Auch innerhalb der Community gab es damals viel Widerspruch und Protest. Der Traum vom ersten lesbischen Wohnprojekt schien geplatzt.

Nach Protesten dann ein Erfolg: Der Verein bekam das Angebot, zusammen mit WBM den Neubau in der Berolinastraße zu errichten – gewissermaßen ein Filetgrundstück, gleich am Kino International und Rathaus Mitte.

In dem neuen Haus sollen Wohnen, Pflege und kulturelle Veranstaltungen miteinander verbunden werden. Denn ältere lesbische Frauen und Lesben mit Behinderung seien in „hohem Maße von Isolation und Diskriminierung betroffen“ heißt es im Konzept des Wohnprojekts. Auch ein Teil der RuT-Beratungsstelle wird ins Erdgeschoss direkt neben ein Kiezcafé und Veranstaltungsräume einziehen. Das Ziel ist, ein offener Ort für die ganze Nachbarschaft zu sein.

Die Nachfrage ist riesig

Die Warteliste für das Wohnprojekt zeigt: Die Nachfrage ist riesig. Bereits jetzt haben sich mehrere hundert Frauen auf eine der Wohnungen beworben. Wie genau das Auswahlverfahren ablaufen wird, will RuT in der nächsten Zeit intern erarbeiten.

„Es ist klar, dass ein Wohnprojekt den Bedarf nicht decken kann“, sagt Kerstin Drobick, Gleichstellungsbeauftragte des Bezirks Mitte. „Natürlich würden wir am liebsten gleich das zweite oder dritte Projekt starten“, fügt Brambach hinzu. Doch dafür bräuchten sie vom Senat mehr als die dreieinhalb Teilzeitstellen, die sie momentan haben.

Auch für das aktuelle Projekt fehlen noch über 300.000 Euro. Zwar baut die WBM das Haus, doch das Erdgeschoss, in dem Beratungen und Veranstaltungen stattfinden werden, gestaltet RuT selbst und ruft dafür weiter zu Spenden auf.

Dass es in der Berolinastraße vorangeht, feiern die etwa 70 Be­su­che­r*in­nen des Sommerfests ausgelassen. Zu Livemusik tanzen sie im Nieselregen, der die gute Laune nicht trübt.

Zu Gast ist auch die Rentnerin Ilona Böttcher, die sich schon auf eine der Wohnungen beworben hat. Sie erzählt, dass sie sich besonders auf das gemeinschaftliche Zusammenleben und das Kiezzentrum unten freut. „Wenn ich nicht mehr raus kann in die Welt, dann kommt die Welt zu mir“, sagt sie lächelnd. Kurz unterbricht sie das Gespräch, um energisch auf dem Soli-Flohmarkt um einen Seidenschal zu verhandeln und erklärt dann, warum ihr das Projekt am Herzen liegt: „Ich finde wichtig, dass lesbisches Leben sichtbar ist“.

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6 Kommentare

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  • Ich stehe solchen Projekten leider gespalten gegenüber. Denn die Worte Solidarität und Isolation klingen in diesem Zusammenhang irgendwie falsch. Man schafft Isolation, in dem man die Solidarität nach innen trägt.



    Wir queere Menschen haben Jahrzehnte für ein Miteinander gekämpft, aber Abschottung scheint am Ende doch lieber zu sein.

  • Natürlich ist es wichtig, dass lesbisches Leben sichtbar wird, wie zitiert.



    Aber wollen wir allüberall Segregation betreiben?



    Werden jetzt Wohnprojekte, die sich nicht per sexueller Identität identifizieren, sondern als Wohnprojekte von Menschen, Personen..., zwangsweise als hetero definiert?



    Wollten wir nicht alle inclusiv sein?



    Und auch alle Zwischentöne des Menschlichen einbeziehen?



    Nicht alle möchten sich in die eine oder andere Richtung öffentlich bekennen.



    Wir besitzen nicht nur sexuelle Identitäten, sondern viele andere, jedes einzelne Individuum.



    Irgendwie scheint das universalistische Denken abhanden zu kommen.



    Und das in Zeiten völliger rechtlicher Gleichberechtigung, in Zeiten von Ehe für alle - es ist schon ein wenig paradox.

    • @Toni Zweig:

      Ich finde es recht weit hergeholt, dass andere Projekte nun als zwangsweise hetero definiert würden, nur weil es solche Projekte gibt. In der Zeit, in der klassischerweise viele Menschen in WGs wohnen, in jüngerem Alter, suchen sie sich ihre Mitbewohner:innen auch selbst und gehen dabei meist nach irgendwelchen Gemeinsamkeiten. So ist es auch in solchen Wohnprojekten. Die einen wollen Mehrgenerationenwohnen, die anderen bestimmte Interessen und Werte teilen, andere halt die durch sexuelle Orientierung gemeinsame Sozialisationserfahrungen.



      Da muss man nicht gleich Angst vor Segregation und Exklusion haben.

      • @blutorange:

        ".. in WGs wohnen, in jüngerem Alter, suchen sie sich ihre Mitbewohner:innen auch selbst"



        " Da muss man nicht gleich Angst vor Segregation und Exklusion haben."

        Es ist thematisch etwas komplett anderes, wenn eine Gruppe privat(!) für sich entscheidet, wen sie in ihre WG einziehen lassen möchte. In diesem Fall wird die Segregation allerdings proaktiv vom Senat unterstützt.



        Von einer Gefahr redet hier niemand. Die geförderte Exklusion zuwiderläuft jedoch komplett den jahrzehntelangen Anstreben nach einem bunten Miteinander.

        • @Mopsfidel:

          Ich habe in Bezug auf die Vermutung/Befürchtung, andere Wohnprojekte, die sich nicht sexuell definierten, würden nun zwangsweise als Hetero- Projekt gelten, dahingehend argumentiert, dass es weiterhin in jeder Hinsicht offene Projekte geben kann, auch wenn es solche in Bezug auf einen (!) Lebensaspekt exklusive Projekte gibt und diese auch gefördert werden.

  • Ein absolut tolles Projekt. Absolut zu empfehlen, sowas zu unterstützen. Das sollte in jeder Tag gemacht werden.