Lehrer*innenstreik in Berlin: Schlechtreden ist einfacher als bessermachen
Berlins Bildungssenatorin kritisiert den Arbeitskampf der Lehrer*innen als verantwortungslos. Selbst hatte sie zuletzt nur Kürzungen zu bieten.

D rei Tage Streik – und das mitten in der Prüfungszeit: Wer so etwas ankündigt, kriegt schneller Gegenwind, als er*sie das Wort „Arbeitskampf“ aussprechen kann. Den bekam auch die Gewerkschaft für Wissenschaft und Erziehung (GEW) ab, die Lehrer*innen und Erzieher*innen dazu aufrief, von Dienstag bis Donnerstag für bessere Arbeitsbedingungen und kleinere Klassen zu streiken. Erreichen wollen sie dies über einen Tarifvertrag Entlastung, für den sie seit mehr als drei Jahren tageweise Streiks ansetzen.
Der Zeitpunkt lasse das „notwendige Maß an Verantwortungsbewusstsein“ vermissen, kritisierte Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) im Vorfeld die Streikenden. Denn am Dienstag standen für rund 20.000 Zehntklässler*innen die Mathe-Prüfungen für den Mittleren Schulabschluss an, außerdem starten diese Woche die Abi-Prüfungen in Französisch.
Zeitgleich zur Kritik der Senatorin hieß es allerdings aus ihrer Bildungsverwaltung, dass alle Prüfungen wie geplant stattfinden sollen. Das bestätigte die Verwaltung auch am Mittwoch: Keine Prüfung sei abgesagt worden. Am Dienstag beteiligt sich laut Verwaltung rund 1.300 Lehrer*innen am Streik. Zum Vergleich: Im Land arbeiten rund 36.000 Lehrer*innen, von denen rund 18.000 angestellt und damit streikberechtigt sind. Mittwoch seien es rund 1.500 gewesen.
Von der GEW hieß es, dass sich in den Streikzahlen bemerkbar mache, dass wieder mehr Lehrer*innen verbeamtet seien und somit nicht streiken dürften. „Unsere Forderungen schmälert das aber nicht“, sagte eine Sprecherin. „Auch verbeamtete Lehrer*innen tragen diese mit.“ Auch seien viele Lehrer*innen einfach erschöpft.
Bald Ergebnisse der Arbeitszeitstudie
Wie stark deren Überlastung ist, das will die GEW Anfang Juni mit Zahlen untermauern. Dann stellt sie die Ergebnisse einer Arbeitszeitstudie vor, bei der Lehrer*innen ein Schuljahr lang ihre Arbeit minutengenau dokumentiert haben. Bekannt sind schon Aussagen aus einer Befragung zur Zufriedenheit mit der Arbeit.
Demnach würde nur noch jeder fünfte Lehrer den Beruf weiterempfehlen, im krassen Unterschied zu anderen Berufen, wo die Zufriedenheit viel höher ist. Gleichzeitig zeigt die Befragung, dass Lehrer*innen teils über die eigenen Belastungsgrenzen gehen, um ihre Schüler*innen zu unterstützen. Lehrer*innen sagten aber auch, mit welchen Maßnahmen die Politik sie entlasten könnte.
„Fehlendes Verantwortungsbewusstsein“, damit sind Streiks schnell in Verruf zu bringen. Doch wer das sagt, sollte sein eigenes Verwantwortungsbewusstsein mit konstruktiven Ideen untermauern. Die Bildungsverwaltung aber hatte zuletzt außer Kürzungen wenig im Angebot.
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