Legionellen-Gefahr in Warstein: Gefährliche Keime aus der Kläranlage

165 Menschen haben sich in Warstein mit Legionellen infiziert, zwei sind gestorben. Als Verursacher steht die Vorkläranlage einer Brauerei in Verdacht.

In Warstein steht die Angst vor einer Legionelleninfektion immer noch ganz oben auf der Tagesordnung. Bild: dpa

WARSTEIN/SOEST dpa | Der Legionellen-Befall in der Vorkläranlage der Warsteiner-Brauerei nimmt immer schlimmere Dimensionen an. Das haben neueste amtliche Messungen ergeben. Der Produktionsprozess ist dagegen frei von Legionellen. Das Abwasser aus der Produktion wies keinen Befall auf. Das nährt die Annahme, dass die gefährlichen Erreger von außen, möglicherweise über die Luft in die offene Vorklärung gelangten.

Der vom Kreis Soest bestellte Hygieneexperte Professor Martin Exner hält inzwischen Vorkläranlagen an Brauereinn für Anlagen, die Legionellen gute Bedingungen bieten.

Der Krisenstab will am Montag beraten, ob die Kläranlage aus dem Kreislauf herausgenommen und das nicht belastete Brauereiabwasser direkt zur kommunalen Kläranlage geleitet wird, wie ein Sprecher des Kreises Soest am Freitag mitteilte.

Die bisherigen Schutzmaßnahmen scheinen unterdessen zu greifen. Auch am Freitag waren keine neuen Erkrankungen aufgetreten. Die Legionellen waren über die Klärbetriebe bis zu einer Firma gelangt, über dessen Kühlanlage die Legionellen mit dem Wasserdampf in die Luft gelangten. 165 Menschen erkrankten seit August, zwei von ihnen starben. Die Kühlung der Firma ist bereits stillgelegt.

Die Legionärskrankheit

Die Erreger der Legionellose oder Legionärskrankheit sind weltweit verbreitete Umweltkeime. Die beweglichen Stäbchenbakterien kommen in Oberflächengewässern und im Grundwasser vor. Daher können sich auch in dem von Wasserwerken gelieferten Trinkwasser Legionellen befinden, meist jedoch in geringer Konzentration. Legionellen leben aber nicht nur im Süßwasser, sondern können sich auch im Meer halten und vermehren.

Sie können die Lungen von Menschen befallen, wenn kleinste Wasserteilchen eingeatmet werden. Klimaanlagen, Duschen oder Whirlpools sind daher häufige Infektionsquellen. Temperaturen zwischen 25 und 45 Grad Celsius bieten ideale Wachstumsbedingungen für Legionellen. In kühlerem Wasser vermehren sie sich nur langsam. Ist das Wasser heißer als 60 Grad, werden sie abgetötet.

Gefährdet sind vor allem Alte und Geschwächte

Wie gefährlich Legionellen werden können, hängt nicht nur von ihrer Anzahl ab, sondern auch von der Empfindlichkeit der Betroffenen. Gefährdet sind vor allem Ältere, Raucher sowie Menschen mit geschwächtem Immunsystem. Um Infektionen zu vermeiden, sollten bestimmte Grenzwerte im Trinkwasser nicht überschritten werden.

Eine Infektion beginnt meist mit Husten, Durchfall und Fieber. Die "Legionärskrankheit" zeigt sich in einer schweren Lungenentzündung, die tödlich verlaufen kann. Das häufiger vorkommende "Pontiac-Fieber" ist eine grippeähnliche Erkrankung. Das Trinken von Wasser, das mit Legionellen verseucht ist, ist dagegen in der Regel harmlos. Eine direkte Übertragung von Mensch zu Mensch gilt als unwahrscheinlich.

Gute Wachstumsbedingungen

In Warstein kommt Hygieneexperte Exner inzwischen zu dem Schluss, dass auch in Vorkläranlagen, in denen Hefe-belastete Abwässer anfallen, Legionellen offenbar besonders gute Bedingungen finden. Bislang sei aber in der Wissenschaft kein Zusammenhang zwischen Brauereien und Legionellen bekannt.

„Ich glaube, wir stehen hier vor ganz neuen Erkenntnissen. Die bisherige Ökologie der Legionellen muss umgeschrieben werden“, sagte Exner.

Zum Schutz vor Legionelleneintrag aus der Luft soll die Vorklärung der Warsteiner Brauerei bis kommenden Mittwoch ein Dach und eine UV-Bestrahlung zur Abtötung der Legionellen bekommen, so wie es an der kommunalen Anlage kurzfristig bereits eingerichtet wurde.

Kläranlagen künftig besser untersuchen

Warsteins Bürgermeister Manfred Gödde rechnet mit einem Umdenken der Brauereien. „Man hat ja von Anfang an gar nicht mit Kläranlagen gerechnet“, sagte er. In keiner Brauerei in Deutschland werde auf Legionellen untersucht.

„Dieser Fall wirft ja über Deutschland hinaus Schatten. Jede Kläranlage jeder Brauerei wird ja ab sofort garantiert untersucht“, sagte Gödde.

Die Produkte aus dem Brauprozess der Warsteiner sind nach Unternehmensangaben nach wie vor nicht von dem Legionellenfall betroffen. Die Biere und Biermischgetränke seien rein.

In Warstein werden Warsteiner, Frankenheim sowie Biermischgetränke hergestellt. Die Produktion laufe in unverminderter Stärke weiter. Brauereibesichtigungen sind aber bis auf weiteres gestrichen. Der Krisenstab des Kreises empfiehlt weiterhin, auf nicht notwendige Fahrten nach Warstein zu verzichten.

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