Legendärer Sumo-Großmeister hört auf: Sogar größer als Federer
Niemand hat Japans Nationalsport so dominiert wie Sumo-Großmeister Hakuho. Doch aus gesundheitlichen Gründen muss der gebürtige Mongole zurücktreten.
45 Kaiserpokale, 1.187 Siege, 16 Turniere ohne eine Niederlage, 14 Jahre Großmeister – Rekorde von einem anderen Stern. Im Vergleich zu Hakuho verblassen selbst Sportlegenden wie Roger Federer im Tennis oder Jack Nicklaus im Golf. Nun hat der wohl größte Champion in Japans traditionsreichem Nationalsport Sumo seinen Rücktritt erklärt. Das rechte Knie macht nicht mehr mit – der 155 Kilogramm schwere und 1,93 Meter große Hakuho ist immerhin schon 36 Jahre alt.
Nach einer Knieoperation im März überraschte der Yokozuna (Großmeister) noch mit einem Comeback im Juli und schickte seinen größten Herausforderer Terunofuji im Finalkampf in den Sand. Aber vom September-Turnier wurde sein Ringerstall aufgrund vieler Corona-Infektionen ausgeschlossen. „Ich habe meine Rolle mehr als erfüllt“, begründete der Ausnahmesportler den Rücktritt. „Wie ein Yokozuna kann ich nicht mehr weiterringen.“ Darauf posteten zahllose Fans Tränen- und Trauer-Emojis auf Twitter.
Noch vor zwanzig Jahren stellte sich der 15-jährige Davaajargal Mönkhbatyn aus Ulan-Bator in der Mongolei vergeblich bei allen Sumoställen vor. Er stammte aus einer Ringerfamilie, sein Vater gewann eine Silbermedaille bei den Olympischen Spielen 1968. Aber mit nur 63 Kilogramm war der Teenager viel zu dünn für einen Sumotori. Kurz vor dem Rückflug in seine Heimat nahm ihn auf Empfehlung eines anderen Mongolen der Miyagino-Stall doch noch auf. Dank der kohlenhydratreichen Sumonahrung legte er mächtig an Statur zu. Sechs Jahre später begann seine Siegesserie. Die Schriftzeichen seines Kampfnamens bedeuten „Weißer Ping“, ein mythischer Riesenschwan aus China.
Die 46 Ställe, die Sumo unterrichten, dürfen nur jeweils einen Ausländer aufnehmen. Trotz der Beschränkung dominieren seit der Jahrtausendwende Mongolen das Sumo. Sie haben oft schon das mongolische Bokeringen praktiziert, hungern aufgrund ihrer meist ärmlichen Herkunft nach Erfolg und sind psychisch stabil. Sonst würden sie das harte Training, die Sprach- und Kulturbarrieren und die strikte Hierarchie in den Ställen kaum ertragen.
Hohe japanische moralische Maßstäbe
Die meisten Japaner kommen mit dem Siegeszug der Mongolen klar, solange die Großmeister genug „Würde“ zeigen. Daran scheiterte der dominante, aber flegelhafte Yokozuna Asashoryu. Er musste seine Karriere im Februar 2010 beenden, weil er sich betrunken gerauft hatte.
Danach trat Hakuho aus dem Schatten von Asashoryu heraus und erfüllte zunächst die hohen moralischen Maßstäbe, die die Japaner an ihre Sumo-Idole anlegen. Zum Beispiel trat er nach dem verheerenden Tsunami von 2011 in den Katastrophengebieten auf, um die Opfer zu unterstützen. Mit dem Hakuho-Cup versucht er junge Japaner als Nachwuchsringer zu gewinnen.
Seine sportlichen Leistungen versöhnten die Nation mit den Wettskandalen und den Misshandlungen junger Ringer, die den Ruf des Sumos vor zehn Jahren beschädigt hatten.
Doch im Zenit seiner sportlichen Laufbahn konnte Hakuho seine Gefühle nicht mehr perfekt kontrollieren. Beim Kampf schlug er manche Gegner ins Gesicht oder schob sie erneut weg, nachdem sie verloren hatten. Auch seine (erlaubte) Taktik, einem Angreifer auszuweichen und ihn ins Leere stürmen zu lassen, erregte die Gemüter. „Ein Yokozuna muss sich wie ein Vorbild benehmen“, meinte der oberste Sumoberater Hironori Yano. Hakuho wird in seiner Wahlheimat bleiben. Seit 2019 besitzt er die japanische Staatsangehörigkeit, mit der er künftig einen eigenen Sumostall leiten könnte.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Autobranche in der Krise
Kaum einer will die E-Autos
Merz stellt Reform in Aussicht
Zarte Bewegung bei der Schuldenbremse
Abschiebung von Pflegekräften
Grenzenlose Dummheit
Ungelöstes Problem der Erneuerbaren
Ein November voller Dunkelflauten
Schuldenbremsen-Dogma bröckelt
Auch Merz braucht Geld
Bürgergeld-Empfänger:innen erzählen
„Die Selbstzweifel sind gewachsen“